Rumsfeld verabschiedet
15. Dezember 2006Rumsfelds Verabschiedung fand auf den Tag genau ein Jahr nach den ersten demokratischen Parlamentswahlen im Irak statt. Doch der Irak ist genau das Thema, an dem Rumsfeld scheiterte und das ihm so viele Kritiker einbrachte. Denn von einer Demokratie ist das Land mehr als weit entfernt.
US-Präsident George W. Bush würdigte Rumsfeld in Washington nichtsdestotrotz als einen Mann mit "enormem Können, mit strategischer Vision und einer großen Liebe für sein Land". Erstaunliche Worte für einen Verteidigungsminister, den der Präsident nach den Kongresswahlen selbst abgesetzt hatte.
Größter Fehler: Irakkrieg
"Rumsfelds größter Fehler war, in einen völkerrechtswidrigen Krieg zu gehen. Und der nächste Fehler war, sich in diesem Krieg so zu benehmen, dass Folter wieder erlaubt werden soll", sagt Wolfgang Kaleck, Bundesvorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV). Kaleck vertritt eine Gruppe ehemaliger Gefangener des US-Gefängnisses Abu Ghraib, die Donald Rumsfeld wegen Kriegsverbrechen bei der Bundesanwaltschaft verklagt haben.
Ende 2002 ordnete Rumsfeld besonders harte "Verhörmethoden" an. Dafür gehört er auf die Anklagebank, meinen Kaleck und seine Mandanten. "Die Art und Weise, wie irakische, afghanische oder andere muslimische Gefangene behandelt wurden, hat sich in das Gedächtnis der arabischen und der gesamten Welt eingebrannt. Damit müssen wir jetzt die nächsten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte leben", sagt Kaleck.
Offene Völkerrechtsmissachtung
Natürlich habe es schon immer Menschenrechtsverletzungen und auch Folter gegeben, an denen auch die USA direkt oder indirekt beteiligt gewesen seien, so Kaleck. Sie hätten dann immer versucht, dies zu leugnen oder die Schuld auf andere abzuwälzen, aber sie hätten nie international geltendes Recht an sich in Frage gestellt. "Das hat man jetzt das erste Mal getan. Man hat den Geltungsanspruch von internationalem Recht und Völkerrecht negiert."
Mit fatalen Folgen: "Jeder Dorfpolizist auf der ganzen Welt wird jetzt dieses Argument zu nutzen wissen, dass er im Namen der nationalen Sicherheit oder im Namen von irgendwelchen vaterländischen Werten foltern oder härter zupacken darf", sagt Kaleck.
Eher Manager als Militärstratege
Benjamin Schreer ist Mitglied der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und untersucht vor allem die Transformation der US-Streitkräfte. Auch für ihn ist Rumsfeld als Stratege gescheitert. Schreer macht drei schwere Versäumnisse seiner Amtszeit aus: "Er war mit hauptverantwortlich für die unzureichende Streitkräftestruktur, mit der die USA in den Irak einmarschiert sind - mit all den weitreichenden politischen und militärischen Folgen." Zweitens habe er zu einem ziemlich zerrütteten Verhältnis zwischen der politischen Führung des Verteidigungsministeriums und weiten Teilen des US-Militärs beigetragen. Und "drittens wurde während seiner Amtszeit auch das Verhältnis zwischen Außenministerium und dem Verteidigungsministerium schwer belastet, so dass eine koordinierte amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik eigentlich kaum noch möglich war", sagt Schreer.
Zu dieser Einsicht ist auch Rumsfeld gekommen: zwei Tage vor seiner Rücktrittserklärung Anfang November hat Donald Rumsfeld das Scheitern der bisherigen amerikanischen Strategie im Irak selbst eingeräumt und eine "größere Korrektur" vorgeschlagen. "Was die US-Truppen gegenwärtig im Irak machen, funktioniert eindeutig nicht gut oder nicht schnell genug", schrieb Rumsfeld in einem Geheimreport für das Weiße Haus, der der New York Times zugespielt wurde. In dem Memo empfiehlt Rumsfeld den "Beginn eines maßvollen Rückzugs."
Wechsel der Irakstrategie?
Dieser Strategiewechsel muss nun ohne Rumsfeld über die Bühne gehen. Wolfgang Kaleck hat wenig Hoffnung, dass sich unter dem neuen Verteidigungsminister Robert Gates viel ändern wird: "Der kommt aus derselben Administration und Funktionärsriege. Vielleicht ist er ein bisschen realistischer als Rumsfeld, aber ein großer Fortschritt ist in dieser Regierung wohl kaum zu erwarten. Wir können nur hoffen, dass es nicht noch schlimmer wird und es innerhalb der Amtszeit Bushs nicht noch weitere militärische Abenteuer gibt."
Benjamin Schreer von der SWP hat etwas mehr Hoffnung, was einen Wandel im US-Verteidigungsministerium angeht. "Ich denke, Gates wird viel mehr als Rumsfeld auf die militärische Führung im Pentagon zugehen und geneigt sein, den Wünschen beziehungsweise den Erwartungen der militärischen Führung mehr entgegenzukommen, die auch schon begonnen hat, auf eine Veränderung der Militärstrategie im Irak zu pochen."