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PolitikEuropa

Rumänien: Justizwesen vor EU-Gericht

18. Mai 2021

Zwischen 2017 und 2019 wurde das rumänische Justizwesen reformiert. Auf Kosten der Rechtsstaatlichkeit, sagen Kritiker. Richter und andere Justizvertreter haben sich an das oberste Gericht der EU gewandt.

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Justitia als Symbol der Rechtsprechung
Bild: picture-alliance/dpa/P. Endig

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sei ihr letzter Ausweg, um die Unabhängigkeit der rumänischen Gerichte zu retten, sagt der Vorsitzende der rumänischen Richtervereinigung, Dragos Calin. Calins Richtervereinigung wandte sich gemeinsam mit weiteren Vertretern des rumänischen Rechtswesens an den EuGH. Der Grund für die konzertierte Aktion der Richter: die rumänischen Justizreformen der Jahre 2017 bis 2019, unter der damals von der PSD (Sozialdemokratische Partei Rumäniens) geführten Regierung.

Mit diesen Justizreformen habe man versucht, die Kernaufgabe der Justiz, nämlich Recht zu sprechen, zu behindern, sagt Hartmut Rank, Leiter des Rechtsstaatsprogrammes Südost-Europa der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Einige Elemente dieser Reformen hat nun das höchste EU-Gericht überprüft.

Schutz korrupter Strukturen

Ein wesentlicher Punkt war die Einrichtung einer Sondereinheit der Staatsanwaltschaft für Ermittlungen gegen Justizpersonal, insbesondere was die Korruptionsbekämpfung angeht. Was sich eigentlich so anhört, als wäre es im Sinne des Schutzes des Rechtsstaates, hatte aber laut Calin genau den gegenteiligen Effekt. "In den Jahren von 2010 bis 2017 wurden mehr als 100 Richter und Staatsanwälte für Korruption verurteilt. In den Jahren 2017 bis 2019 - Niemand."

Richter Dragos Calin
Richter Dragos Calin bei den mündlichen Verhandlungen beim Gerichtshof der EU im Januar 2020Bild: Privat

2017 war die Einrichtung der Sondereinheit beschlossen worden. Laut Calin scheint dies nicht zur Verfolgung, sondern zum Schutz korrupter Strukturen im Justizwesen geschehen zu sein.

Hartmut Rank weist darauf hin, dass durch die Einrichtung dieser Behörde der Eindruck entstanden sei, "dass da eine Möglichkeit der Einflussnahme und auch des politischen Drucks entstanden ist."

Die europäischen Richter haben an diesem Dienstag unter anderem klargestellt, dass eine solche Sondereinheit Garantien brauche, dass diese Abteilung nicht "als ein Instrument zur politischen Kontrolle der Tätigkeit dieser Richter und Staatsanwälte verwendet wird".

Die endgültige Bewertung überlässt der EuGH dann allerdings den Richtern in Rumänien. Die Sondereinheit wurde von den inzwischen nicht mehr regierenden Sozialdemokraten eingeführt. Richtervertreter Calin zeigt sich zuversichtlich, dass sie abgeschafft wird. Laut Hartmut Rank hat die neue Regierung bereits ein bestehendes Gesetzesvorhaben in der Schublade. Er zeigt sich zuversichtlich, dass die entsprechende Änderung in Kürze erfolgt.

Ermittlungen gegen kritische Richter

Die rumänische Justizinspektion habe Ermittlungen gegen Richter und Staatsanwälte eingeleitet, die sich kritisch gegenüber den Reformen geäußert haben, berichtet Calin. Er selber sei auch unter Druck gesetzt worden.

Diese Justizinspektion sei, unter Verletzung des ordentlichen Verfahrens, mit einer Interimsleitung besetzt worden, sagt Rank. Auch in dem Zusammenhang führt der EuGH aus, dass dieses Amt nicht als Druck- oder politisches Kontrollmittel über Richter und Staatsanwälte verwendet werden darf und überlässt die weitere Prüfung den nationalen Gerichten.

Richter Hartmut Rank
Hartmut Rank: Urteil ein "wichtiges Signal" an RumänienBild: Privat

Der Vertreter des rumänischen Richterforums Calin zeigt sich erleichtert und hofft, dass damit die "Belästigung" aufhöre. Auch Südost-Europa Experte Rank meint, dass das Urteil einen großen positiven Beitrag zu notwendigen Änderungen des Justizapparates leisten werde.

Mit dem aktuellen Urteil stellte der Europäische Gerichtshof klar, dass sich Rumänien auch heute noch an den Zielvorgaben messen lassen muss, die bei seinem EU-Beitritt 2007 galten. Damals bemängelte die EU-Kommission Schwächen im Bereich der Effizienz und Rechenschaftspflicht der Justiz- und Verwaltungsbehörden.

Deshalb trug sie Rumänien unter anderem auf, weitere Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung zu ergreifen und überprüft das seitdem jährlich. Ein Auftrag, der laut EuGH auch heute noch gilt und nicht durch nationale Maßnahmen gefährdet werden dürfe. Das Urteil des EuGH wertet Rank als "wichtiges Signal"  an den Mitgliedstaat Rumänien.

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel