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Gesellschaft

Rechte Hetze, als Lifestyle getarnt

Helena Baers
24. Oktober 2018

Rechtsextreme setzten auf soziale Netzwerke, um Jugendliche zu beeinflussen und ihre Propaganda zu verbreiten. Dabei geben sie sich nicht sofort als Rechte zu erkennen, was den Kampf gegen ihre Hetze schwierig macht.

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Deutschland Jugendschutz im Internet - Jugendlicher beim Surfen
Bild: picture alliance/dpa/T. Hase

Es fängt ganz harmlos an - ein Video über Politik bei Youtube oder ein "Like" bei Instagram für ein schönes Naturfoto. Die danach empfohlenen Beiträge werden immer extremer, nach und nach. Nur wer genau hinschaut, merkt: Hinter den Videos und Fotos stecken rechtsextreme Hetzer. Soziale Netzwerke und Messengerdienste sind für Gruppierungen wie die "Identitäre Bewegung" das wichtigste Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit. Dabei setzen sie nicht auf plumpe Propaganda, sondern versuchen sehr subtil, Jugendliche für sich und ihre Ideen zu gewinnen.

Das Problem beschäftigt zunehmend Jugendschützer in Deutschland. "Rechtsextreme sind sehr gut darin, neue Medien zu nutzen", sagt Miro Dittrich von der Amadeu-Antonio-Stiftung der Deutschen Welle. Sie erkannten sehr gut, was in welchem Netzwerk funktioniere und was nicht. Dabei kodierten die Rechten ihre Ideologie - sie benutzten nicht mehr den Begriff "Rasse", sondern sprächen von "Kultur". 

Rechte geben sich harmlos

Rechtsextreme wie die "Identitäre Bewegung" geben sich im Internet betont harmlos. "Ihr Ziel ist es, sich als eine Gruppierung darzustellen, die man gut finden kann, ohne Gefahr zu laufen, als Neonazi zu gelten", sagt Anna-Lena Herkenhoff von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Münster. Ein Blick auf das Personal und die Inhalte beweise aber das exakte Gegenteil. Die Ansprache funktioniere vor allem über Videos, erklärt Herkenhoff. Die "Identitäre Bewegung" poste vor allem Clips von ihren meist durchchoreografierten Aktionen.

Österreich Identitäre Bewegung Demonstration Lichterkette Wien
Die Identitäre Bewegung setzt auf Aktionen, die sich gut im Netz präsentieren lassenBild: Getty Images/J.Klamar

Das Zentrum "Jugendschutz.net" von Bund und Ländern betrachtet die Aktivitäten von Rechten im Internet mit Sorge. "Rechtsextremismus soll als normaler Alltag dargestellt werden", heißt es in einem Bericht. So werde besonders bei Instagram ein "alternativer Lifestyle" präsentiert. Rechte verwendeten Symbole wie das Logo der "Identitären Bewegung" nur sehr subtil im Hintergrund, vordergründig gehe es um beliebte Themen wie Reisen, Natur oder Großstadtleben.

Das Ziel: Junge Menschen sollen die Accounts cool finden. Für Kinder und Jugendliche ist es deshalb nicht immer einfach, die tatsächlichen Absichten von rechtsextremen Posts und Accounts zu erkennen. "Jugendschutz.net" warnt deshalb, dass Jugendliche den Accounts folgen könnten und so dauerhaft mit rechter Propaganda konfrontiert werden, ohne es zu wollen - oder sie als solche zu erkennen.

Der Algorithmus hilft den Rechtsextremen

Miro Dittrich von der Amadeu-Antonio-Stiftung sieht ein weiteres Problem, das insbesondere Youtube betrifft: Wer sich dort über Politik informiere, lande sehr schnell bei rechten Videos. Das liege zum einen daran, dass es viel mehr Videos mit rechtsextremen als mit journalistischen Inhalten gebe, zum anderen spiele auch der Algorithmus eine Rolle. "In den empfohlenen Videos werden immer krassere Videos vorgeschlagen". Das sei ein großes Propagandaportal für Rechte. 

Als Beispiel nannte Dittrich die Ereignisse nach dem Tod eines Deutschen in Chemnitz. Danach habe es in den Suchergebnissen bei YouTube fast nur rechtsextreme und rechtspopulistische Videos gegeben. Das habe der YouTube-Mutterkonzern Google inzwischen aber geändert. Dazu komme, dass die Konzerne wegen der nicht offen gezeigten Propaganda Probleme hätten, die rechtsextremen Inhalte zu identifizieren und dann zu löschen oder gar nicht erst online gehen lassen. "Es gibt keine automatisierte Lösung, um Hatespeech beizukommen", betont Dittrich.

Rechte Hetze melden

Ganz machtlos gegen rechte Propaganda im Netz ist aber niemand. Wer solche Inhalte findet, kann sie direkt in den sozialen Netzwerken melden oder auch auf der Plattform "Hass im Netz" von "Jugendschutz.net". Das Zentrum dokumentierte 2017 mehr als 1340 Gesetzesverstöße. Meistens ging es um Volksverhetzung (595), die Verwendung von verfassungswidrigen Organisationen (451) und um die Leugnung des Holocaust (88). In fast 90 Prozent der Fälle wurde der gemeldete Inhalt von den sozialen Netzwerken gelöscht.

Screenshot vk.com
vk.com - Ausweichplattform für Hetzer

Allerdings trifft das nur auf die großen US-Netzwerke wie Facebook zu. Ausweichplattform ist demnach inzwischen das russische Netzwerk VK.com. Dort haben Rechtsextreme aktuell wenig zu befürchten, selbst Tötungsvideos werden nicht gelöscht. Die Seite ist laut "Jugendschutz.net" die zentrale Plattform für die Verbreitung rechtsextremer Hasspropaganda geworden. Auch der Messengerdienst Telegram oder der Gamingchat Discord sind beliebt bei Rechtsextremisten.

Bundesregierung plant neues Jugendschutzgesetz

Auch die Politik hat sich dem Thema angenommen: Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) plant ein neues Jugendschutzgesetz, das besser vor rechter Propaganda schützen soll. Sie will, dass die Regelung auch für ausländische Firmen wie Facebook gilt. Das alte Gesetz stammt aus dem Jahr 2003, dem "Zeitalter von CD-Rom und Videokassette", wie Giffey selbst sagt.

Wie genau Kinder und Jugendliche im Internet besser geschützt werden können, ist aber noch unklar. Das Gesetz soll 2020 in Kraft treten. Bisher bekannt ist nur, dass nicht nur die Unternehmen besser reagieren sollen auf rechte Hetze, sondern auch die jungen Internetnutzer selbst fit gemacht werden gegen Hass und Propaganda. Die Ministerin fordert: "Wir müssen Jugendliche helfen, demokratiefeindliche Inhalte im Netz zu erkennen und ihnen konkrete Tipps geben, wie sie damit umgehen können."

Dafür spricht sich auch Rechtsextremismus-Experte Miro Dittrich aus. Schüler sollten Medienbildung erhalten und zum Beispiel lernen, Kommentare von journalistischen Texten zu unterscheiden. Jugendliche müssten viel stärker zu mündigen Online-Bürgern erzogen werden.