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Richtungswahl in Hellas

Jannis Papadimitriou21. Januar 2015

Bei der Parlamentswahl in Griechenland hat der Chef der Linksopposition, Alexis Tsipras, gute Chancen, zum Regierungschef gewählt zu werden. Seine Wähler leiden unter der Wirtschaftskrise und haben die Altparteien satt.

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Passanten vor Wahlplakat in Athen (Foto: Reuters/A. Konstantinidis)
Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Im krisengeplagten Griechenland wäre ein Wahlsieg von Tsipras an diesem Sonntag ein historisches Ereignis, da er der erste linke Ministerpräsident in der Geschichte des Landes wäre. Man muss schon weit zurückblicken, um die Zeiten zu entdecken, in denen die Linke der Macht so nahe war: Nur im fernen 1958 stellte die Linkspartei EDA (Einheitliche Demokratische Linke) den Oppositionschef mit 26,89 Prozent der Stimmen. Damals war Griechenland, wenige Jahre nach dem zerstörerischen Zweiten Weltkrieg und einem blutigen Bürgerkrieg, das Armenhaus Westeuropas. Schon damals profitierte die Linke von der Wählerwut und der Verdrossenheit gegenüber Altparteien.

Und auch heute leidet ein Großteil der griechischen Bevölkerung unter den Folgen der Schuldenkrise und der seit 2010 verordneten Sparpolitik, wie Dimitris Papadimoulis, führender Politiker der Syriza-Partei und Vizepräsident des EU-Parlaments, im Gespräch mit der DW erklärt: "Das griechische Volk will die Austeritätspolitik, die unsere Gesellschaft und unser Land zerstört hat, endlich beenden." In den vergangenen fünf Jahren habe das in Griechenland verordnete Sparprogramm die Wirtschaftsleistung des Landes um 25 Prozent beschnitten und eine Rekordarbeitslosigkeit von über 25 Prozent verursacht. Jeder zweite Jugendliche sei mittlerweile arbeitslos. Dabei seien die griechischen Schulden in den vergangenen Jahren nicht zurückgegangen, sondern im Gegenteil sogar weiter gestiegen, klagt der Linkspolitiker.

Warnung vor Euro-Aus

Seit 2010 hat das hoch verschuldete Griechenland insgesamt 240 Milliarden Euro an Finanzhilfen bekommen. Damit sollte ein Bankrott abgewendet und die Refinanzierung fälliger Schulden gesichert werden. Im Gegenzug forderten die Kreditgeber EU, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) eine rigide Sparpolitik und tiefgreifende Strukturreformen in Wirtschaft und Verwaltung. Ende 2014 sollte das Rettungsprogramm auslaufen. Die letzte Kredittranche in Höhe von 1,8 Milliarden Euro wurde allerdings immer noch nicht ausgezahlt, da die Umsetzung zugesagter Reformen unter dem konservativen Regierungschef Antonis Samaras ins Stocken geriet. Inzwischen wurde das Rettungsprogramm bis Ende Februar verlängert, eine erneute Verlängerung bis zum Sommer 2015 gilt als wahrscheinlich.

Zerrissene EU-Flagge vor Präsidentensitz in Athen (Foto: picture alliance/AP)
Ein Großteil der Bevölkerung in Griechenland leidet unter den Folgen der WirtschaftskriseBild: picture-alliance/AP

Die Linke verspricht, im Fall eines Wahlsieges die Sparbedingungen neu zu verhandeln und einen Schuldenerlass bei den Geldgebern durchsetzen zu wollen. Dann wäre durchaus möglich, dass Griechenland die Eurozone verlassen müsse, warnt der EU-Abgeordnete der konservativen Regierungspartei Giorgos Kyrtsos. "In diesem Fall besteht die sogenannte Grexit-Gefahr, nämlich die Möglichkeit, dass Griechenland zum Verlassen des Euro gezwungen wird, weil die Wirtschaft des Landes sonst einfach nicht funktionieren kann", mahnt Kyrtsos. Ein Euro-Aus sei im EU-Recht zwar nicht vorgesehen und niemand würde es befehlen können, aber das Land selbst hätte dann keine andere Möglichkeit mehr, als eine eigene, inflationäre Währung zu drucken, um seine Beamten überhaupt noch bezahlen zu können. "Das glaube ich zumindest und ich kann nur hoffen, dass es niemals dazu kommt", meint der konservative Politiker im Gespräch mit der DW.

