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Renaissance der Kohle in Asien

Nik Martin
14. Oktober 2021

Schwindende Kohlevorräte vor Beginn des Winters machen China, Indien und anderen asiatischen Ländern zu schaffen. Nun wird wieder mehr Kohle gefördert - was das Erreichen der UN-Klimaziele noch unwahrscheinlicher macht.

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Indien Kolkatta Smog
Smog im indischen Kolkatta - vor der Corona-Pandemie im November 2019. Indien produziert fast 70 Prozent seines Stroms mit KohleBild: picture-alliance/NurPhoto/I. Aditya

Der Winter naht und die Preise für fossile Brennstoffe wie Öl, Gas und Kohle schießen in die Höhe. Viele asiatische Regierungen bemühen sich deshalb, eine große Energiekrise zu verhindern - auch mit Methoden, die den UN-Klimazielen zuwider laufen.

"Wir werden jede Anstrengung unternehmen, die Produktion und das Angebot von Kohle auszuweiten", sagte Zhao Chenxin, Generalsekretär der chinesischen Kommission für nationale Entwicklung und Reform am Mittwoch in Peking.

Bisher sind die Versorger in der Region nicht in der Lage, mit der steigenden Stromnachfrage Schritt zu halten, die aus der Wiederaufnahme des Wirtschaftslebens nach den Corona-Einschränkungen resultiert.

Steigende Preise

Die US-Ölpreise überstiegen zum Wochenbeginn erstmals seit Ende 2014 die Marke von 80 Dollar (69,38 Euro) pro Barrel. Erdgas-Futures erreichten in dieser Woche den höchsten Stand seit Dezember 2008. Und der Kohlepreis in China verteuerte sich allein am Dienstag innerhalb eines Handelstages um elf Prozent.

"Der starke Preisanstieg für Kraftwerkskohle hat die asiatischen Volkswirtschaften vor erhebliche Probleme gestellt", sagte Rajiv Biswas, Chefökonom Asien-Pazifik beim Marktforschungsunternehmen IHS Markit, der DW. Einige Kraftwerke in China und Indien seien "aus logistischen Gründen stärker auf Importkohle angewiesen und daher anfälliger für starke Preisanstiege".

Symbolbilder Weltklimarat startet Beratungen zum 1,5-Grad-Ziel
Kohlekraftwerk in Shenyang im Nordosten Chinas. Das Land ist der größte Kohleproduzent der Welt und ist dennoch auf Kohleimporte angewiesenBild: picture-alliance/dpa/Mark

Chinas Energieknappheit hat zu Produktionsdrosselungen in verschiedenen Industriezweigen wie Zement, Stahl und Aluminium geführt, da die Stromerzeuger plötzlich ihre Produktion drosselten, weil ihnen die Kohle zu teuer wurde.

"Normalerweise würden die Erzeuger die höheren Preise selbst auffangen", sagte Ghee Peh, Finanzanalyst des US-Instituts IEEFA (Institute for Energy Economics and Financial Analysis), der DW. "Aber in diesem Jahr, als es unrentabel wurde, waren sie nicht motiviert, mehr Strom zu produzieren."

Ohne Strom keine Produktion

Die Stromausfälle veranlassten die chinesische Regierung zum Handeln. Am Dienstag erkärte Peking, sie werde industrielle und gewerbliche Verbraucher zwingen, Strom zu Marktpreisen zu kaufen, so dass die Energieunternehmen die Kohlepreiserhöhungen weitergeben könnten.

Chinas Probleme werden noch durch weitere Faktoren verschärft. Überschwemmungen hatten Dutzende von Bergwerken im Land stillgelegt. Außerdem führt China derzeit kaum Kohle aus Australien ein. Der inoffizielle Boykott ist Teil der seit langem bestehenden Spannungen zwischen China und Australien. Seitdem sind die chinesischen Einfuhren australischer Kohle von 4,5 Millionen Tonnen im Juni 2020 auf fast Null zurückgegangen.

China: Minenarbeiter
Eine Kohlemine in ChinaBild: picture-alliance/C. Dambrosi

Kohle ist für die Energiesicherheit Chinas von entscheidender Bedeutung, sie deckt derzeit fast 60 Prozent des landesweiten Energieverbrauchs ab. China ist zwar der weltgrößte Produzent von Kohle, aber trotzdem auf Importe angewiesen, um seinen eigenen Bedarf zu decken.

