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ROC-Team: Den Dopingverdacht im Gepäck

Stefan Nestler mit dpa, sid
30. Juli 2021

Nach dem zweiten Olympia-Gold für den russischen Schwimmer Jewgeni Rylow platzt US-Schwimmstar Ryan Murphy der Kragen. Das russische Team weist jeden Dopingverdacht zurück.

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Tokyo 2020 | Schwimmen: Ryan Murphy, USA & Evgeny Rylov, Russland
Mit einem gequälten Lächeln gratuliert Ryan Murphy (r.) dem Olympiasieger Jewgeni Rylow (l.)Bild: David Goldman/AP/picture alliance

Schlechter Verlierer oder berechtigter Frust? Nachdem er im olympischen Finale über 200 Meter Rücken als Zweiter hinter dem Russen Jewgeni Rylow angeschlagen hatte, legte US-Schwimmstar Ryan Murphy richtig los. "Ich schwimme in einem Rennen, das wahrscheinlich nicht sauber ist", sagte der 26-Jährige, der bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro dreimal Gold gewonnen hatte. Auf die Frage, ob das Finale fair gewesen sei, antwortete Murphy: "Ich habe etwa 15 Gedanken, 13 davon würden mir jede Menge Ärger einbringen." Später relativierte der US-Schwimmer seine Aussagen etwas, indem er lediglich erklärte: "Ich glaube, es gibt Doping im Schwimmen."

Bereits über 100 Meter Rücken am vergangenen Dienstag hatte Murphy gegen Rylow das Nachsehen gehabt, auch dessen russischer Landsmann Kliment Kolesnikow hatte noch vor dem US-Amerikaner angeschlagen. Doppelolympiasieger Rylow wollte sich nicht zu den indirekten Dopingvorwürfen gegen ihn äußern. Darauf angesprochen, antwortete der 24 Jahre alte Russe: "Ich war immer für saubere Wettkämpfe. Ich bin immer getestet worden." Rylow ist kein Überraschungssieger: Bei den Weltmeisterschaften 2017 in Budapest und 2019 in Gwangju gewann er jeweils den Titel über 200 Meter Rücken.

Tokyo 2020 | Medaillengewinner 200m Brustschwimmen-Schwimmen
Die Medaillengewinner über 200 Meter Rücken: Silber für Murphy (l.) , Gold für Rylow, Bronze für Greenbank (r.)Bild: Tetsu Joko/AP/picture alliance

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hatte Russland im Dezember 2019 für vier Jahre von den wichtigsten Sportereignissen der Welt ausgeschlossen. Der Grund: staatlich organisiertes, systematisches Doping in Russland. Ende 2020 hatte der Internationale Sportgerichtshof CAS jedoch die Sperre halbiert. Nach Tokio reisten 335 russische Sportlerinnen und Sportler, die als "neutrale" Startende unter dem Namen "Russisches Olympisches Komitee" (ROC) geführt werden. Statt der russischen Nationalhymne ertönt bei den Siegerehrungen das Klavierkonzert Nr. 1 von Peter Tschaikowsky - und das bisher schon recht häufig.

Bronze-Gewinner Greenbank: "Frustrierend"

Mit zehnmal Gold, 14-mal Silber und zehnmal Bronze belegt das ROC-Team nach sieben Wettkampftagen in der Nationenwertung den vierten Platz hinter China, Japan und den USA. Das nährt bei der Konkurrenz den Dopingverdacht gegen alle, die aus Russland kommen. "Als Sportler ist es natürlich frustrierend, wenn man weiß, dass es ein staatlich gefördertes Dopingprogramm gibt, und das Gefühl hat, dass vielleicht mehr dagegen getan werden könnte", sagte der britische Schwimmer Luke Greenbank, der hinter Rylow und Murphy Bronze über 200 Meter Rücken gewonnen hatte. 

Der Weltschwimmverband FINA hatte die russische Schwimmerin Veronika Andrussenko und deren Landsmann Alexander Kudaschew wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Bestimmung suspendiert. Kurz vor den Spielen hatte der CAS entschieden, dass beide in Tokio starten dürften, weil die vorgelegten Beweise der WADA nicht stichhaltig genug seien. 

"Kaputte Schallplatte"

"Die kaputte Schallplatte spielt wieder einmal das Lied über das russische Doping, und jemand drückt fleißig auf den Knopf der englischsprachigen Propaganda", twitterte jetzt das ROC. "Wie zermürbend unsere Siege für einige unserer Kollegen doch sind. Ja, wir sind hier, bei den Olympischen Spielen. Wir haben jedes Recht. Ob es jemandem gefällt oder nicht. Man muss auch mal verlieren können. Aber nicht jeder weiß, wie das geht."

Rückendeckung erhielten die Startenden aus Russland von Thomas Bach, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Das ROC zeige "vollen Respekt für die Sanktionen", so Bach. Die russischen Sportlerinnen und Sportler hätten sich "in allen Qualifikationen den entsprechenden Tests unterworfen - wie auch alle anderen Athleten, die hier teilnehmen. Deswegen haben sie den Anspruch, entsprechend behandelt zu werden."

Die Internationale Test-Agentur ITA hat nach eigenen Angaben seit Beginn der Spiele in Tokio bereits mehr als 3100 Dopingproben von mehr als 2200 Startenden genommen. In der Rangliste der meistkontrollierten Nationen taucht das ROC-Team auf Platz vier auf.

Bisher wurden lediglich die nigerianische Sprinterin Blessing Okagbare und der kenianische 100-Meter-Läufer Mark Odhiambo positiv getestet. Das muss allerdings nichts heißen. Dopingstrafen werden häufig erst Jahre nach den Vergehen verhängt. Dopingproben von Olympischen Spielen werden mittlerweile zehn Jahre lang aufbewahrt, um Dopingsünder unter Umständen auch später noch überführen zu können, wenn neue Analyse-Methoden zur Verfügung stehen.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter