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Roboter als Retter

Fabian Schmidt19. Mai 2014

Wenn nach einem Chemieunfall Feuerwehrleute nicht mehr in den Gefahrenbereich dürfen, können Roboter helfen. Beim jährlichen europäischen Wettbewerb Eurathlon messen sicht Konstrukteure unter realen Bedingungen.

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Löschroboter Strazakb (Foto: WAT)
Bild: WAT

Im Herbst 2013 trat am havarierten Kernkraftwerk in Fukushima Kühlwasser aus einem Auffangtank aus. So viel, dass die Strahlung in der Umgebung des Lecks für Menschen nach kurzer Zeit tödlich gewesen wäre. In solche Gefahrenbereiche dürfen natürlich keine Arbeiter mehr hinein.

Für Feuerwehrleute sind ähnliche Situationen fast Alltag: Bei Chemieunfällen können giftige Gase austreten; die meisten Todesopfer bei Bränden ersticken im Rauchgas; und finden Bauarbeiter eine verrostete Fliegerbombe aus dem zweiten Weltkrieg, riskiert mancher Bombenentschärfer sein Leben, wenn er versucht, den Zünder per Hand zu entfernen.

Besser ist es da schon, Roboter diese gefährlichen Arbeiten machen zu lassen. Aber können die das überhaupt? Um das herauszufinden, messen sich seit 2013 Konstukteure und Erfinder beim jährlich stattfindenden Roboterwettbewerb Eurathlon. Und für Abwechslung ist gesorgt: Ende September 2013 traten im bayerischen Berchtesgaden Landroboter gegeneinander an. 2014 werden sich im Italienischen La Spezia autonome U-Boote miteinander messen.

Orientieren bei schlechter Sicht

Beim ersten Eurathlon in Berchtesgaden hatten die Bewerber es jedenfalls nicht leicht: Die Roboter sollten in unbekannte Gebäude eindringen, Hindernisse - wie Treppen oder geschlossene Türen - überwinden, dort eine Gefahrenquelle identifizieren, vielleicht Opfer finden und innerhalb eines engen Zeitrahmens zurückkehren. Auch Sonderaufgaben, wie das Verschließen von Tankventilen oder Bergen von Chemiekanistern, gehörten zu den Aufgaben.

Roboter dreht ein Absperrventil einer Chemieanlage zu (Foto: DW/Fabian Schmidt)
Im Rahmen einer Übung dreht ein Roboter ein Absperrventil einer Chemieanlage zuBild: DW/F. Schmidt

"Man muss sehen, dass Dinge, die wir im Laufschritt nehmen, wie viele Treppen hintereinander, für Roboter immer noch schwierig technisch zu bewältigen sind", sagt Frank Schneider vom Fraunhofer-Institut für Informationstechnik und Ergonomie (FKIE): "Und auch für den, der es bedient, ist es extrem schwierig, weil er immer eine begrenzte Sicht durch die Kamera hat."

Schneider ist der Organisator des Eurathlon. Er hat die Aufgaben in enger Abstimmung mit Spezialisten der Feuerwehr und des Katastrophenschutzes entwickelt. Die Aufgaben sollen so nah an ein echtes Einsatz-Szenario herankommen wie möglich.

Heutzutage sind die meisten Roboter im Einsatz ferngesteuert, vor allem bei der Bombenentschärfung und beim Rückbau von Kernkraftwerken. Das geht auch gut, solange eine einwandfreie Funkverbindung zum Menschen besteht, der über Kameras erkennt, was der Roboter tut. Ist der Roboter aber einmal in einem Funkloch, wird es schwierig: Dann muss er selbst Entscheidungen treffen - auch in schwierigem Gelände.

Autonom fahren, ohne in die Schlucht zu stürzen

Auf solche Situationen ist Michael Himmelsbach von der Universität der Bundeswehr in München spezialisiert. Sein Team nimmt mit einem Geländewagen teil, der auf autonomes Fahren spezialisiert ist. Sein Roboter-Auto soll ganz alleine eine unwegsame kurvige Bergstraße herauf und wieder herunter fahren. Diese sogenannte Serpentinenstrecke sei für den Roboter gefährlich, sagt er, denn vor allem die abschüssige Seite sei mit den Sensoren schwer zu erfassen: "Da sieht der Roboter nichts. Da ist ein Loch", so Himmelsbach.

Steuerstand für ferngesteuertes Fahrzeug (Foto: DW/Fabian Schmidt)
Aus solch einem Steuerstand kann ein ferngesteuerter Geländewagen kontrolliert werdenBild: DW/Fabian Schmidt

Auch Marcin Gil von der polnischen Firma Robotics Inventions stellt sich dieser Aufgabe. "Ich glaube, wir können unterscheiden, wo die Straße ist, und wo das Unterholz oder der Wald", sagt er. Anders als das Team der Universität der Bundeswehr, das einen dreidimensionalen Laser nutzt, setzt Gil auf einen Laserscanner, der nur zwei Dimensionen erkennt. "Und wir nutzen auch GPS und eine Informationsverarbeitungseinheit, weil wir herausgefunden haben, dass GPS alleine nicht akkurat genug ist." Die Erfahrung hat auch Himmelsbach gemacht. "Unser Fahrzeug verlässt sich deshalb nahezu ausschließlich auf die eigene Wahrnehmung der Umgebung, so wie das ein menschlicher Fahrer auch tun würde", betont der Ingenieur.

