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Religiöse Gewalt in Myanmar

Rodion Ebbighausen25. Oktober 2013

Die Gewalt gegen Muslime in Myanmar hat weltweit Besorgnis hervorgerufen. Der UN-Sonderberichterstatter Quintana hat seinen Bericht dazu in New York präsentiert: Nur langfristig kann es eine Lösung geben.

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Im Mai 2013 kommt es in der Stadt Lashio zu Gewalt zwischen Muslimen und Buddhisten (Foto: AP Photo/Daily Eleven Media).
Bild: picture-alliance/AP Photo

"Es läuft immer nach dem gleichen Muster ab. Ein paar Tage vorher kursieren Gerüchte, welche Moschee es treffen wird. Dann, an dem Abend, an dem es passiert, fällt der Strom aus und die Telefone sind tot. Kurz nach Mitternacht oder in den frühen Morgenstunden geht es los. Bewaffnete greifen uns an und singen die Nationalhymne. Soll heißen: Dies ist unser Staat, unser Land, uns gehört es rechtmäßig." So die Schilderung von Daw Khin Myo Aye, einer chinesischen Muslima. Sie ist sich sicher, wie viele ihrer Glaubensbrüder und -schwestern, dass die Gewalt gegen die Muslime von ganz oben organisiert wird. Die religiöse Minderheit sei Spielball übergeordneter Machtinteressen, die mit den Unruhen den Öffnungsprozess des Landes stören wollen.

Auf der anderen Seite erheben radikal nationalistische Mönche Anschuldigungen: Die Muslime wollten die Macht im Land übernehmen oder bezahlten muslimische Männer für die Heirat mit buddhistischen Frauen, um diese zum Islam zu bekehren. Die Mönche der sogenannten "969-Gruppe" rufen zum Boykott muslimischer Geschäfte auf. Pamphlete und DVDs ihrer Wortführer verkaufen sich im ganzen Land gut.

Tatsachen versus Gerüchte

Die Anschuldigungen der 969-Gruppe sind offensichtlich aus der Luft gegriffen. Sie knüpfen allerdings an eine bei manchen Buddhisten verbreitete Tradition der Hassreden und Gewalt an, die es seit Jahrzehnten in Myanmar gibt, wie die Nicht-Regierungsorganisation International Crisis Group (ICG) in einem Bericht vom Oktober 2013 darlegt.

Im September 2013 versammeln sich Mönche in Mandalay zu einem Protest gegen Rohingya (Foto: AP Photo/Khin Maung Win)
Radikale Mönche protestieren gegen die muslimische Minderheit der RohingyaBild: dapd

Die NGO kommt aber auch zu dem Schluss, dass die von vielen Muslimen erhobene Anschuldigung einer systematischen Gewalt zur Untergrabung des Öffnungsprozesses unwahrscheinlich ist: "Bisher gibt es keine Beweise dafür, dass die gewalttätigen Ausschreitungen organisiert wurden, um das Land zu destabilisieren."

Im Juni und Oktober 2012 kamen bei Ausschreitungen im Nordwesten des Rakhine-Staates fast 200 Menschen ums Leben, 140.000 wurden vertrieben, der überwiegende Teil davon Muslime. Anfang 2013 griff die Gewalt auch auf Zentral-Myanmar über. Bei den zweitägigen Ausschreitungen starben mindestens 44 Menschen. Tomas Ojea Quintana, UN-Sonderberichterstatter für die Lage der Menschenrechte in Myanmar, der am Freitag (25.10.2013) seinen Abschlussbericht in New York vorgelegt hat, stellt fest: "Die Gewalt gegen Muslime, nicht nur gegen die muslimische Minderheit der Rohingya, sondern auch gegen muslimische Staatsbürger im ganzen Land, hat an Intensität und Umfang zugenommen."

Verschärft wird der Konflikt oft durch die Polizei, die sich auf die Seite der buddhistischen Mehrheit stellt. Die ICG urteilt: "Der Polizei fehlt es offensichtlich an Ausbildung, Ausrüstung, Verhaltensregeln und Führung." Besser habe das Militär reagiert. Das liegt daran, dass viele Soldaten aus ganz anderen Regionen stammen und deswegen weniger parteiisch sind.

