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Politik

Reformen in Griechenland unter Dach und Fach?

Jannis Papadimitriou
29. September 2016

Im Eilverfahren billigt die Athener Regierung neue Reformauflagen. Damit wird der Weg für die Auszahlung weiterer Kredithilfen frei. Doch Premier Tspiras steht vor einem weiteren Härtetest.

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Finanzkrise Griechenland Symbolbild Flagge
Bild: picture-alliance/dpa/Michael Kappeler

Auf den letzten Drücker - wie so oft in den vergangenen Jahren - hat Linkspremier Alexis Tsipras 13 zum Teil umstrittene Reformen im Parlament absegnen lassen. Der späte Eifer war dringend erforderlich, da am Donnerstag die Euro-Working-Gruppe in Brüssel zusammenkommt, um die jüngsten Sparbemühungen Griechenlands zu überprüfen. Nur zwei von den insgesamt 15 vor der Sommerpause vereinbarten Reformauflagen sind bis Anfang September umgesetzt worden. Die Kreditgeber zeigten sich besorgt: Es sei an der Zeit, die Camping-Sachen zusammenzupacken und an die Arbeit zu gehen, mahnte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem neulich mit einem Augenzwinkern. Griechenlands Finanzminister Euklid Tsakalotos sieht hingegen keinen Grund zur Aufregung: "Wir hatten uns selbst eine Frist bis Ende September gesetzt und halten diese Frist auch ein. Ich wüsste nicht, warum wir den Zeitplan nicht einhalten sollten", erwiderte der Linkspolitiker im griechischen Parlament. Nun müssen die Euro-Finanzminister beurteilen, ob Hellas pünktlich geliefert hat.             

Jorgos Tzogopoulos, Mitarbeiter der Stiftung für Europa- und Außenpolitik (ELIAMEP) in Athen, vermutet taktisches Kalkül hinter der Verzögerung bei der Umsetzung vereinbarter Reformauflagen. "Die Athener Regierung will sich möglichst viel Zeit lassen und so vorgeben, dass sie auch im Detail lange und hart verhandelt", sagt er im Gespräch mit der DW. Vor der Sommerpause hatten die Geldgeber 10,3 Milliarden Euro an Kredithilfen für 2016 in Aussicht gestellt - im Gegenzug für weitere Reformen. Im Juni waren 7,5 Milliarden geflossen, die restlichen 2,8 Milliarden stehen noch aus. Diese Gelder sollen "in die Realwirtschaft einfließen", versicherte Regierungschef Tsipras am Mittwoch im Parlament. Im Klartext: Endlich beginnt der Staat, unbezahlte Rechnungen bei Privatunternehmen zu begleichen.

Griechenland Athen Demonstration gegen Privatisierungen
Demonstrationen gegen die Privatisierungen in Griechenland Bild: picture-alliance/AA/A. Mehmet

Streit um den neuen Privatisierungsfonds  

Besonders umstritten - auch innerhalb der regierenden Linkspartei Syriza - war die Einrichtung eines neuen Privatisierungsfonds, die nun ebenfalls abgesegnet wird. Dadurch soll die Veräußerung von Staatseigentum beschleunigt werden. Vorzeigebetriebe des Staates wie die Athener U-Bahn, der Energieriese DEH und die Wasserwerke werden ab sofort in den Fonds überführt. Zum ersten Mal wird dessen Führungsteam nicht nur mit treuen Regierungsmitarbeitern, sondern auch mit Vertretern der Geldgeber besetzt, die in Entscheidungen einbezogen werden. Für die Linkspartei, die zu Oppositionszeiten gegen den angeblich bevorstehenden Ausverkauf des Landes ins Feld zog, werden hiermit rote Linien überschritten. Oder doch nicht? Finanzminister Tsakalotos versucht zu beschwichtigen: "Alle Aktien des neuen Fonds gehören dem Staat und bei jeder großen Privatisierung entscheidet der zuständige Finanzminister mit." Solange er Finanzminister sei, würden die Wasserwerke bestimmt nicht privatisiert. Selbst die linksgerichtete "Zeitung der Redakteure" kann Tsakalotos damit nicht überzeugen: "Wir glauben ihm schon. Aber wir wissen auch, dass er nicht ewig Finanzminister bleibt", kommentiert das Blatt.   

Protest-Flyer im Parlament

Die eigenen Wähler will Tsakalotos mit einem weiteren Argument beruhigen: Es gehe hier gar nicht um eine Privatisierung, sondern lediglich um die "Verwertung" von Staatsvermögen zum gegenseitigen Nutzen aller Beteiligten. Schon beim ersten Rettungspaket für Griechenland hatte Sozialistenchef Giorgos Papandreou ähnlich argumentiert - und musste dafür von der damaligen Oppositionspartei Syriza Hohn und Spott einstecken. Reaktionen aus dem Lager der Privatisierungsgegner bleiben auch diesmal nicht aus. Während der Privatisierungsdebatte im Parlament warfen Linkspolitiker Protest-Flyer von der Besuchertribüne ins Plenum. Zu den Protestierenden gehörte auch Panagiotis Lafazanis, einst wichtigster Weggefährte von Linkspremier Tsipras. In der zweitgrößten griechischen Stadt Thessaloniki hatten Gewerkschaftler zudem eine originelle Idee, um ihrem Protest gegen die bevorstehende Privatisierung der Wasserwerke Luft zu machen: Sie drehten dem lokalen Syriza-Büro einfach das Wasser ab. "Wie man es auch dreht und wendet, es geht hier um Privatisierung von Staatsvermögen - auch wenn nicht der Finanzminister, sondern eben der Fonds im Auftrag des Ministers als Verkäufer auftritt", erklärt Politikwissenschaftler Tzogopoulos. 

So umstritten der neue Privatisierungsfonds auch sein mag - der echte Härtetest steht Tsipras noch bevor. In den nächsten Wochen soll der Linkspolitiker eine umfassende Arbeitsmarktreform anstoßen, die alle Regierungen der vergangenen Krisenjahre vor sich her geschoben haben. Zudem muss Tsipras den Syriza-Parteitag Mitte Oktober unbeschadet überstehen. Das würde ihm wohl am besten gelingen, wenn er mit den Geldgebern die längst erwünschten Schuldenerleichterungen für Griechenland aushandelt. Einen Hinweis darauf gab es schon am Mittwoch: Bis Jahresende erwarte man "gute Nachrichten" an der Schuldenfront, ließ Tsipras im Parlament mitteilen.