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Precht: "Wir tun der Natur keinen Gefallen"

5. Juli 2017

Die chinesischen Pandas "Träumchen" und "Schätzchen" sind nach Berlin gekommen. Süüüß! Oder doch nicht? Der deutsche Philosoph Richard David Precht bezeichnet unser Verhältnis zu Tieren als "schizophren".

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Panda im Käfig fährt an Fotografen vorbei
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Schreiber

Deutsche Welle: Herr Precht, freuen Sie sich auch auf Meng-Meng und Jiao Qing? Ist ja ganz seltener Besuch.

Richard David Precht: Freuen ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck. Aber ich glaube, das ist ganz gut für den Berliner Zoo, dass er den Zuschlag bekommen hat, diese Bären halten zu dürfen, die ja nur in ganz wenigen zoologischen Gärten außerhalb Chinas zu sehen sind.

Berlins Zoo baut vor: mit Klimaanlage, Schattenplätzen, Flusslauf, Rückzugsmöglichkeiten, und und und. Die Pandas sollen es schließlich gut haben. Aber sollte man vom Aussterben bedrohte Tiere so einfach hin- und herverfrachten?

Publizist und Philosoph Richard David Precht
Richard David PrechtBild: picture-alliance/dpa/F. Schuh

Das ist nicht das Problem. Es gibt ja eine ganze Reihe von Tieren, die vom Aussterben bedroht sind, die unter anderem mit Hilfe von zoologischen Gärten überhaupt in ihrem Bestand erhalten werden. Da gehören jetzt die Pandabären nicht in erster Linie dazu, aber die Zoos leisten da mittlerweile, nachdem sie in der Geschichte auch eine unheilvolle Rolle gespielt haben, einen Beitrag. Es gibt mehr sibirische Tiger in Zoos als in der Taiga.

Und jetzt wirken diese Pandas auch noch als politische Botschafter…

Es gibt sie schon länger, die sogenannte Panda-Politik. Die geht schon auf Deng Xiaoping [der China faktisch von 1979 bis 1997 führte, Anm.d R.] zurück. Der Berliner Zoo hat ja schon einmal zwei Pandabären geschenkt gekriegt, genauer: Helmut Schmidt hat sie geschenkt gekriegt. Das ist nicht neu. Und dass sich China auf diese Art und Weise von seiner sympathischen Seite zeigt, dagegen ist nichts zu sagen.

Sie haben ein Buch über Tierethik geschrieben: "Tiere denken - vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen". Einerseits, schreiben Sie, beuten wir Tiere gnadenlos aus - Stichwort Massentierhaltung und Fleischkonsum. Gleichzeitig verhätscheln wir unsere Haustiere - Hund, Katze, Meerschweinchen oder eben Pandas. Wie passt das zusammen?

Jetzt geben wir auch noch Millionen für eine Panda-Anlage aus. In der Tat: Das ist eine große gesellschaftliche Schizophrenie! Ich werde auch nicht müde, das anzuprangern. Das spricht aber nicht gegen die Pandas. Das spricht sehr stark gegen die Massentierhaltung.

Buchcover "Tiere denken" von Richard David Precht
"Tiere denken" von Richard David PrechtBild: Goldmann Verlag

Ganz früher, als wir noch Jäger und Sammler waren und uns als Teil der Natur verstanden, hatten wir da mehr Respekt vor Tieren?

Ja, sofern wir das aus indigenen Kulturen kennen, also von Völkern etwa, die im Regenwald leben oder sofern wir das aus der altägyptischen Religion herauslesen können: Da hatten die Menschen, bevor sie systematisch anfingen, Tiere zu halten, ein wesentlich respektvolleres Verhältnis zu Tieren, weil sie sie nicht als Umwelt begriffen haben, sondern als Mitwelt.

Und jetzt beherrschen wir - auch dank der Technik - die Natur. Dumm gelaufen für die Tiere?

Ja, weitgehend ist das ausgesprochen dumm gelaufen. Aber wenn dann eine späte kulturelle Einrichtung wie der bürgerliche zoologische Garten dazu beiträgt, dass bestimmte Tiere in der Reserve gehalten werden, dann kann ich darin nichts Falsches sehen.

Sie haben mal gesagt: 'Je stärker der Mensch über die Natur herrscht, umso seelenloser erscheint ihm das Beherrschte.'

Das ist in der Tat so. Je mehr Gewalt man über die Dinge hat, desto weniger Respekt hat man davor. Das ist gewissermaßen ein langer Lauf in der Entwicklung der Menschheitsgeschichte.

Und da helfen selbst die monotheistischen Religionen nicht weiter?

Nein, die monotheistischen Religionen wie Christentum, Islam oder Judentum haben zur Versachlichung der Tiere ganz wesentlich beigetragen.

Da wird der Mensch zum Maß aller Dinge. Und das Tier zur Sache?

Genau. Der Mensch als Exklusiv-Lebewesen. In der christlichen Heilsgeschichte geht es nicht um die Tiere. Da geht es nur um den Menschen.

Meinen Sie, wir sollten unser Verhältnis zu Tieren endlich einmal klären?

Ja, und wir sind dabei. Wenn man guckt, dass es in Deutschland eine Million Veganer gibt, 7,8 Millionen Vegetarier, dann kann man annehmen, dass da ein gewaltiger Umdenkungsprozess im Gang ist.

In welche Richtung?

Zu mehr Sensibilität im Umgang mit Tieren in dem, was wir für normal halten. Dass man Tausende von Schweinen in Ställen hält, dass man überhaupt Fleisch isst - dass das immer weniger selbstverständlich wird, halte ich für eine ethische Höherentwicklung.

Tiere leiden, Tiere haben ein Bewusstsein, schreiben Sie. Sollte das unser Verhältnis zum Tier bestimmen?

Ja, aber aus meiner Sicht auch eine grundsätzliche Faszination an der Natur. Ich glaube, dass wir weder uns noch der Natur einen Gefallen tun, wenn wir sie so gnadenlos versachlichen.

Was werden Sie denken, wenn sie vor dem Berliner Traumpärchen stehen werden, vor "Träumchen" und "Schätzchen"?

Ich werde mir die Anlage ziemlich genau angucken, wegen der Ästhetik und wegen der Haltungsbedingungen. Zoo und Tierpark in Berlin sind aber in guten Händen. Deshalb bin ich ganz optimistisch.

Richard David Precht, Jahrgang 1964, ist Philosoph, Publizist und Autor und einer der bekanntesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum. Seine Bücher wie "Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?", "Liebe. Ein unordentliches Gefühl" oder "Die Kunst, kein Egoist zu sein" wurden in insgesamt mehr als 40 Sprachen übersetzt.

China Pandas für den Berliner Zoo
Erstes Kennenlernen: Tierpfleger Toll und Weibchen "Träumchen" in ChengduBild: picture-alliance/dpa