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Politik

Warum Russland Waffen nach Afrika exportiert

Tatiana Kondratenko
31. Mai 2020

Waffenexporte sind eine Schlüsselkomponente in Russlands Exportwirtschaft. In den letzten zwei Jahrzehnten hat Moskau seine Beziehungen zu Afrika vertieft und wurde zum größten Waffenlieferanten des Kontinents.

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Foto: Mann mit Waffe im Gegenlicht (Credit: John Moore/Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/J. Moore

Russlands staatlicher Waffenlieferant Rosoboronexport kündigte im April an, erstmalig Sturmboote an ein Land in Subsahara-Afrika zu liefern. Die Identität des Empfängers ist nicht öffentlich. Was bekannt ist: Nach 20 Jahren ist es der erste Exportvertrag für russische Marine-Endprodukte in diese Region. Auch wenn diese Nachricht vielleicht nicht viel internationale Aufmerksamkeit erregt hat, so passt dieses neue Geschäft doch in ein Muster: Russland arbeitet stetig daran, in Afrika Fuß zu fassen und seine Exportpartnerschaften für Waffen auf dem Kontinent zu erweitern. 

Einst ein Hauptlieferant während der Sowjet-Ära, nahm Russlands Rolle in Afrika nach dem Zusammenbruch der UdSSR ab. Doch seit dem Jahr 2000 ist Russland wieder auf dem Vormarsch: Innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte ist es dem Land gelungen, zum größten Waffenexporteur nach Afrika zu werden. Laut der Datenbank des Internationalen Friedensforschungsinstituts in Stockholm (SIPRI) entfallen derzeit 49 Prozent der gesamten Waffenexporte nach Afrika auf Russland.  

Seit dem Jahr 2000 sind die Waffenexporte Russlands nach Afrika erheblich gestiegen - vor allem durch zunehmend steigende Exporte nach Algerien.

Datenvisualisierung DE Waffenexporte nach Afrika 2000-2019

Russlands Fokus auf Afrika

Bis heute bleibt Algerien der größte Empfänger russischer Waffen in Afrika, gefolgt von Ägypten, Sudan und Angola. Laut Alexandra Kuimova, Forscherin in der SIPRI- Abteilung für Waffen- und Militärausgaben, ist die Zahl an afrikanischen Ländern, die Waffen aus Russland kaufen, in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Während um die Jahrtausendwende 16 afrikanische Länder russische Waffen gekauft haben, ist diese Zahl zwischen 2010 und 2019 auf 21 gestiegen.

Das ölreiche Angola steht seit 2015 auf der Empfängerliste russischer Waffen - hauptsächlich mit Kampfflugzeugen und Kampfhubschraubern. Die angolanische Regierung in Luanda unterhält seit langem enge Beziehungen zu Moskau, die bis in die UdSSR zurückreichen. Im Jahr 1996 erließ Russland Angola 70 Prozent seiner Schulden in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar (4,56 Milliarden Euro). Dies war hauptsächlich auf mehrere Exportkredite zurückzuführen, die die UdSSR Angola für den Kauf sowjetischer Waffen und militärischer Ausrüstung gewährt hatte. 

Im neuen Jahrtausend war Russland daher für Angola ein naheliegender Partner für den Abschluss neuer Waffengeschäfte: Innerhalb der letzten fünf Jahre ist Angola nach Algerien und Ägypten zum drittgrößten afrikanischen Kunden für russische Waffen aufgestiegen.

Die anderen Lieferanten Luandas sind Bulgarien, Weißrussland, Italien und China, aber ihr Anteil ist gering.

Ähnlich war die Situation mit Algerien, dem größten Importeur russischer Waffen auf dem afrikanischen Kontinent. Wegen der Beziehungen aus der Sowjet-Ära konnte Russland sich ein Monopol auf Waffengeschäfte sichern, und zudem erließ Moskau 2006 Algerien 5,7 Milliarden Dollar Schulden. In demselben Jahr unterzeichnete Algerien einen weiteren Deal, Russland Waffen im Wert von 7,5 Milliarden Dollar abzukaufen.

