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DGB-Chef Hoffmann stellt sich vor

Bettina Marx13. Mai 2014

"Weniger Marktgläubigkeit und mehr Steuergerechtigkeit" - das fordert der neue DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. In einer Grundsatzrede machte er deutlich, dass er Sozialreformen in Deutschland und Europa anstrebt.

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Der neue DGB-Vorsitzende hält vor den Delegierten des DGB-Kongresses in Berlin eine Grundsatzrede Foto: DPA
Bild: picture-alliance/dpa

Der neue DGB-Chef ist ganz anders als sein Vorgänger Michael Sommer. Reiner Hoffmann, seit dem Wochenbeginn Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des weltweit größten Dachverbandes von Einzelgewerkschaften, spricht bedächtig und ruhig. Nur manchmal erhebt sich seine Stimme, nur selten wirkt er leidenschaftlich oder erregt.

Auf dem DGB-Kongress in Berlin stellte sich Hoffmann mit einer Grundsatzrede vor und skizzierte die Leitlinien für seine Arbeit in den kommenden vier Jahren. Vor den 400 Delegierten des Gewerkschaftskongresses forderte der 58-Jährige Reformen bei den Arbeitsbedingungen, auskömmliche Renten und mehr Steuergerechtigkeit.

Neue Ordnung für gute Arbeit

"Wir treten an, die Arbeit der Zukunft und die Zukunft der Arbeit zu gestalten", sagte Hoffmann. Das Ziel der Gewerkschaften müsse es sein, "eine neue Ordnung hier im Lande durchzusetzen". Deutschland brauche eine gesellschaftliche Debatte über den Sinn und den Wert von Arbeit. "Es bleibt das Ziel der Gewerkschaften, die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern". Dafür müsse man zum Beispiel über flexiblere Arbeitszeiten und neue Modelle für die Gestaltung der Lebensarbeitszeit nachdenken. "Wir wollen mehr Zeit für Familie und Leben", so der DGB-Vorsitzende.

In seiner Rede würdigte er auch die Arbeit von Gewerkschaftern und Betriebsräten. Für eine neue Ordnung der Arbeit seien handlungsfähige Betriebs- und Personalräte unerlässlich, sie seien die Garanten für gute Arbeit, achteten auf die Einhaltung von Tarifverträgen und schützten vor Willkür durch den Arbeitgeber. Hoffman forderte, die Mitbestimmung auch auf Leiharbeit und Werkverträge auszudehnen und die Rechte der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten zu verbessern. Er kündigte an, eine "Mitbestimmungsoffensive" zu starten.

Fähnchen des DGB mit der Aufschrift "Fute Arbeit" bei der Kundgebung zum 1. Mai Foto: DPA
Bild: picture-alliance/dpa

Politischer Kurswechsel

Die Bundesregierung forderte der neue DGB-Chef auf, die Gewerkschaften bei dem Kampf um "gute Arbeit" zu unterstützen. Deutschland als reiches Land müsse mit gutem Beispiel voran gehen und die Mindeststandards der Internationalen Arbeitsorganisation ILO zum Kündigungsschutz, zum Mindestlohn und zum Mutterschutz ratifizieren und umsetzen. Deutsche Firmen, die im Ausland produzierten, sollten verpflichtet werden, diese Standards einzuhalten.

Die internationale Finanzmarktkrise und die Krise des europäischen Sozialmodells verlangten einen politischen Kurswechsel, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und weltweit, betonte Hoffmann. Der neoliberale Mainstream habe sich als Irrtum erwiesen. Fast 20 Millionen Arbeitslose in Europa, darunter viele Jugendliche, seien ein trauriger Rekord und ein gesellschaftspolitischer Skandal. "Das halten die sozialen Demokratien in Europa auf Dauer nicht aus." Um Arbeitsplätze zu schaffen forderte er mehr Investitionen eine moderne Industrie und innovative Dienstleistungen.

Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin Foto: DPA
400 Delegierte nehmen am DGB-Kongress "Parlament der Arbeit" in Berlin teilBild: picture-alliance/dpa

Leidenschaftlicher Europäer

Scharf kritisierte der DGB-Vorsitzende in diesem Zusammenhang die große Koalition. Sie setze in der Europapolitik auf die Fortsetzung der Sparpolitik unter Ausschluss des Europäischen Parlaments. Dies führe zu einer Entdemokratisierung Europas. "Das kann so nicht weiter gehen", rief Hoffmann.

Mit seinem leidenschaftlichen Werben für Europa knüpfte der neue DGB-Chef an seine alte Tätigkeit als europäischer Gewerkschafter an. Denn von 1994 bis 2003 war er Direktor des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (EGI) in Brüssel, seit 2003 stellvertretender Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB).

Der frühere DGB-Chef Michael Sommer applaudiert seinem Nachfolger reiner Sommer beim DGB-Kongress in Berlin. Foto: DPA
Beifall vom Vorgänger: Reiner Hoffmann (l.) und der frühere DGB-Chef Michael SommerBild: picture-alliance/dpa

Am Montag war Hoffmann mit überwältigender Mehrheit (93,1 Prozent) zum neuen Vorsitzenden des DGB gewählt worden. Er folgte auf Michael Sommer, der zwölf Jahre lang an der Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes gestanden war und überall hohes Ansehen genossen hatte.