Affentheater - die Achenbach-Auktion
21. Juni 2015Markus Eisenbeis hält sich kerzengerade. Er gestikuliert, zeigt hierhin, weist dorthin. Er reckt das Kinn. Dann raunt er aufmunternd in sein Mikrofon: "Kein weiteres Gebot? Also zum Ersten, zum Zweiten und – zum Dritten!" Der rabenschwarze Hammer stößt herab auf das Holzpult. "Zuschlag für die Dame in Reihe fünf."
Die hohen, weißgetünchten Backsteinwände sind behangen mit Gemälden. Scheinwerfer richten sich auf den Auktionator. Auf seinem Podest thront er über den vollbesetzten Stuhlreihen wie ein Verkehrspolizist auf einer Straßenkreuzung. Die ehemalige Lagerhalle ist seine Arena. Es läuft seine Show, er ist der Animateur. Das Kunsthaus Van Ham versteigert die Insolvenzmasse von Helge Achenbach.
Hans-Günther Olpen winkt ab. Die Dame hat ihm den Bronze-Affen von Jörg Immendorff vor der Nase weggeschnappt. Zehntausend Euro, das Fünffache vom Schätzpreis, da musste er die Segel streichen. Er hat auf ein Schnäppchen gehofft, wie so viele. Jetzt bleibt ihm nur, den Preis in seinem Auktionskatalog zu notieren. "Für später", tröstet er sich, "falls das Kunstwerk noch mal irgendwo angeboten wird."
Verständnis für Achenbach
Helge Achenbach ist pleite und sitzt hinter Gittern. Im März hat ihn das Landgericht Essen wegen Betrugs zu sechs Jahren Haft verurteilt. "Achenbach hat sicherlich Fehler gemacht", räumt ein Mann ein, der namenlos bleiben möchte. "Aber müssen Superreiche, die mit Kunst noch reicher werden wollen, nicht auch damit rechnen, beschissen zu werden?"
Verwundert reibt sich Gerd Seifert die Augen. "Beachtlich" findet er, was der schillernde Kunstberater in seinem Kunstlager so alles zusammengetragen hat. Rund 2000 Gemälde, Skulpturen, Plastiken, Drucke und Fotografien kommen unter den Hammer. Die wertvollsten werden in Köln versteigert, darunter drei Werke von Gerhard Richter, ein Kissenbild von Gotthard Graubner und lebensgroße Affen von Jörg Immendorff. Vier Tage lang währte der Auktionsmarathon bei Van Ham. Es war die größte Versteigerung zeitgenössischer Kunst in Deutschland.
Superlative, die ihre Wirkung nicht verfehlen: Der Presserummel hat einen Sog ausgelöst. Neugierig und weil sie einmal echte Auktionsluft schnuppern wollte, ist Christel van Stigt gekommen. Die gebürtige Hamburgerin hält Ausschau nach Bildern mit Schiffsmotiven. Eine junge Frau aus Mexiko, die zur Art Basel in die Schweiz gereist ist, hat kurzerhand einen Abstecher nach Düsseldorf gemacht. "Vielleicht bekomme ich etwas Schönes!"
Dynamisches Bietergefecht
Auf die Leinwand springt das Bild einer weiteren Affenskulptur. Schätzpreis: 500 Euro, aktuelles Gebot 2000 Euro. Die erste Bieterkarte steigt auf. Dort reckt sich die zweite. Eine dritte folgt. Der Auktionator erhöht den Kaufbetrag in 500 Euro-Schritten. Ein Ruck geht durch die Sitzreihen. Eisenbeis legt sich ins Zeug. Jetzt steigen Telefon- und Onlinebieter ein. Junge Frauen an Telefonen und Computern, die entlang der Hallenwand sitzen, skandieren Geldbeträge. Der Auktionator ist in seinem Element. Er hebt die Stimme, fällt ins Stakkato. Plötzlich, mit einem jähen Schauern, erstirbt das Bietergefecht. Der Hammer fällt.
Einige schütteln verwirrt den Kopf. Nicht so Rüdiger Weiss. "Ich liebe diese Dynamik", schmunzelt er, "die Magie des Augenblicks." Dabei ist auch er längst ausgestiegen. Der Auktionspreis ist weit über den Marktpreis geklettert. Darauf sattelt das Auktionshaus noch ein 50-prozentiges Aufgeld, für Steuern und den eigenen Aufwand. Nicht nur im Saal sitzen viele Profis. Auch am Telefon und im Internet bieten Kunstsammler aus New York, Los Angeles, den Niederlanden und Belgien mit. Bisher ist kein Kunstwerk liegen geblieben. "Niemand kann sagen, wir würden die Preise kaputt machen!", betont Van Ham-Sprecherin Anne Srikiow. Bessere Presse hatte das Kunsthaus noch nie.
Schon am frühen Morgen hat sich vor dem Eingang der ehemaligen Lagerhalle eine lange Schlange gebildet. Sie will auch jetzt nicht kürzer werden. Gut für Nikolaj Backhaus, der hier seinen mobilen Kaffeestand betreibt. "Da sind Leute, die wissen nicht wohin mit ihrem Geld", wundert er sich über die illustren Auktionsbesucher, "andere können sich kaum den Katalog leisten, dafür schlägt ihr Herz für die Kunst!" Dabei wüssten viele der kaufkräftigen Bieter vielleicht schon in 20 Jahren nicht mehr, ob Immendorf sich mit einem oder mit zwei "m" schreibe. Ein Affentheater eben.