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Tillich übt sich in Selbstkritik

29. Februar 2016

Clausnitz, Bautzen und noch anderswo: Sachsens Ministerpräsident hat in einer Sondersitzung des Landtags eingeräumt, dass das Ausmaß des Rechtsextremismus in seinem Land lange unterschätzt wurde - auch von ihm selbst.

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Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich Sachsen (Foto: picture-alliance/dpa/S. Kahnert)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

"Ja, es stimmt: Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus und es ist größer, als viele - ich sage ehrlich: auch ich - wahrhaben wollten", sagte Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) in einer Sondersitzung des sächsischen Landtags in Dresden.

Anlass für die Sondersitzung waren die jüngsten fremdenfeindlichen Übergriffe in Sachsen. In Clausnitz hatte vorvergangene Woche eine lauthals pöbelnde Menschenmenge einen ankommenden Bus mit Flüchtlingen blockiert. In Bautzen bejubelten Schaulustige den vermutlich absichtlich gelegten Brand eines Hotels, in das demnächst Flüchtlinge einziehen sollten.

"Jämmerliches und abstoßendes Verhalten"

Tillich verurteilte die Angriffe erneut als "jämmerliches und abstoßendes Verhalten". Er betonte: "Sachsen sagt Nein zu Fremdenfeindlichkeit." Zugleich wies der Ministerpräsident Vorwürfe zurück, der Freistaat habe in der Vergangenheit nichts getan gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Dies sei "falsch", sagte er und verwies unter anderem auf seit Jahren bestehenden Sondereinheiten gegen Rechts bei Polizei und Justiz. Viele Tatverdächtige seien ermittelt worden.

Tillich räumte ein, dass der Kampf "gegen die Fremdenfeindlichkeit, das Extreme und Radikale" noch verstärkt werden müsse. Aus diesem Grund werde unter anderem der Stellenabbau bei der Polizei ausgesetzt. Auch die politische Bildung in den Schulen müsse gestärkt werden. "Wir wollen Lehrer unterstützen, sich den tagesaktuellen Debatten zu stellen." Verbessern will Tillich auch die Unterstützung für Menschen und Initiativen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Land und Kommunen hätten den Auftrag, diese Zusammenarbeit zu verbessern. Dabei gehe es nicht unbedingt um Geld, sondern um eine "klare Haltung", sagte Tillich. Zahlreiche Organisationen hatten Tillich vergangene Woche in einem offenen Brief mangelnde Unterstützung vorgeworfen und ein stärkeres Auftreten gegen rechtsextreme Tendenzen gefordert.

Die Bautzener Flüchtlingsuntgerkunft nach dem Brand (Foto: DW/B. Knight)
Die Bautzener Flüchtlingsunterkunft nach dem BrandBild: DW/B. Knight

"Wegducken und Ruhighalten"

Auch die Opposition forderte in der Landtagssitzung einen klaren Kurswechsel der sächsischen Landesregierung und warnt vor einer weiteren Verharmlosung der Situation im Freistaat. Grünen-Fraktionschef Volkmar Zschocke forderte Tillich auf, "Mut zum selbstkritischen Rückblick" aufzubringen und "seinen Anteil an der Entwicklung zu analysieren".

477 rechtsmotivierte und rassistische Angriffe 2015 in Sachsen

Nach Angaben der Opferberatung RAA war in Sachsen für 2015 ein massiver Anstieg rechter Gewaltstraftaten zu verzeichnen. Insgesamt seien 477 rechtsmotivierte und rassistische Angriffe gezählt worden, teilte die Opferberatung in Dresden mit. Rechtsmotivierte Gewalt habe im vergangenen Jahr massiv zugenommen und sich innerhalb von drei Jahren - seit 2012 - mehr als verdoppelt.

Schwerpunkte der Gewalt waren den Angaben zufolge die Städte Dresden (116) und Leipzig (77) sowie die Landkreise Leipzig (56) und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (55). Am häufigsten handelte es sich um Körperverletzungen, gefolgt von Nötigungen und Bedrohungen. 74 Angriffe wurden den Angaben zufolge auf oder im Umfeld von Asylunterkünften verübt. Darunter seien 19 Brandstiftungen und 21 gefährliche Körperverletzungen.

sti/ml (dpa, epd)