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Politik

Bekommt Slowenien eine Präsidentin?

Andrinek Gasper Ljubljana
12. November 2022

Bei der Stichwahl in Slowenien an diesem Sonntag könnte erstmals in der Geschichte eine Frau als Siegerin hervorgehen. Menschrechtsanwältin Natasa Pirc Musar tritt gegen den ehemaligen Außenminister Anze Logar an.

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Präsidentenwahl in Slowenien Natasa Pirc Musar
Kämpferisch: Die slowenische Präsidentschaftskandidatin Natasa Pirc MusarBild: AP/dpa/picture alliance

In den vergangenen zehn Jahren stand Sloweniens Staatspräsident Borut Pahor bei Umfragen zu den beliebtesten Politikern im Land stets an der Spitze. Pahor hat als einziger Bürger in dem Zwei-Millionen-Einwohner Land alle höchsten Ämter des Staates bekleidet: Er ist nicht nur Präsident, sondern diente auch als auch Parlamentspräsident (2000-2004) und Premierminister (2008-2012). Und er war Mitglied des Europäischen Parlaments.

Damit nicht genug: Pahor ist auch einer der ersten slowenischen Politiker mit starker Präsenz in digitalen Medien. Auf seinem Instagram-Account finden sich regelmäßig Fotos von Treffen mit einer Reihe berühmter Persönlichkeiten, von Königin Elisabeth II. und Papst Franziskus bis hin zu Supermodel Naomi Campbell und dem slowenischen Basketballstar Luka Doncic.

Pahor ist so aktiv auf der Plattform, dass das Magazin "Politico" ihn 2017 zum "Instagram-Präsidenten Europas" ernannte. Nun bereitet er sich nach einem Jahrzehnt im Präsidentenpalast auf die Übergabe an seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin vor.

Kopf-an-Kopf Rennen

Sloweniens Wählerschaft entscheidet an diesem Sonntag in einer Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten Anze Logar und Natasa Pirc Musar. Damit steht in dem Nachbarland von Österreich, Italien und Ungarn eine Richtungswahl an.

Anze Logar, ein Mitglied der rechtsgerichteten Slowenischen Demokratischen Partei (SDS), gewann die erste Runde der Präsidentenwahl am 23. Oktober mit 34 Prozent aller abgegebenen Stimmen. Seine Herausforderin, die Rechtsanwältin Natasa Pirc Musar, kam mit 27 Prozent der Stimmen auf den zweiten Platz.

Doch das Klima scheint sich in den vergangenen drei Wochen gedreht zu haben. Eine am 6. November von Valicon im Auftrag des öffentlich-rechtlichen slowenischen Fernsehens RTV Slovenia durchgeführte Meinungsumfrage ergab, dass die Rechtsanwältin Musar 56 Prozent der Stimmen holen und damit an Logar vorbeiziehen könnte.

Janez Jansa und Anze Logar
Verbündete: Kandidat Anze Logar (rechts) genießt Unterstützung von Sloweniens Ex-Ministerpräsident Janez Janša (links) Bild: Jure Makovec/AFP

"Bisher hat noch nie ein Kandidat der Rechten eine Präsidentenwahl gewonnen, was auch daran liegen könnte, dass die Wählerschaft in unserem Land leicht nach links tendiert", sagt Meta Roglič. Die Slowenin ist Politologin und arbeitet für das Nachrichtenportal N1info.

Erschöpfte Wählerschaft

Auch der slowenische Politologe Aljaž Pengov Bitenc räumt Natasa Pirc Musar gute Chancen ein, erste Präsidentin in der Geschichte des Landes zu werden. Allerdings gibt er zu bedenken, dass "der Vorteil, den sie gegenüber Logar hat, verschwinden könnte, wenn die Wahlbeteiligung niedrig ist".

Laut Bitenc besteht aufgrund der vielen anstehenden Wahlen die Gefahr einer "Wahlmüdigkeit". Denn in den kommenden Monaten stehen der Bevölkerung in Slowenien drei verschiedene Referenden bevor. Außerdem finden Kommunalwahlen in vielen Gemeinden des Landes statt.

Sowohl Anze Logar als auch Natasa Pirc Musar treten als unabhängige Kandidaten an. Sie reichten ihre Kandidaturen mit Hilfe von Wählerunterschriften ein und wurden nicht von einer politischen Partei nominiert.

Wie unabhängig sind die Kandidaten?

Die politische Karriere von Anze Logar legt allerdings nahe, dass er weniger unabhängig ist, als es auf den ersten Blick scheint. Denn Logar ist er nicht nur langjähriges Mitglied der rechtsgerichteten Slowenischen Demokratischen Partei (SDS). Er diente in der letzten Regierung des ehemaligen Ministerpräsidenten Janez Janša auch als Außenminister.

Janša ist ein enger Verbündeter von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Im Wahlkampf unterstützte er seinen Parteigenossen Logar lautstark und beschrieb die Stichwahl als eine Entscheidung zwischen "slowenischer Unabhängigkeit und Verfassungsmäßigkeit" oder einer "Steueroasen-Mentalität".

Karte ehemalige Jugoslawien DE

Janšas‘ Vorwurf der "Steueroasen-Mentalität" richtete sich gegen Logars Kontrahentin Natasa Pirc Musar. Der ehemaligen Leiterin der slowenischen Datenschutzbehörde wurde während des Wahlkampfs vorgeworfen, entweder sie oder ihr Ehemann hätten Geld in Steueroasen angelegt.

Politologin Roglič ist überzeugt, dass "diese aggressiven Ausbrüche Janšas der Kandidatur von Logar schaden. Je lauter Janez Janša für ihn wirbt, desto stärker ist der Anti-Janša-Reflex bei den Wählern der linken Mitte."

Beobachter Bitenc sieht Logars größten Fehler bisher darin, sich nicht zu seiner Haltung gegenüber seiner eigenen Partei und den Handlungen der Regierung Janša geäußert zu haben: "Indem er sich nicht von all dem distanziert oder gar entschuldigt, hat er grundlegende Zweifel an seiner angeblichen Unabhängigkeit gesät."

"Dunkle Zeiten" und "Steueroasen"

Auch die Rechtsanwältin Pirc Musar bekommt trotz ihrer unabhängigen Kandidatur parteipolitische Unterstützung. Zu ihren Fürsprechern gehört der slowenische Premierminister Robert Golob von der grün-liberalen Freiheitsbewegung. Der SDS-Kandidat dürfe nicht in den Präsidentenpalast einziehen, denn dies würde Slowenien in die "dunklen Zeiten" der vergangenen zwei Jahre unter Janez Janša zurückwerfen, sagte Golob vor der Stichwahl.

Beide Kandidaten verfügen über internationale Erfahrung. Politologe Bitenc geht davon aus, dass Logar seine diplomatische Erfahrung als ehemaliger Außenminister nutzen werde, um sein Ziel eines "Kerneuropas" voranzutreiben. Natasa Pirc Musar, die 15 Jahre lang als Menschenrechtsexpertin für den Europarat gearbeitet hat, erklärte im Wahlkampf, sie wünsche sich "ein Slowenien, das sich mit Ländern verbinde, die an Menschenrechte, Solidarität und rechtsstaatliche Werte glauben".

Je nachdem, wer die Wahl gewinnt, könnte das Ergebnis als Stärkung entweder des amtierenden grünen Ministerpräsidenten oder seines rechtspopulistischen Vorgängers gewertet werden.

Der Text wurde aus dem Englischen von Astrid Prange de Oliveira adaptiert.