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PolitikGeorgien

EU legt sich zur Georgien-Wahl noch nicht fest

28. Oktober 2024

Die Wahl wurde gestohlen, sagt Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili. Alles in Ordnung, sagt der Regierungschef. Was stimmt? Die EU will den Abschlussbericht der Wahlbeobachter abwarten. Aus Brüssel Bernd Riegert.

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Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili. Sie trägt ein graues Sakko, darunter eine rote Bluse und spricht in ein Mikrophon. Neben ihr steht Nana Malashkhia vom oppositionellen Bündnis "Koalition für Veränderung" und schaut mit den Augen nach oben
Georgiens Präsidentin Surabischwili (links) schlägt sich auf die Seite der Opposition: Die Wahl wurde gestohlen, sagte sie in der DWBild: Kostya Manenkov/AP/picture alliance

Der Beitrittsprozess der EU mit Georgien wird wohl bis auf Weiteres nicht vorankommen. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte auf eine Frage der DW, erst müssten die Zweifel zum Wahlausgang ausgeräumt und undemokratische Gesetze zurückgenommen werden.

Nach der Wahl vom vergangenen Sonntag ist im Land umstritten, wer gewonnen hat. Die Regierungspartei "Georgischer Traum" (GT) reklamiert den Wahlsieg für sich. Die staatliche Wahlkommission sieht den GT bei 54 Prozent der Stimmen.

Die Präsidentin des Landes, Salome Surabischwili, erkennt das Wahlergebnis nicht an. Sie rief in einem Interview mit der Deutschen Welle die Bevölkerung zu Protesten auf.

"Dies ist eine Wahl, die gestohlen wurde. Die Menschen auf den Straßen Georgiens werden dieses Urteil bestätigen", sagte Salome Surabischwili.

Die georgischen Politiker Bidzina Ivanischwili (rechts) und Ministerpräsident Irakli Kobachidse (links)  Im Hintergrund steht ein Mann mit Brille
Klatschen für den "Georgischen Traum": Die georgische Wahlkommission erklärte Ministerpräsident Kobachidse (li.) und Parteigründer Iwanischwili zum SiegerBild: Irakli Gedenidze/REUTERS

Bericht der Wahlbeobachter abwarten

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell forderte die Wahlkommission Georgiens auf, die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen zu untersuchen und zu beseitigen. "Das ist notwendig, um das Vertrauen in den Wahlprozess wiederherzustellen", erklärte Borrell schriftlich.

Aus der Stellungnahme ließ sich nicht ablesen, ob die EU das Wahlergebnis anerkennt. Man wolle auf den abschließenden Bericht der Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) warten, so der EU-Außenbeauftragte.

Ähnlich äußerte sich auch der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, der die 27 Mitgliedsstaaten vertritt. Kommende Woche soll bei einem EU-Gipfel beraten werden.

EU-Gipfeltreffen | Der Chef der Außenpolitik der Europäischen Union, Josep Borrell, spricht in viele Mikrophone
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell: Noch kein abschließendes UrteilBild: NICOLAS TUCAT/AFP

Beitrittsprozess eingefroren

Die EU hatte im Sommer weitere Schritte zu einem Beitritt der Kaukasusrepublik Georgien mit ihren vier Millionen Einwohnern ausgesetzt. Anlass war ein Gesetz der zunehmend Russland-freundlichen Regierungspartei GT, das vom Ausland finanzierte Nichtregierungsorganisationen zu "ausländischen Agenten" erklärt und deren Arbeit in Georgien erschwert.

Die EU-Mitgliedsstaaten argumentierten, die georgische Regierung, hinter der der autokratisch denkende Oligarch Bidsina Iwanischwili steht, untergrabe den demokratischen Prozess und die fundamentalen Werte der EU. Solange das Gesetz in Kraft bleibt, bleiben die Vorbereitungen für Beitrittsgespräche eingefroren und Hilfsgelder gestrichen.

Hinzu kam dann noch ein weiteres Gesetz, das die Rechte von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten (LGBTQ) einschränkt. Auch das folgte im Prinzip einem russischen Vorbild, das "homosexuelle Propaganda" verbietet.

Georgien war erst vor einem Jahr der Status als EU-Beitrittskandidat zugebilligt worden. Im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat die EU mit der Ukraine und Moldau, wie Georgien Anrainer des Schwarzen Meeres, inzwischen Beitrittsverhandlungen aufgenommen.

Georgischer Traum: EU-Beitritt als Ziel

Brüssel geht weiter davon aus, dass Georgien der EU irgendwann beitreten möchte. Nach Meinungsumfragen vor der Wahl sind immerhin 80 Prozent der Menschen für diesen Schritt.

"Konstruktiver und inklusiver Dialog über die gesamte Breite des politischen Spektrums ist jetzt entscheidend", meinte dazu der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell.

"Die EU ruft Georgien dazu auf, demokratische, umfassende und nachhaltige Reformen durchzuführen, die den Prinzipien der europäischen Integration entsprechen."

Der georgische Premier Irakli Kobachidse sagte am Montag nach der Wahl, seine Partei, der "Georgische Traum", sei keineswegs gegen einen Beitritt zur EU. Der Beitritt bis zum Jahr 2030 sei das "wichtigste außenpolitische Ziel", so Kobachidse in der georgischen Hauptstadt Tiflis. Es brauche einen "Neustart" in den Beziehungen zur EU.

Die Regierungspartei "Georgischer Traum" hatte vor der Wahl Kriegsangst geschürt und behauptet, Russland würde in die ehemalige Sowjetrepublik Georgien einmarschieren, sollte sich das pro-EU Lager der Opposition durchsetzen.

Seit einem kurzen Krieg im Sommer 2008 halten russische Truppen rund 20 Prozent des georgischen Territoriums, Südossetien und Abchasien (schraffiert in der Grafik), de facto besetzt.

Menschen protestieren auf der Straße. Eine Frau mit Brille hält eine Nationalfahne Georgiens hoch mit rotem Kreuz auf weißem Untergrund
Proteste gegen die Regierung sind nicht ungewöhnlich: Bereits im Mai gingen Menschen gegen das Gesetz zur "ausländischen Einflussnahme" auf die StraßeBild: Vano Shlamov/AFP/Getty Images

Orban tanzt aus der Reihe

Die EU ist in ihrer abwartenden Haltung nicht ganz geschlossen. Der ungarische Premierminister Viktor Orban gratulierte der Regierungspartei GT bereits unmittelbar nach Schließung der Wahllokale am Samstag zu ihrem "überwältigenden Sieg", als noch gar keine Zahlen veröffentlicht waren.

Orban befindet sind auf einem ähnlichen autoritären Kurs wie die georgische Regierung und pflegt als einziger EU-Regierungschef enge Kontakte mit dem Kreml.

Der ungarische Premier wird heute zu einem Solidaritätsbesuch in der georgischen Hauptstadt Tiflis erwartet. Allerdings reist er nicht in seiner Funktion als derzeitiger EU-Ratspräsident an.

Seit Orbans Alleingängen in der Ukraine-Politik mit selbsternannten Friedensmissionen besteht die EU-Zentrale in Brüssel darauf, dass der rotierende Ratsvorsitz kein außenpolitisches Mandat hat. "Er reist als ungarischer Ministerpräsident ohne Auftrag", sagte eine Kommissionsprecherin in Brüssel.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union