Libanon: Regierungsbildung erneut gescheitert
15. Juli 2021Nach einem monatelangen Machtkampf ist die Regierungsbildung im krisengeplagten Libanon erneut gescheitert. Der designierte Ministerpräsident Saad Hariri gab den Auftrag zur Regierungsbildung zurück, wie er nach einem Treffen mit Präsident Michel Aoun vor Journalisten erklärte. Trotz mehrerer Anläufe gelang es Hariri nicht, sich mit dem Staatschef auf ein Kabinett zu einigen. "Es ist eindeutig, dass es keine Übereinstimmung mit dem Präsidenten geben kann", sagte er nach dem 20-minütigen Gespräch mit Aoun.
Internationale Anstrengungen
Hariri ist bereits der zweite Politiker, der mit der Regierungsbildung scheitert. Das jetzige Kabinett hatte nach der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut Anfang August 2020 den Rücktritt erklärt und ist seitdem unter Ministerpräsident Hassan Diab nur noch geschäftsführend im Amt.
Regionale und internationale Vermittlungsversuche scheiterten bislang. Der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Josep Borell, beschrieb nach einem Besuch in Beirut vergangenen Monat die Situation als einen schwierigen Machtkampf und eine Atmosphäre des tiefen Misstrauens zwischen den politischen Führern im Land.
Vorgegebene Machtverhältnisse
Diese Lage und eine Vorgabe der Verfassung machen eine Regierungsbildung im multikonfessionellen Libanon besonders schwierig. Denn die Macht unter den wichtigsten religiösen Gruppen muss aufgeteilt werden. Der Staatschef ist immer ein Christ, der Premier ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit. Wer als nächstes einen Versuch zur Regierungsbildung starten kann, ist noch ungewiss.
Hariri war bereits früher Regierungschef gewesen. Zuletzt reichte er im Oktober 2019 nach dem Beginn von Massenprotesten gegen die politische Elite des Landes seinen Rücktritt ein. Der sunnitische Politiker ist der Sohn des früheren Premiers Rafik Hariri, der 2005 bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen war. Für das Attentat wird die schiitische Hisbollah-Organisation verantwortlich gemacht, die in dem Land starken Einfluss besitzt.
Ein Land am Boden
Das Land am Mittelmeer leidet seit fast zwei Jahren unter einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise, die sich in den vergangenen Monaten auch wegen der Explosion und der Corona-Pandemie zusehends verschärfte. Die libanesische Lira hat mehr als 90 Prozent ihres Wertes verloren. Die Inflation liegt bei mehr als 100 Prozent. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung lebt in Armut. Weil Devisen für Importe fehlen, leidet das Land unter einem Versorgungsmangel. Die EU-Staaten drohten Anfang dieser Woche, gegen die Verantwortlichen für die politische Krise im Libanon notfalls auch Sanktionen zu verhängen.
Deutsche Unterstützung
Deutschland wird nach dem Willen des Bundestages ein Projekt zum Wiederaufbau des zerstörten Hafens in der libanesischen Hauptstadt mit zehn Millionen Euro unterstützen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) prüft eigenen Angaben zufolge "gangbare Wege" zur Umsetzung eines entsprechenden Beschlusses des Haushaltsausschusses. Große Teile des Hafens und umliegender Wohngebiete im Zentrum Beiruts waren bei der Explosion Anfang August 2020 zerstört worden. Mehr als 190 Menschen kamen ums Leben. Der Wiederaufbau des Hafens ist seitdem kaum vorangeschritten.
fab/kle (dpa, ape, rtre)