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Israel: Wenn rechtsextreme Fans auf die Straße gehen

Felix Tamsut
7. August 2020

Seit Wochen dauern in Israel Demonstrationen gegen und für Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen fallen Mitglieder zweier rechtsextremer Fußball-Fangruppen auf.

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Beitar Jerusalem Football Club Fans
Bild: picture-alliance/dpa/A. Sultan

Benjamin Netanjahu steht unter Druck. Seit Wochen gibt es Großdemonstrationen gegen den israelischen Ministerpräsidenten. Zum einen steht er unter Korruptionsverdacht, zum anderen werfen die Demonstranten Netanjahu und seiner Regierung Fahrlässigkeit in der Corona-Krise vor. Auch die Anhänger des Regierungschefs gehen auf die Straße, um ihn zu unterstützen. In der vergangenen Woche schlugen Demonstrationen in Jerusalem und Tel Aviv in Gewalt um. Maßgeblich daran beteiligt waren Mitglieder zweier rechtsextremer Fußball-Fangruppen.

Nachdem eine Netanjahu-Gegnerin vor dem Parlament in Jerusalem auf dem fünf Meter hohen Menora-Denkmal – einem siebenarmigen Leuchter aus Bronze – ihre Brüste entblößte hatte, rief "La Familia" zu einer Demonstration gegen die "Schändung jüdischer Symbole" auf. La Familia ist die bekannteste rechtsgerichtete Fangruppe Israels. Sie vereint Anhänger des sechsmaligen Meister Beitar Jerusalem.

Rechtsextreme Parolen und Lieder

"Passt auf, ihr verdammten Linken, die Spielregeln ändern sich jetzt", schrieb die Gruppe vor der Demonstration auf ihrer Facebook-Seite. Demonstranten gingen auf Journalisten los und attackierten Fahrzeuge mit palästinensischen Nummernschildern. Sprechchöre wie "Wir hassen alle Araber", "F**** die Medien" und "Tod den Linken" waren zu hören. Nach israelischen Medienberichten nahm die Polizei mehrere Mitglieder der Gruppe fest.

La Familia war bereits einige Tage zuvor bei einer Pro-Netanjahu-Demonstration aufgefallen: Die rechtsgerichteten Fußball-Anhänger hatten dort ein Loblied auf Jigal Amir gesungen. Amir hatte 1995 den damaligen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin ermordet.

Beitar, La Familia und die politische Rechte Israels

Wiederholt hat La Familia im Stadion von Beitar Transparente platziert, auf denen der Klub aufgefordert wurde, niemals einen muslimisch-arabischen Spieler unter Vertrag zu nehmen. Beitar müsse "für immer rein bleiben", hieß es auf den Bannern. Beitar ist der einzige große Verein in Israel, der noch nie einen arabischen Spieler verpflichtet hat. 2013 setzten La-Familia-Mitglieder die Klubbüros in Brand, nachdem der damalige Eigentümer, der russische Oligarch Arkadi Gaidamak, zwei muslimisch-tschetschenische Spieler unter Vertrag genommen hatte.

Israel Fußball - verbrannte Pokale von Beitar Jerusalem
Ein Bild der Zerstörung: die Büros von Beitar Jerusalem nach dem Brandanschlag 2013Bild: picture-alliance/AP Photo/B. Armangue

"Das war die Zeit, in der La Familia als Teil der Identität des Klubs verankert wurde", sagt Uri Levy, Gründer und Chefredakteur des Nahost-Fußball-Blogs "Babagol" der DW. "Wenn man die Hardcore-Fangruppe eines rechten israelischen Klubs ist, muss man rechtsextreme Ansichten vertreten." Ministerpräsident Netanjahu bezeichnet sich selbst als Beitar-Fan, im Wahlkampf besuchte er die Heimspiele des Vereins. Auch Avigdor Liberman, Chef der ultranationalistischen Partei Israel Beitenu, bekennt sich als Anhänger des Vereins.

Der israelische Präsident Reuven Rivlin führte Beitar Jerusalem mehrere Jahre lang als Vorsitzender. Er hat die rechtsextremen Positionen von La Familia wiederholt verurteilt. Ein Vorstoß im Jahr 2015, die Gruppe zur gesetzwidrigen Organisation zu erklären, scheiterte am Widerstand des damaligen Sportministers und heutigen Verkehrsministers Miri Regev von Netanyahus Likud-Partei. "Wir sollten danach streben, mit La Familia zusammenzuarbeiten, um Gewalt zu verurteilen, anstatt sie zu ächten", sagte Regev während einer Sitzung des Parlamentsausschusses, der den Vorschlag damals diskutierte. Die Likud-Partei lehnte die Bitte der DW um eine Stellungnahme zu La Familia ab.

"Vom gleichen Schlag"

La Familia ist nicht die einzige israelische rechtsextreme Fangruppe, die im Zusammenhang mit gewalttätigen Zwischenfällen bei den jüngsten Protesten erwähnt wurde. In Tel Aviv griff eine Gruppe junger Männer Anti-Netanjahu-Demonstranten mit Schlagstöcken und zerbrochenen Flaschen an. Dabei wurden fünf Menschen verletzt. Videos, die den Angriff zeigten, wurden in den sozialen Medien verbreitet. Zunächst wurde vermutet, La Familia sei für den Angriff verantwortlich gewesen. Später stellte sich jedoch heraus, dass die Angreifer Mitglieder der Maccabi Fanatics waren, Ultras von Maccabi Tel Aviv.

Mit 23 Meistertiteln und 23 Pokalsiegen ist Maccabi Tel Aviv der erfolgreichste Fussballklub Israels. Seine Fans kommen aus allen Schichten der israelischen Gesellschaft und können - im Gegensatz zu den meist rechtskonservativen Anhängern von Beitar Jerusalem - mehrheitlich nicht einer bestimmten politischen Richtung zugeordnet werden. Rassistische Sprechchöre, die zeitweise aus der Kurve zu hören waren, in der die Maccabi Fanatics stehen, wurden mit Buh-Rufen von Maccabi-Fans auf anderen Tribünen beantwortet. Auch wenn die Fanatics nicht repräsentativ für alle Anhänger des Vereins stünden, dürfe die Gruppe nicht unterschätzt werden, sagt Fußball-Blogger Levy: "Ich habe viele Freunde, die Makkabi Tel Aviv unterstützen, Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten. Sie alle sagen mir, dass die Fanatics vom gleichen Schlag wie La Familia sind."

Das Phänomen, dass rechtsextreme Fußball-Fangruppen auch bei politischen Demonstrationen auffällig werden, komme nicht von ungefähr, meint der israelische Fußball-Experte. "Man kann den israelischen Fußball und die Politik nicht trennen, weder im Guten noch im Bösen. Es schwappt von der Straße in die Stadien und kehrt dann nach ein paar Energy Drinks wieder auf die Straße zurück."

Proteste in Israel dauern an