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Raus aus der WLAN-Steinzeit

Peter Hille13. März 2015

Ich brauche mal schnell ein kostenloses WLAN! In Deutschland allerdings wird daraus meistens nichts - zu groß ist die Angst der Anbieter vor Post vom Anwalt. Ein neues Gesetz soll das bald ändern.

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Symbolbild Start-up Büro Meeting
Bild: Fotolia/Rawpixel

Nochmal kurz auf dem Handy die E-Mails checken, bevor der Flug geht. Die letzten Minuten der Internet-Auktion auf dem Laptop im Café um die Ecke verfolgen. Oder im Hotel die neuesten Nachrichtenvideos auf dem Tablet schauen. All das ist kostenfrei möglich mit öffentlichen WLAN(Wireless Lan)-Hotspots. Zumindest in vielen europäischen Ländern. Fahren Deutsche dorthin, in den Urlaub oder auf Geschäftsreise, dann sind sie oft begeistert: freies WLAN, fast überall!

Ähnliche Zustände in Deutschland forderte Jens Spahn, CDU-Abgeordneter im Deutschen Bundestag, schon vor Monaten auf Twitter. Und musste sich dort die Bemerkung gefallen lassen, dass es an seiner Partei, gemeinsam mit der SPD an der Regierung, liege, dies zu tun. Schließlich besitzt die Koalition eine satte Mehrheit im Parlament, um freies WLAN per Gesetz zu fördern.

Die will das Gesetz nun ändern, zumindest wenn es nach Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geht. "Deutschland fährt bei der Verbreitung von WLAN-Hotspots im internationalen Vergleich derzeit noch mit angezogener Handbremse", sagt Gabriel. Er will die Handbremse lösen, indem Anbieter eines öffentlichen Netzes mehr Rechtssicherheit erhalten. "Dies wird dem Ausbau öffentlich zugänglicher Hotspots einen Schub geben", so Gabriel.

Mithaften für die Störer

Denn es ist nicht so sehr der fehlende Wille, der deutsche Café-Besitzer davon abhält, ihren Kunden einen Netzzugang zu spendieren. Vielmehr herrscht Sorge vor der sogenannten Störerhaftung im Internet, die der Gesetzgeber vorsieht. Das Kompositum klingt nicht nur sehr deutsch, der Rechtsbegriff ist international ziemlich einmalig. Wer anderen den Zugang zum Netz über den eigenen WLAN-Anschluss ermöglicht, der ist mit schuld, wenn diese dort beispielsweise illegal Filme herunterladen oder gar Kinderpornografie. Es drohen Abmahngebühren und Strafen.

Das führt dazu, dass Deutschland im internationalen Vergleich hinterherhinkt, was offene WLAN-Zugänge angeht. Deutschland liege da ungefähr auf dem Niveau von Russland, hat der Branchenverband der deutschen Internetwirtschaft ermittelt. Ganz vorne: die USA und Südkorea. Der kommerzielle Netzanbieter Ipass hat erhoben, wo auf der Welt Internetnutzer in Museen, Zügen, Bibliotheken und anderen öffentlichen Orten freies WLAN finden. Am häufigsten wird man demnach in Cafés fündig. Doch auch hier liegt Deutschland zurück. Freies Netz zum Cappuccino erhalten die Café-Besucher in anderen europäischen Ländern wie Schweden, Großbritannien oder der Türkei doppelt so oft wie in Deutschland.

Infografik Anzahl von Cafés mit kostenlosem Wireless Lan in Europa

Dies soll Gabriels Gesetzesinitiative ändern. Allerdings sieht auch der Vorstoß aus dem Wirtschaftsministerium Einschränkungen vor: das Zugangsgerät muss verschlüsselt sein und Nutzer müssen per Klick erklären, dass sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Nur dann haftet der Anbieter nicht. Und all das soll nur für diejenigen gelten, die ein öffentliches WLAN geschäftsmäßig betreiben, nicht für Privatleute. Die müssen ihre Mit-Nutzer sogar namentlich kennen, so dass fast nur Familienmitglieder, Freunde oder Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft in Frage kommen.

"Hier werden so hohe Hürden angesetzt, dass es nicht zu mehr offenen WLANs durch Privatpersonen führen wird, sondern möglicherweise sogar zu weniger", sagt deshalb Markus Beckedahl von netzpolitik.org. Damit verspiele die Bundesregierung wichtige Chancen für Online-Wirtschaft, Tourismus und Zivilgesellschaft, sagt Alexander Sander, Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft. "Mit dem Regierungsentwurf zur WLAN-Störerhaftung verharrt Deutschland in der digitalen Steinzeit", so Sander weiter.

Free Wifi am Flughafen

In kleinen Schritten raus aus der Frühgeschichte haben sich zuletzt die Flughäfen in Deutschland bewegt. An den Hauptstadtflughäfen in Berlin etwa gibt es seit einer Woche eine Stunde Internet gratis. In Düsseldorf kann man seit einem Jahr 30 Minuten lang kostenlos surfen. "Weil Flughäfen heute natürlich auch Orte der digitalen Kommunikation sind", so Thomas Kötter, Pressesprecher des Flughafens Düsseldorf, gegenüber der DW. Dort hatte die damalige Digitalkommissarin der EU Neelie Kroes vor Einführung der 30-Minuten-Regelung kostenpflichtiges WLAN als Diebstahl bezeichnet.

Und warum nicht gleich freies Netz, unbegrenzt für alle? "Das WLAN-Netz erstreckt sich über eine Fläche von über 50.000 Quadratmetern. Da haben Sie natürlich auch eine gewisse Infrastruktur, die Sie zu betreiben haben", und das koste natürlich Geld, so Kötter. Noch ist das neue Gesetz nicht in Kraft, deshalb muss man sich für die Freiminuten in Düsseldorf beim Kommunikationsanbieter Vodafone registrieren. "Wir haben natürlich ein paar Spielregeln hinterlegt, um auf der sicheren Seite zu sein", sagt Kötter.

Dass der Bedarf an Freinetz groß ist, zeigt die Nutzung am Düsseldorfer Flughafen. Rund 30 Terabyte an Daten haben die Nutzer dort im vergangenen Jahr mit ihren Halbstunden-Zugängen abgerufen. Wer allerdings an jeder Straßenecke freies WLAN finden möchte, der muss auch in Zukunft in den Flieger steigen und Deutschland verlassen. Im estnischen Tallinn etwa bietet die Stadt allen Bürgern und Besuchern fast flächendeckend freies WLAN, rund um die Uhr.