"Beamte in diesen Ländern betrachten haben Moskau ganz automatisch wegen der Verbindungen aus der Sowjet-Ära auf dem Schirm, und Moskau konnte seinen Einfluss aufrechterhalten. In einigen Fällen, wie in Algerien, geschieht dies durch Schuldenerlass; manchmal durch die Ankündigung, dass es Reparaturanlagen und Fertigungs- oder Wartungseinrichtungen bauen wird", sagt Paul Stronski, ein leitender Mitarbeiter des Russland- und Eurasien-Programms der Carnegie-Stiftung. 

Neue Märkte erschließen als Teil einer geopolitischen Vision

Russlands wachsendes Interesse in Afrika ist nicht nur durch wirtschaftlich begründet, sondern hat auch politische und strategische Motive. Russland sieht Afrika als potenziellen Schlüsselpartner in seiner Vision für eine mehrpolige Weltordnung.

"Weniger europäisch, weniger transatlantisch und stärker fokussiert auf aufstrebende Mächte und Regionen", sagt Stronski. Vor diesem Hintergrund habe Russland auch Verbindungen zu Ländern wie Simbabwe und Sudan etabliert, betont er.

Simbabwe steht seit den frühen 2000ern unter finanziellen Sanktionen des Westens. Unter dem ehemaligen Präsidenten, Robert Mugabe, war der Staat für Gewalt, Folterungen und Morden an den Gegnern des Präsidenten verantwortlich. Trotz der internationalen Verurteilung des Mugabe-Regimes blieb Russland auf der Seite Simbabwes: Gemeinsam mit China legte es 2008 sein Veto gegen die Resolution des UN-Sicherheitsrats für ein Waffenembargo ein und kritisierte die westlichen Sanktionen. Russland exportiert eine Reihe von Roh- und Fertigmaterialien nach Simbabwe, von Holz und Weizen über Düngemitteln bis hin zu Druckerzeugnissen, Eisenbahnwaggons und Elektronik. Russland wiederum importiert Kaffee und Tabak aus Simbabwe.

Russische Unternehmen sind auch an Diamanten- und Gold-Förderung im Land beteiligt. Nach Angaben von Gugu Dube, Forscher am Programm "Transnationale Bedrohungen und internationale Kriminalität" des Instituts für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria, hat Russland seine Aktivitäten im Abbau von Rohstoffen wie Coltan, Kobalt, Gold und Diamanten in mehreren anderen Ländern Afrikas ausgeweitet. In Simbabwe sind russische Unternehmen auch an einem Joint Venture des Darwendale-Projekts beteiligt - zum Abbau und der Verhüttung eines der weltweit größten Vorkommen von Platingruppenmetall - dessen Produktionsstart für 2021 geplant ist. 

Strategische Suche nach neuen Kooperationsmöglichkeiten

Russland richtete außerdem 2019 den ersten Russland-Afrika-Gipfel in Sotschi aus, um weitere Kooperationsmöglichkeiten auf dem ganzen Kontinent auszuloten. Während des Gipfels erklärte der russische Präsident Wladimir Putin, dass "die Stärkung der Beziehungen zu afrikanischen Ländern eine der Prioritäten der russischen Außenpolitik ist".

Russischer Hubschrauber des Types Mi-35P, ausgestellt beim ersten Russland-Afrika-Gipfel in Sotschi im Oktober 2019
Ein russischer Militärhubschrauber des Typs Mi-35P ausgestellt beim Afrika-Russland-Gipfel im Oktober 2019 in Sotschi.Bild: picture-alliance/dpa/Sputnik/E. Lyzlova

Im Mittelpunkt des Gipfels standen Waffengeschäfte. Afrikanische Delegierte wurden zu Ausstellungen russischer Waffen eingeladen: vom Unterschallstrahltriebwerk Yakovlev Yak-130, dem Pantsir-Raketensystem und den Tor-M2KM Boden-Luft-Raketensystemen bis hin zu kleineren Waffen, darunter eine neue Kalaschnikow AK-200 Sturmgewehr-Serie.

