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Rechtsextremismus in Deutschland

22. November 2011

Engagement gegen Rechtsextremismus in Deutschland ist gar nicht so leicht. Die Organisation "Gesicht Zeigen!" versucht das seit Langem. Doch Fremdenfeindlichkeit wird in Deutschland nicht richtig ernst genommen.

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Tätowierte Glatze
Bild: picture-alliance/dpa

Sophia Oppermann ist Geschäftsführerin der Initiative "Gesicht Zeigen!", die sich gegen Rechtsextremismus in Deutschland einsetzt. Im Interview spricht sie über Versäumnisse seitens der Politik und mahnt zu mehr Haltung.

DW-WORLD.DE: Frau Oppermann, Sie haben in Ihrem Verein "Gesicht Zeigen!" seit Jahren auf rechte Gewalt in Deutschland aufmerksam gemacht. Woran liegt es, dass Rechtsextremismus erst jetzt in der Öffentlichkeit als Problem wahrgenommen wird?

Sophia Opper­mann
Sophia Opper­mannBild: Gesicht Zeigen e.V.

Sophia Oppermann: Wir sagen seit Jahren, seit Jahrzehnten: "Leute passt auf, da braut sich was zusammen, das sind gefährliche Menschen." Das sind nicht nur – so wird ja oft getan – ein paar blöde Nazischläger, mit denen man schon irgendwie umgehen kann. Das sind wirklich Strukturen, die sehr, sehr gefährlich sind. Und ich glaube einfach, dass diese Gefahr viel zu lange verharmlost worden ist und jetzt fallen auf ein Mal alle aus den Wolken und sagen: "Was? Bei den Nazis gibt es auch Ausländerfeindlichkeit?" Das ist nicht in Ordnung. Das ist verlogen, so damit umzugehen.

Haben die Medien zu wenig berichtet?

Zu wenig weiß ich nicht, aber nicht nachhaltig. Sie bleiben nicht dran. Die Medien haben natürlich auch ihren aktuellen Druck und sagen: "Jetzt ist Umwelt dran, jetzt berichten wir über Fukushima, jetzt ist dieses, jetzt ist jenes." Dann gerät das sofort wieder aus dem Blick. Immer nur, wenn etwas passiert, wenn jemand durchs Dorf getrieben wird, dann sind die Medien aufmerksam, dann kommen die ganzen Interviewanfragen, dann kommen Hintergrundberichte, dann wird wirklich mal geguckt, was eigentlich los ist. Und ich garantiere Ihnen – das dauert jetzt wieder zwei bis drei Wochen – dann ist das alles wieder vom Tisch. Dann reden wir wieder über Weihnachten. Da muss man von der politischen Seite her und von der Seite der Öffentlichkeit immer dran bleiben.

Bundesinnenminister Friedrich hat die rechte Mordserie, bei der zehn Menschen starben, als "neue Form des rechtsextremen Terrorismus" bezeichnet. Würden Sie dem zustimmen?

Also ich würde in so fern zustimmen, dass es das, was sich da gerade offenbart, so noch nie gegeben hat. Dass Neonazis und Kameradschaften aber zu einer unfassbaren Gewalt bereit sind, das ist nun weiß Gott keine Neuigkeit. Der Tagespiegel zählt zusammen mit der Frankfurter Rundschau seit Jahren die Opfer rechtsextremer oder rassistisch motivierter Gewalt und die sind bei einer Zahl von rund 140 Todesopfern seit der Wende. Das ist natürlich eine unfassbare Zahl. Wenn ich mich jetzt immer noch dahin stelle, wenn jetzt zehn Opfer dazu kommen und sage: "Oh, das hat es ja noch nie gegeben!", dann stimmt das so nicht.

Fühlen Sie sich in Ihrem Verein "Gesicht Zeigen!" seitens der Politik unterstützt?

Wir haben ein großes Problem mit den Co-Finanzierungen. Das liegt an den Förderrichtlinien. Denn Bundesprogramme können nur drei Jahre lang gefördert werden. Nach drei Jahren muss ich ein Projekt, auch, wenn es ein gutes Projekt ist, einpacken und versenken. Außer ich finde einen edlen Gönner, der es mir weiter finanziert, aber wo soll ich den hernehmen? Das zweite Problem ist die sehr umstrittene Extremismusklausel…

…eine Demokratie-Erklärung, die seit 2011 jede Initiative gegen Rechts-, Linksextremismus oder Islamismus für alle ihre Mitarbeiter abgeben muss…

…natürlich kann ich für mich unterschreiben, auf dem Boden der Verfassung zu stehen – wo soll ich denn sonst stehen? Aber ich soll diese Demokratie-Erklärung ja für alle meine Partner mit unterschreiben. Für jeden Caterer, den ich für eine Veranstaltung einlade, muss ich im Grunde genommen nachweisen, dass der nicht in irgendeinem Verfassungsschutzbericht auftaucht. Das ist meiner Ansicht nach eine Spitzelarbeit, die wir weder leisten wollen, noch leisten können. Dazu sind wir aber alle genötigt worden. Das sind so Auseinandersetzungen, da habe ich den Eindruck, dass uns die Politik Knüppel zwischen die Beine wirft.

Was müsste denn Ihrer Meinung nach in Deutschland passieren, damit man das Problem der rechten Gewalt in den Griff bekommt?

Es gibt schon ganz klar Sachen, wo man sagt, es muss von der Politik ein Signal ausgehen. Die müssen sich da viel mehr zu bekennen, dass sie das Problem ernst nehmen – und zwar alle. Die gesamte politische Elite muss sagen: "So geht's nicht." Man muss die Zivilgesellschaft viel mehr stärken. Es gibt so tolle Beispiele, dass Bürgerinitiativen gemeinsam mit dem Bürgermeister und mit der Verwaltung gesagt haben: "Hier gibt es eine Nazi-Demo, wir wollen das nicht und wir überlegen uns was, wie wir die Demo verhindern können." Da gibt es tolle Ideen und tolle Tricks und das klappt dann auch. Gleichzeitig gibt es immer wieder Nazi-Aufmärsche, die erlaubt werden, und dann stehen wieder 5000 Polizisten darum herum und schützen die Nazis. Das kann einfach nicht wahr sein. Es gibt Nazi-Konzerte, bei denen wirklich rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische Sachen von der Bühne heruntergesungen werden…

Warum greift da niemand ein?

Das ist erlaubt, das wird geschützt von der Polizei – ich frage mich auch, wie das sein kann bei uns. Da passieren Sachen, die sind wirklich unglaublich und da muss viel genauer hingeguckt werden und man muss viel klarer Haltung zeigen und sagen: "Nein, wir wollen das nicht. In Deutschland soll es das nicht geben." Das kostet Energie, das kostet Haltung, das kostet auch viel Leidenschaft und Kraft und es kostet auch ein bisschen Geld.

Interview: Laura Döing
Redaktion: Sabine Oelze