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Regierung will doch Flüchtlinge retten

Heiner Kiesel20. April 2015

Das erneute Flüchtlingsdrama im Mittelmeer heizt die Debatte in Deutschland an. Für Innenminister Thomas de Maizière ein Anlass zum Umdenken.

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Flüchtlingsboot Foto: Getty Images
Kurs auf Europa: Flüchtlinge im MittelmeerBild: Marco Di Lauro/Getty Images

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat an diesem Montag nach der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer eine erstaunliche Wendung durchgemacht. Auf die hatte noch am Mittag wenig hingedeutet. Sein Sprecher Johannes Dimroth versuchte da noch eine quälende Stunde lang zu erklären, warum die Lösung des Flüchtlingsdramas in der Stabilisierung und Hilfe für die Herkunfts- und Transitländer der Migranten liege und eher nicht in Maßnahmen zur konkreten Rettung Schiffbrüchiger. Er skizzierte eine mittel- bis langfristige Strategie gegen die Ströme verzweifelter Menschen, während in dieser Zeit wieder Passagiere neuer Flüchtlingsboote ertranken. Zur Begründung führte er an, dass das eingestellte Hilfsprogramm "Mare Nostrum" der italienischen Marine zur Seenotrettung de Maizière schließlich noch nie gefallen habe. Für ihn sei das "Beihilfe für die Schlepper" und außerdem habe es auch während "Mare Nostrum" viele Tote gegeben, betonte der Sprecher des Innenministeriums.

Die Kehrtwende von de Maizière

Eine kühle Haltung, die angesichts der möglicherweise über 900 Toten offenbar nur schwer durchzuhalten war. Am Nachmittag schließlich gab der Innenminister nach. "Die Seenotrettung muss erheblich verbessert werden, sie muss schnell organisiert und europäisch finanziert werden", erklärte der Minister überraschend bei einem Krisentreffen der EU-Außen- und Innenminister in Luxemburg. "Wir würden das unterstüzten. Wie die Operation heißt, ist eine nachrangige Frage", so de Maizière. Es gehe um doppelt so viel Geld und doppelt so viele Schiffe. Die Tragödie hat den Minister bewegt, politisch. Auch wenn es ihm schwerfällt. Warnend fügte de Maizière hinzu: "Wenn man nur Seenotrettung organisiert, dann werden die Kriminellen noch mehr Menschen auf solche gefährlichen Boote schicken". Daher habe die EU-Kommission einen Zehn-Punkte-Plan vorgestellt. Die Seenotrettung sei darin ein Baustein zur Lösung.

Thomas de Maizière und Frank-Walter Steinmeier Foto: EPA
Jetzt beide für mehr Seenotrettung: Thomas de Maizière und Frank-Walter Steinmeier in LuxemburgBild: picture-alliance/dpa/J. Warnand

Ein Unglück, das Spuren hinterlässt

Bei dem Krisentreffen in Luxemburg sitzt auch sein Kabinettskollege Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Tisch. Der hatte sich schon zuvor für eine verbesserte Seenotrettung ausgesprochen. Bisher waren sich die Regierungsparteien in dieser Frage nicht gerade einig gewesen. Das ist jetzt anders. Am Donnerstag wird das weitere Vorgehen der EU-Staaten in dieser Frage auf einem EU-Krisengipfel in Brüssel behandelt.

Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, dass allen in der Bundesregierung jetzt klar sei, dass gehandelt werden müsse, um weitere massenhafte Tode im Mittelmeer zu verhindern. Schließlich sprach sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich für die Rettung Schiffbrüchiger aus: "Wir sind es uns insgesamt selbst schuldig, dass wir hier mehr tun", sagte sie bei einem Treffen mit Nichtregierungsorganisationen in Berlin. "Dass weiter Opfer im Mittelmeer vor unserer Haustür auf quälendste Weise umkommen, vereinbart sich nicht mit unseren Werten." Merkel verwies aber auch auf dass langfristige Projekt, das Transitland Libyen zu stabilisieren und die Ursachen der Flüchtlingsströme zu bekämpfen.

Noch Empörung über Merkels "Mannschaft"

Vielleicht nimmt die Bundesregierung mit ihrem Umschwenken in der Flüchtlingspolitik jetzt auch etwas Wind aus den Segeln ihrer Kritiker. Deren Kritik war zunächst recht massiv. "Die gesamte europäische und auch die deutsche Politik sind diesbezüglich ein Skandal", sagte Linken-Fraktionschef Gregor Gysi der DW. Seit Jahren werde ein Kampf gegen die Flüchtlinge und nicht gegen die Fluchtursachen geführt, "das regt mich zutiefst auf!". Gysi kritisierte scharf, dass der Seenotrettungsdienst eingestellt worden sei. "Frau Merkel und ihr Innenminister müssen sich die Frage gefallen lassen, was sie konkret getan haben, nachdem die italienische Regierung angekündigt hatte, dass die Mission "Mare Nostrum" auslaufen würde?", bohrte auch Grünen-Vorsitzender Cem Özdemir nach und beantwortete diese Frage umgehend selbst: "Sie haben nichts getan". Diese Leere will die Bundesregierung jetzt füllen und unter anderem gemeinsam mit anderen EU-Staaten die Seenothilfe im Mittelmeer aufstocken.