Indiens Vorräte gehen zur Neige

Indien, der zweitgrößte Kohleproduzent der Welt, hat aufgrund der Pandemie ebenfalls mit niedrigen Lagerbeständen zu kämpfen. Der Versorgungsengpass ist so groß, dass die Regierung diese Woche die Stromerzeuger angewiesen hat, ihre Importe zu erhöhen.

Wie der Fernsehsender NDTV berichtete, sieht die Regierung bei 85 Prozent der 135 staatlich überwachten indischen Kraftwerke einen "kritischen oder superkritischen" Kohlemangel.

Kohleminister Pralah Joshi gab bekannt, das staatliche Unternehmen Coal India, das 80 Prozent der indischen Kohle produziert, habe noch Vorräte für mehr als drei Wochen.

Fast 70 Prozent des indischen Stroms wird mit Kohle produziert, der Großteil davon wird im Land selbst abgebaut.

Indonesien - der weltweit größte Exporteur von Kraftwerkskohle - ist laut IEEFA-Analyst Peh ein "Nettogewinner" der Kohlekrise in Asien. Das Land hat China geholfen, seine durch den Boykott australischer Kohle entstandene Lücke zu schließen. Indonesien trägt außerdem dazu bei, die knappen Kohlevorräte Indiens zu entlasten.

Infografik die zehn Länder mit den Meisten Kohlekraftwerken DE

Kambodscha plant, wie einige andere asiatischen Länder auch, den Anteil der Kohleverstromung an seiner Stromerzeugung nach 2030 um fast die Hälfte zu erhöhen, auf dann 75 Prozent.

Steigende Kohleproduktion

Die Ankündigung Chinas vom Mittwoch, seine Kohleproduktion deutlich auszuweiten, ist nur die jüngste Entwicklung eines schon länger anhaltenden Trends.

Laut der jüngsten "Global Coal Exit List", einer jährlichen Analyse der deutschen Umweltgruppe Urgewald und anderer Organisationen, weitet fast die Hälfte der weltweiten Kohleproduzenten ihre Produktion aus.

Demnach ist die weltweite Kapazität für die Stromerzeugung aus Kohle in den letzten sechs Jahren um 157 Gigawatt (GW) gestiegen. Weitere 480 GW sind derzeit im Aufbau, ein Großteil davon in Asien.

Die steigende Bedeutung der Kohle im Energiemix steht im Widerspruch zu den Klimaverpflichtungen der asiatischen Regierungen und Kohleproduzenten. Ein Bericht des UN-Weltklimarats warnte schon 2018, dass die Nutzung von Kohle für Strom und Heizung um drei Viertel reduziert werden müsse, um die im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziele zu erreichen.

Laut der Global Coal Exit List haben bisher allerdings nur 49 von 1030 untersuchten Kohleproduzenten ein Datum für den Kohleausstieg angekündigt.

Der Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol, sagte bei der Vorstellung des aktuellen Energieausblicks in dieser der Woche, es seien jetzt dringend "echte globale Maßnahmen" erforderlich, nicht nur Worte.

"Heute stammt ein Drittel der CO2-Emissionen aus der Kohleverwendung bei der Stromerzeugung. Das ist das Hauptproblem", warnte Birol. Er räumte ein, dass es schwer sei, Kohlekraftwerke stillzulegen, bevor sich die Investitionen der Betreiber amortisiert haben.

Energiewende im Schneckentempo

China hatte sich das Ziel gesteckt, bis 2060 CO2-neutral zu werden. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, müsste das Land seine Kohle-Nachfrage um mehr als 80 Prozent senken - ein Ziel, das angesichts der steigenden Produktion illusorisch erscheint.

Rajiv Biswas von IHS Markit geht davon aus, dass Kohle noch für einige Zeit "das Rückgrat der Stromerzeugungskapazität in einigen der größten asiatischen Volkswirtschaften bleiben wird, insbesondere in China, Indien und Indonesien". Der Übergang zu saubereren Energien werde erst "mittelfristig" erfolgen.

Die Umweltorganisation Urgewald befürchtet allerdings, dass der Umstieg auf saubere Energieversorgung noch länger dauert. Selbst wenn Länder wie Bangladesch oder die Philippinen ihre Pläne für neue Kohlekraftwerke aufgeben, werden laut Urgewald oft neue gasbefeuerte Anlagen anstelle von erneuerbaren Energien an das Netz angeschlossen.

Dieser Bericht wurde aus dem Englischen adaptiert.