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Politik

Warten auf Angela Merkels Anruf

29. September 2017

Die Bundeskanzlerin strebt eine vierte Amtszeit an. FDP und Grüne könnten ihr dazu verhelfen. Aber den ersten Schritt muss die Regierungschefin machen. Ihre potentiellen Partner benötigen vor allem eines: Geduld.

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Deutschland Bundestagswahl Merkel PK
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Schon am Tag nach der Bundestagswahl waberte das Wort "Neuwahlen" durch Berlin. Journalisten konfrontierten Angela Merkel mit dieser Perspektive, die für sie keine ist. Jedes Spekulieren darüber sei die "Missachtung des Wählervotums", sagte die Bundeskanzlerin. Davon sei sie zutiefst überzeugt. Sie habe dazu eine klare Meinung: "Wenn der Wähler uns einen Auftrag gibt, dann haben wir den umzusetzen."

Zugleich appellierte Merkel an die anderen Parteien: Alle seien dafür verantwortlich, "dass es zu einer stabilen Regierung kommt". Dabei lautet das unausgesprochene Motto: Sorgfalt vor Schnelligkeit. Sogar einen Spaß erlaubte sich die deutsche Regierungschefin: Die Niederlande hätten auch noch keine Regierung, sie sei also nicht der "drängendste Fall". In der Tat: Die Deutschen haben vor knapp einer Woche gewählt, ihre Nachbarn vor einem halben Jahr…

Angela Merkel: "Das muss erst noch reifen"

Nach ihrem Scherz wurde Merkel aber schnell wieder ernst: Sie könne ihren Kollegen innerhalb der Europäischen Union versichern, dass Deutschland auch in der Phase, "in der wir im Übergang sind", verantwortlich handeln werde. Zu zeitlichen Vorstellungen in Sachen Regierungsbildung könne sie ansonsten aber nichts sagen. Ein Datum nennt die Kanzlerin dann aber doch: den 15. Oktober. An diesem Tag wählen die Niedersachsen einen neuen Landtag. Und natürlich erhoffen sich alle Parteien ein gutes Ergebnis und damit Rückenwind für mögliche Koalitionsverhandlungen in Berlin.

Deutschland Bundestagswahl CDU Merkel PK
"Ich bin nicht der drängendste Fall", meint Angela Merkel mit Blick auf die Dauer der Regierungsbildung Bild: Reuter/K. Pfaffenbach

Hinter den Kulissen soll es aber schon früher Kontakte geben. Man werde vorher sicherlich erste Gespräche führen, "aber das muss erst noch reifen" – sagte Merkel am Montag. Seitdem schießen die Spekulationen erst recht ins Kraut. Da können sich die möglichen Partner in einer sogenannten Jamaika-Koalition aus Union, Freien Demokraten und Grünen noch so staatsmännisch geben. Der am Montag zum Fraktionsvorsitzenden gewählte FDP-Chef Christian Lindner hält es wie Merkel: Am Tag nach der Wahl über Neuwahlen zu spekulieren, wäre eine "Respektlosigkeit" gegenüber den Wählern.

Christian Lindner: Regierungsbildung ist keine "Spielerei"

Den Eintritt in ein viertes Kabinett unter Merkels Führung kann sich die FDP durchaus vorstellen. Lindner betont aber, es sei keine "Spielerei" über Regierungsbildungen nachzudenken. Einen Hinweis auf womöglich schwierige und langwierige Gespräche mit CDU/CSU und vor allem den Grünen hatte Lindner schon vor dem Wahltag gegeben: Ihm fehle die Fantasie für eine Jamaika-Koalition. Nach der Wahl sagte er: "Wir sind nun in einer Situation, in der es auch um die Stabilität Deutschlands geht." Ein Satz, der indes nichts über den Zeitpunkt und die Dauer möglicher Koalitionsverhandlungen sagt.

Deutschland Bundestagswahl PK Die Grünen Özdemir und Göring-Eckardt
Fröhliches Warten, bis das Telefon klingelt: Die Grünen-Spitzenpolitiker Cem Özdemir (l.) und Katrin Göring-Eckardt Bild: Reuters/W. Rattay

Auch der bisherige Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir wartet noch auf Angela Merkels Anruf: "Jetzt harren wir der Dinge, dass da eine Einladung kommt." Und dann seien die Grünen bereit, jederzeit die Einladung anzunehmen und die Gespräche zu führen. Zunächst aber wollen sie auf einem Länderrat an diesem Wochenende in Berlin ihren eigenen Kurs abstecken. Das gleiche planen CDU und CSU unter Leitung ihrer Parteichefs Angela Merkel und Horst Seehofer ebenfalls in Berlin - allerdings erst am 8. Oktober.

Kardinal Marx: "Bitte rauft euch zusammen!"

Überhaupt keine Eile verspürt Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU). Gegenüber dem "Focus" verwies er auf die schwierige Regierungsbildung mit der SPD nach der Bundestagswahl 2013. Die dauerte drei Monate und wurden erst wenige Tage vor Weihnachten beendet. Dass die sich nun abzeichnenden anstehenden Gespräche mit der FDP und den Grünen bis ins Jahr 2018 dauern könnten, hält Altmaier durchaus für möglich. "Entscheidend ist der Inhalt, nicht das Datum."

Während die potentiellen Koalitionäre nach eigenen Angaben also noch keinerlei Gespräche führen, spekulierte die "Rheinische Post" am Freitag schon über vermeintliche Absprachen zwischen FDP und Grünen. Aus beiden Partei-Zentralen folgten prompt Dementis. Die Berichterstattung sei "in jeder Hinsicht frei erfunden", ließ die FDP verlauten. Es habe bislang keinerlei vertiefte oder inhaltliche Gesprächskontakte gegeben, auch keine Festlegung auf eine mögliche Ressortverteilung. Und die Grünen ließen wissen, der Bericht sei "Quatsch". Weder habe es ein Treffen gegeben noch irgendwelche Verabredungen.

Speyer Trauerfeierlichkeiten für Altkanzler Kohl - Karl-Heinz-Wiesemann
"Ein bisschen Zeit" gesteht Kardinal Reinhard Marx den für die Regierungsbildung verantwortlichen Politikern zu Bild: picture-alliance/dpa/R. Holschneider

Sorgen über allzu lange Ungewissheit plagen schon jetzt die katholische Kirche. "Bitte rauft euch zusammen, versucht ein gemeinsames Programm", verlangte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, am Donnerstag zum Abschluss der Bischofskonferenz in Fulda. Allerdings werde wohl angesichts der bevorstehenden komplizierten Gespräche "ein bisschen Zeit" verstreichen, "das bin ich gerne bereit zuzugestehen", sagte Marx. Dass es keine schnelle Regierungsbildung geben wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.