Die Linkspartei versucht, alle Befürchtungen um ein Euro-Aus ins Lächerliche zu ziehen: Am 25. Januar werde es keinen Grexit, sondern nur einen Samaras-Exit geben, erklärt Oppositionschef Alexis Tsipras auf seinen Wahlkundgebungen. Linkspolitiker Dimitris Papadimoulis zeigt sich empört, dass man die Schuld für die wirtschaftliche Misere Griechenlands ausgerechnet der Opposition geben will: "In den letzten 40 Jahren wurde Griechenland in der Regel schlecht regiert, aber schuld daran sind doch nicht wir, sondern die konservative Nea Dimokratia und die sozialistische Pasok, die abwechselnd den Regierungschef stellten, Defizite verursachten und Reformen verschliefen." Außerdem habe das Rettungsprogramm für Griechenland die Missstände nicht bekämpft, sondern noch weiter verschärft, klagt Papadimoulis.

Schwierige Regierungsbildung erwartet

Ein Selbstläufer wird der Linksruck nicht: Zwar führt die Syriza-Partei wenige Tage vor der Wahl in allen Umfragen vor der konservativen Nea Dimokratia, doch ihr Vorsprung ist nicht uneinholbar. Zudem wäre die Linke im Falle eines Wahlsiegs auf Koalitionspartner angewiesen, da sie im Parlament nicht die absolute Mehrheit hätte. Bisher haben sich nur wenige Parteien bereit erklärt, mit ihr zu koalieren. Tsipras suchte die Nähe zur kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), in der auch er im Wendejahr 1989 seine politische Laufbahn begann. Doch KKE-Chef Dimitris Koutsoumbas schloss eine Koalition nach der Parlamentswahl aus.

Griechischer Linkspolitiker Alexis Tsipras bei einer Rede (Foto: AFP/Getty Images/A. Tzortzinis)
Alexis Tsipras verspricht, die Sparbedingungen neu zu verhandelnBild: AFP/Getty Images/A. Tzortzinis

Für die politische Zukunft des Landes gibt es nach Auffassung des konservativen Europapolitikers Giorgos Kyrtsos insgesamt vier Möglichkeiten, die alle gleich wahrscheinlich sind: "Erste Möglichkeit: Die konservative Partei widerlegt die Umfragen, gewinnt die Wahl und bildet eine neue Koalitionsregierung, dann kommt auch die Wirtschaft in Schwung. Zweite Möglichkeit: Syriza gewinnt, bildet eine Linksregierung und es kommt zum Bruch mit den Kreditgebern, wodurch ein Euro-Aus möglich wäre. Dritte Option: Syriza gewinnt und rückt von seiner ursprünglich angekündigten Politik ab, wodurch innerparteiliche Konflikte zum Vorschein kämen. Und die vierte Option: Eine Regierungsbildung wird unmöglich, es kommt zur Neuwahl und wir verlieren dadurch viel Zeit, die wir nicht haben."

Auf die Wahl in Griechenland schaut derzeit auch das Euro-Mitglied Spanien. Dort liegt in jüngsten Umfragen die Linkspartei "Podemos" (Wir können es) an erster Stelle. Ein möglicher Sieg der griechischen Linkspartei würde auch den spanischen Genossen neuen Auftrieb geben. Podemos-Chef Pablo Inglesias hat schon sein Kommen für die letzte Wahlkundgebung von Tsipras an diesem Donnerstag angekündigt.