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Weltaidstag

Helle Jeppesen1. Dezember 2006

Im Nordosten Indiens boomt nicht nur der Drogenhandel, auch Aids breitet sich rasant aus: Hier wird nicht nur Heroin, sondern alles, was injizierbar ist, durch die Venen gejagt. Auf saubere Spritzen achtet keiner.

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Aids-Waisen in Indien, Foto: AP
Aids-Waisen in IndienBild: AP

"Wir haben gerade zwei Patienten entlassen. Sie waren wieder OK und konnten nach Hause. In der selben Nacht haben wir aber zwei andere Patienten verloren", berichtet Dr. Thari vom Aids-Hospiz des Presbyterian Hospitals in Aizawl-Durtlang. Zehn Betten gibt es dort: Zu wenig, denn es ist das einzige Aids-Hospiz in dem indischen Bundesstaat Mizoram, der zwar nur rund eine Million Einwohner zählt, aber eine der höchsten HIV-Infektionsraten im ganzen Land aufweist. Seit der Einweihung des Hospizes im März 2004 wurden hier 161 Patienten aufgenommen wurden. 54 von ihnen sind bereits gestorben - knapp ein Drittel.

Labor mit Reagenzgläsern, Foto: AP
Erste Untersuchungen gab es im Staat ManipurBild: AP

Die Wartezeiten sind lang. Standen am Anfang noch Betten leer, so müssen selbst Aids-Patienten im kritischen Stadium heute oft mehrere Tage warten, bis ein Bett frei wird. Mehr Platz nicht nur für die Patienten, wünscht sich Dr. Thari, sondern auch für die Familienangehörigen, die mitkommen, um ihr Kind, Partner, Enkelkind oder andere Angehörige zu pflegen. Doch das Geld ist knapp, und die Seuche HIV/Aids hat sich in den nordöstlichen Staaten rasant ausgebreitet.

Sprunghafter Anstieg

Die ersten Untersuchungen stammten aus dem Staat Manipur, an der Grenze zu Myanmar, erzählt Dr. S.I. Ahmed, Präsident der Aids Research Center in Guwahati im Staat Assam: "Im Juni 1989, bei den ersten Untersuchungen, wurden gut 800 Blutproben untersucht, und keine einzige war HIV-positiv. Ein halbes Jahr später, im Dezember 1989, wurden mehr als 850 HIV-positive Proben gefunden, von insgesamt 1560 Blutproben. Das war der Anfang der Epidemie und die Alarmglocken schrillten im nordöstlichen Staat Manipur.

Die sprunghaft gestiegenen Zahlen lassen sich zurückführen auf den Drogenkonsum, weil die meisten Drogensüchtigen sich Spritzen, Nadeln und Heroin teilen. Bereits zu Beginn war mehr als die Hälfte der Drogensüchtigen positiv.

Im "Goldenen Dreieck"

Abhängige spitzt sich in den Fuss, Foto: AP
Drogenkonsum als Grund für Aids im Norden IndiensBild: AP

Manipur liegt wie Mizoram und Nagaland an der Grenze zu Myanmar, und damit im berüchtigten "Goldenen Dreieck", wo immer noch Opium angebaut und zu Heroin verarbeitet wird. Die Chemikalien, die zur Verarbeitung von Opium benötigt werden, gehen meist über Assam vom indischen Subkontinent nach Myanmar.

Zurück kommt dann das "veredelte" Produkt Heroin - wobei vieles auf der Strecke schon verkauft wird, wie Dr. Ahmed berichtet: "Die Transitstrecke ist zu einer Drogenstrecke geworden. Generell ist der Nordosten wirtschaftlich eine der benachteiligten Regionen Indiens, es wurde nicht viel investiert. Jugendliche sind zunehmend frustriert, weil sie keine Ausbildungs- und Zukunftsperspektiven für sich sehen. Aus Frust treten sie dann der Untergrundbewegung bei, denn es gibt hier sehr starke separatistische Kräfte. Es ist ein böser Kreislauf, weil ohne Entwicklung und Jobs der Frust steigt."

Kein Job, keine Perspektive

Bauern auf einem Feld in Myanmar, Foto: AP
Das 'Goldene Dreieck': Keine Jobs, keine PerspektivenBild: AP

Der Frust entlädt sich nicht nur in Rebellion, sondern auch im Drogenkonsum. Nicht nur Heroin, sondern alles, was sich in irgendeiner Form spritzen lässt, wird durch die Venen gejagt, wie der Chef der UNAIDS in Indien, Dr. Denis Broun berichtet: "In ganz Südasien sehen wir, dass immer häufiger Medikamenten anstatt Heroin gespritzt werden. Die generelle Bekämpfung von Heroin hat keinerlei Wirkung auf die Zahl der Drogensüchtigen, die spritzen. Denn Medikamente sind viel billiger als Heroin. Eine Spritze mit Spasmoproxyvon, das ähnliche Wirkungen wie Heroin haben kann, kostet um die 30 Rupien, ein Gramm Heroin um die 700. Das ist ein Riesenunterschied, und häufig teilen sich die Abhängigen eine Spritze Spasmoproxyvon."

Davon abgesehen, dass das Schmerz- und Betäubungsmittel Spasmoproxyvon nicht zum Spritzen geeignet ist und oft schlecht heilende Abzesse bis hin zur Amputation ganzer Körperteile zur Folge hat, wird durch das Teilen der Spritzen vor allem auch HIV übertragen. Das Virus werde so in immer größeren Kreise verbreitet, so der Chef des indischen UNAIDS-Büros: "Es ist eine sehr ernstzunehmende Epidemie. Es hört ja nicht bei den Drogen auf. Die Seuche wird eben auch an die Sexualpartner der Drogensüchtigen weitergereicht, so ist auch die Epidemie hier im Nordosten entstanden. Vor allem in Nagaland und Manipur haben wir eine sehr hohe Infektionsrate."

Medikamente sind billiger als Heroin

Streetworkerin gibt einem Kind ein Kondom, Foto: AP
Aids-Aufklärung in KalkuttaBild: AP

Doch Aufklärungsprogramme für Spritzentausch oder die Verteilung von Kondomen stoßen in streng christlichen Staaten wie Manipur, Nagaland, Mizoram und Meghalaya auf erheblichen Widerstand der Kirchen und der Gemeinden. Langsam entwickelt sich in der Bevölkerung - durch die Arbeit vieler NGO's und auch der Medien - ein Verständnis dafür, dass Drogensucht eine Krankheit ist, die nicht dadurch geheilt wird, dass Spritzen und Injektionsnaden einfach verboten werden. Auch spricht sich langsam herum, dass nicht nur sexuelle Übertragung, sondern vor allem die Übertragung durch geteilte Spritzen, Nadeln oder Besteck für die hohe HIV-Rate im Nordosten verantwortlich ist. Dabei ändert sich das Bild schon langsam. Im Staat Mizoram ist Drogenmissbrauch bei Männern immer noch die häufigste Ursache für eine HIV-Infektion. Doch die meisten Frauen werden jetzt durch sexuelle Übertragung des HI-Virus infiziert - durch drogensüchtigen Partner.