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Russisch-chinesische Show für multipolare Strategie

Ingo Mannteufel18. August 2005

Russland und China halten erstmals ein gemeinsames Manöver ab. Die Kriegsübung soll die Handlungsfähigkeit der beiden Nuklearmächte zeigen. Sie verdeutlicht aber auch die großen Ambitionen Chinas.

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Russland und China: auf der Suche nach neuen VerbündetenBild: AP

10.000 Soldaten - darunter rund 2000 Soldaten aus Russland - nehmen an der Militärübung teil. Das erste gemeinsame Manöver russischer und chinesische Streitkräfte (18. bis 25.8.2005) beginnt im russischen Wladiwostok und wird in der chinesischen Provinz Shandong sowie in den angrenzenden Gewässern fortgesetzt. Moskau und Peking möchten damit vor aller Welt unterstreichen, dass sie zu gemeinsamem Handeln fähig sind. Denn die einstigen Rivalen bemühen sich, ihre Beziehungen durch intensiven Handelsaustausch und eine politische Annäherung zu einer "strategischen Partnerschaft" auszubauen.

Chinesische Armee
Chinesische SoldatenBild: AP

Russland noch im Vorteil

Die Zusammenarbeit der zwei Nuklearmächte wird dadurch beflügelt, dass sich gegenwärtig noch beide Staaten für ihre Großmachtambitionen und ihre Doktrin der multipolaren Weltordnung brauchen. Das chinesische Militär ist fast ausschließlich auf russische Rüstungslieferungen angewiesen. Ebenso benötigt das erdölarme China russisches Öl. Präsident Putin erhofft sich von einer Annäherung an China die Zurückerlangung des russischen Großmachtstatus', und das ohne die demokratischen Verpflichtungen, die eine Partnerschaft mit dem Westen erfordern würde.

China und Russland sehen sich zudem sicherheitspolitisch sowohl von islamischem Terrorismus als auch von den USA und deren Strategie für den Mittleren und Nahen Osten ("Greater Middle East") bedroht. In diesem Kontext ist die so genannte Shanghai Cooperation Organisation (SCO) - Russland, China und vier zentralasiatische GUS-Staaten - zu sehen und eben auch das jetzige gemeinsame Manöver.

Taiwan oder Zentralasien?

Am Manöver nehmen nicht nur Angehörige der Luft- und Landstreitkräfte, sondern auch der Fallschirmjägertruppen und der Marine teil. Das legt den Verdacht nahe, dass sich die Militärübung indirekt gegen Taiwan richte. Zwar mag das in chinesischen Militärkreisen immer eine Rolle spielen. Doch das als "Friedensmission 2005" bezeichnete Manöver simuliert nach offizieller Lesart die Beilegung eines Konflikts in einem imaginären ausländischen Staat, in dem es im Kampf gegen Terroristen zu ethnischen Unruhen gekommen sei. Russische und chinesische Soldaten sollen dabei als fiktive UN-Friedenstruppe den Regionalkonflikt beilegen. Das Szenario weckt zu recht Assoziationen mit den Ereignissen in Usbekistan und Kirgisien in diesem Jahr: In Kirgisien führten gewalttätige Unruhen nach Wahlfälschungen zum Sturz des Präsidenten, im usbekischen Andischan wurde dagegen ein Aufstand von Regierungstruppen blutig niedergeschlagen.

Aufstand in Usbekistan blutig niedergeschlagen
Usbekistan, Mai 2005Bild: AP

Dass Russland seinen Einfluss in den asiatischen GUS-Republiken zur "strategischen Priorität" erklärt hat, ist weitgehend bekannt. Die Aufmerksamkeit Chinas für die Region sollte jedoch nicht weniger überraschen: Chinas Interesse gilt den dortigen Rohstoffvorkommen und möglichen Transportkorridoren nach China. Ebenso zielt China auf die Eindämmung des radikalen Islams, der Peking in Gestalt der separatistischen muslimischen Uiguren im Westen Chinas künftig stärker bedrohen könnte. Die chinesischen Bestrebungen, auch in Zentralasien machtpolitisch aufzutrumpfen, wurden beim letzten SOC-Treffen deutlich: Gemeinsam wurden die USA aufgefordert, ihre Truppen aus der Region abzuziehen. Zugleich bemüht sich China aber in Kirgisien selbst, eine Militärbasis zu errichten. Die chinesische Volksarmee hat dort bereits ihr erstes Manöver in einem postsowjetischen Staat durchgeführt.

Russland künftig nur Juniorpartner

Mit der gemeinsamen Kriegsübung demonstrieren somit Russland und China gegenüber der Welt - und insbesondere gegenüber den USA - ihre Fähigkeit zu Kooperation, vor allem im Hinblick auf Zentralasien. Im Vordergrund steht aber gegenwärtig noch mehr die Symbolik und weniger die tatsächliche militärische Kooperation, wie einige russische Experten meinen. Denn eine Grenze in der russisch-chinesischen Interessengemeinschaft ist nicht zu übersehen: Auch russischen Strategen dürfte mittelfristig klar werden, dass das wirtschaftlich potentere Reich der Mitte bald Russland auch militärisch überholen wird. Dann fiele Russland nur die Rolle eines chinesischen Juniorpartners zu, was den traditionellen Bestrebungen des Kremls zuwider liefe.