Historischer Hass

"Das ganze Problem konnte man vorhersehen", sagt der in Bangkok lebende Historiker Jacques Leider, der seit Jahren über Myanmar forscht. Der Konflikt reiche zurück in die britische Kolonialzeit, als eine große Zahl überwiegend muslimischer Siedler aus dem damaligen Indien nach Myanmar kam. Natürlich habe es auch vorher schon muslimische Minderheiten in Myanmar gegeben, so Leider, aber in der Kolonialzeit sei das ethnische Gleichgewicht gekippt. Später sei illegale Einwanderung hinzugekommen, die vor allem im Rakhine-Staat zu erheblichen sozialen Spannungen geführt habe. Die Einwanderer wurden von den britischen Kolonialbehörden in der Verwaltung eingesetzt. Einige waren außerdem erfolgreich als Händler und Geldverleiher, womit sie sich den Neid der Einheimischen zugezogen haben.

Am Morgen nach den Ausschreitungen bleiben in Lashio nur Ruinen (Foto: REUTERS/Soe Zeya Tun)
Ganze muslimische Viertel werden niedergebranntBild: Reuters

"Nach der Unabhängigkeit sind diese sozialen Spannungen niemals ernsthaft von der Regierung angegangen worden. So ist das Problem bis heute weitergeschleppt worden", sagt Leider. Allerdings lasse sich das Problem nicht historisch lösen: "Wenn man anfängt, über die Geschichte zu reden, dann kommt man auf keinen grünen Zweig. Denn jeder hat seine eigene Geschichte."

Die historische Tiefe der Ressentiments und die ungenügende Ausbildung der Sicherheitskräfte "machen weitere Zusammenstöße wahrscheinlich", so die ICG.

Ob diese den Öffnungsprozess des Landes gefährden, wird unterschiedlich bewertet. Zwar misst der Westen die Fortschritte bei den Menschenrechten auch am Umgang mit den ethnischen Minderheiten, wie die Kritik an Aung San Suu Kyi zeigt, aber innerhalb des Landes haben die 3,6 Prozent Muslime kein großes politisches Gewicht. Der Historiker Leider vergleicht die Situation mit dem Süden Thailands, wo seit Jahrzehnten ein Konflikt zwischen einer muslimischen Minderheit und den Thais schwelt: "Es wird über viele Jahre ein chronisches Problem bleiben."

Ein Boot voller Rohingya-Flüchtlinge (Foto: REUTERS/Junaidi Hanafiah)
Rohingya flüchten vor der Gewalt nach Bangladesch, Malaysia, Thailand und IndonesienBild: Reuters

Langfristige Lösung

Zur Lösung erinnert der Historiker Leider an eine Idee des ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair, die dieser vor kurzem in Bangkok vorgestellt hat. Der Nordirlandkonflikt habe gezeigt, dass man Konflikte zwischen Menschen, die nicht miteinander reden wollen, nur lösen kann, wenn man mit Problemen beginnt, die beide Seiten betreffen. Derartige Probleme gibt es in Myanmar genug: Infrastruktur, Bildung, Rohstoffe, Gesundheitsversorgung - um nur einige zu nennen.

Die Nachbarländer fordern immer drängender eine Lösung, da die Gewalt zusehends regionale Folgen nach sich zieht. Immer mehr Muslime flüchten aus Myanmar nach Bangladesch, Thailand, Malaysia und Indonesien. Im Osten Bangladeschs würden Flüchtlinge die ohnehin prekäre Versorgungslage der Menschen zusätzlich erschweren. Thailand fürchtet eine Ausweitung der eigenen Konflikte. Die mehrheitlich muslimischen Länder Malaysia und Indonesien solidarisieren sich immer mehr mit ihren Glaubensbrüdern und -schwestern in Myanmar.

UN-Sonderberichterstatter Quintana betont: "Die Regierung hat die Verantwortung, den Virus der interreligiösen Gewalt zu bekämpfen. Das erfordert einen kontinuierlichen Einsatz der Politiker für die Religionsfreiheit." Es reiche nicht, dass Myanmars Präsident Thein Sein eine "Null-Toleranz" gegen religiös motivierte Gewalt angekündigt habe. "Die Burmesen müssen sich ihrer Vergangenheit stellen und akzeptieren, dass ein Teil der Bevölkerung der muslimischen Religionsgemeinschaft angehört."