Und wenn Rauch die Sicht behindert?

Draußen auf der Straße orientieren sich die Roboter also schon ganz gut. Aber was ist in geschlossenen Gebäuden, wenn es dunkel ist - oder sogar Rauch oder Nebel die Sicht versperrt? Dann können weder Laserscanner noch optische Kameras durchdringen.

Der Ingenieur Gil schickt seinen Roboter zwar nicht in den Rauch, kann sich für die Aufgabe als Lösung aber Ultraschallsensoren vorstellen. Wie beim Echolot eines Schiffes errechnen sie den Abstand von Hindernissen durch die Reflektion der Töne. So orientieren sich zum Beispiel auch Fledermäuse: "Die haben natürlich ein viel besser entwickeltes Organ. Sie können auch die Formen erkennen. Wir können nur durch eine Bewegung des Sensors eine Vorstellung davon bekommen, welche Größe und Form das Hindernis hat."

Das heißt, am anderen Ende muss immer noch ein Mensch sitzen und die Bilder interpretieren - einer wie Colin Weiss von der Firma European Logistic Partners. Er wagt sich auch in verrauchte Räume vor. Er hat für die Orientierung unter so schwierigen Bedingungen aber andere Lösungen auf Lager: "Wir nutzen einerseits Thermalkameras, die auch bei Nebel oder Rauch in der Lage sind, ein brauchbares Bild zu liefern. Andererseits verwenden wir dann ein Radar, welches es ermöglicht, die Umgebung zu erfassen."

Roboter PacBot (Foto: DW/Fabian Schmidt)
PacBot: Ein spezialisierter Roboter zum Umgang mit Gefahrenstoffen und verdächtigen ObjektenBild: DW/F. Schmidt

Sein PacBot, ein Katastrophenschutz-Roboter der Marke i-robot, ist wird zwar ferngesteuert, weiß sich aber zu helfen, falls der Kontakt zum Menschen einmal abbricht. "Der Bediener wird permanent mit den Bildern versorgt, die der Roboter liefert und interagiert mit dem Roboter. Aber das Fahrzeug ist auch teilautonom. Wenn es zum Beispiel umfällt, richtet es sich selbst wieder auf. Verlässt es den Funkbereich, kommt es von selbst wieder in den Funkbereich zurück."

Nah an der Realität

Juha Röning, Leiter der Abteilung für Computer- und Ingenieurwissenschaften an der Universität von Oulu weiß, dass die Wirklichkeit viele unerwartete Herausforderungen bereit hält. "Draußen gibt es allerhand Schwierigkeiten, die man drinnen oder in gestellten Situationen nicht hat. Zum Beispiel kann die Sonne mal sehr hell sein. Andererseits - ich komme aus Finnland - da kann es in der Nacht wiederum sehr dunkel sein."

Röning organisiert den Eurathlon-Wettbewerb mit. Für ihn geht es vor allem darum, dass die Entwickler sich in die Lage von Rettungskräften vor Ort versetzen. Roboter müssen ihnen dann schnell und zuverlässig helfen. Röning ist jedenfalls zuversichtlich, dass die Roboter die großen Herausforderungen und Probleme meistern können. "Darum geht es beim Wettbewerb: Rausgehen, in die echte Welt, und Probleme überwinden", betont er.

Das Ziel: Serienprodukte

Sein Partner Frank Schneider ist in Gedanken schon einen Schritt weiter. Sein Ziel: Es soll nicht bei Prototypen und Einzelanfertigungen bleiben, sondern die Industrie soll bald auch erschwingliche Roboter für Feuerwehr und Katastrophenschutz herstellen. Im Notfall könnten die dann auch in großer Zahl zur Verfügung stehen.

Nicht zuletzt sei das eine Lehre der Atomkatastrophe von Tschernobyl, wo viele Arbeiter tödlich verstrahlt wurden. "Das hat aber nicht dazu geführt, das man gesagt hat: Man muss an jedem Atomkraftwerk eigentlich drei solcher Dinger stehen haben. Die gibt es nicht, die Regel, und das finde ich schon ein bisschen skurril", meint Schneider.

Ein Ziel der Konstrukteure beim Eurathlon ist es deshalb auch, dass Lösungen der einzelnen Teams sich gut ergänzen. So können die Konstrukteure voneinander lernen. Wichtig auch: Dabei sollen verbindliche Industriestandards herauskommen. Denn nur so können Roboter für den Katastropheneinsatz irgendwann auch ein Serienprodukt werden.