Diese Ausstellung zeigte, dass Russland nicht darauf abzielt, bahnbrechende neue Waffentechnologien anzubieten, sondern stattdessen auf die Verbesserung der am meisten nachgefragten Modelle setzt.

Infografik DE Häufigste bestellte Waffen aus Russland 2000-2019

Dazu gehören Flugzeuge, Raketen, Panzer, Luftabwehrsysteme und Artillerie. So kaufte beispielsweise allein Algerien von 2000 bis 2019 rund 200 Flugzeugteile von Russland, darunter Transporthubschrauber, Kampfhubschrauber und Bomber- und Kampfflugzeuge. Verschiedene Modelle von Boden-Luft-Flugkörpern (SAM), die zur Zerstörung von Flugzeugen oder anderen Raketen bestimmt sind, wurden aus Algerien (mehrere Bestellungen bis 2000-2019), Burkina Faso, Ägypten (mehrere Bestellungen), Äthiopien, Libyen und Marokko bestellt. Algerien bestellte auch Panzer (insgesamt mehr als 500 Stück), ebenso Uganda (67 Stück).

Billige Waffen - ohne Rückfragen

In den öffentlich zugänglichen Strategiedokumenten Russlands, z.B. seinem außenpolitischen Konzept oder seiner Verteidigungsdoktrin, werden afrikanische Staaten als zu einem instabilen Kontinent gehörend und angesichts der Aktivitäten terroristischer Gruppen, insbesondere in der nordafrikanischen Region, als internationale Bedrohung definiert. Solche Dokumente unterstreichen Russlands Ziele, die Interaktion mit Afrika auszuweiten, indem es vorteilhafte Handels- und Wirtschaftsbeziehungen entwickelt und regionale Konflikt- und Krisenprävention unterstützt. 

Diese anhaltende Instabilität bedeutet auch eine kontinuierliche Nachfrage für Waffen - und für Russland stellt Afrika einen wichtigen Markt dar - einen ohne Grenzen in Form von Wirtschaftssanktionen, die nach der Annexion der Krim aus dem Westen kamen. Afrika ist der Kontinent, auf dem Russland frei auf eines der Schlüsselelemente seiner Exporte drängen kann: Waffen. Der Waffenhandel macht 39 Prozent der Einnahmen der russischen Verteidigungsindustrie aus.

"Russische Waffen sind gut. Das ist allgemein anerkannt. Russische Waffen sind auch billiger. Es gibt keinen Grund, warum afrikanische Länder sie nicht kaufen wollen sollten", sagt Irina Filatowa, Geschichtsprofessorin an der Moskauer Hochschule für Wirtschaft und emeritierte Professorin der Universität KwaZulu-Natal, die sich auf russisch-afrikanische Geschichte und Beziehungen spezialisiert hat.

Im Vergleich zu anderen großen Akteuren werden bei Waffengeschäften mit Russland keine politischen oder menschenrechtlichen Bedingungen verlangt. In einigen Fällen ist es Russland gelungen, die Lücke zu schließen, die europäische oder amerikanische Lieferanten hinterlassen haben.

So wurden beispielsweise 2014 Regierungssoldaten in Nigeria im Kampf gegen Boko Haram Menschenrechtsverletzungen an Verdächtigen vorgeworfen. Danach sagten die USA eine Lieferung von Kampfhubschraubern ab, obwohl das Abkommen bereits unterzeichnet war. In demselben Jahr bestellte Nigeria sechs Mi-35M-Kampfhubschrauber aus Russland.

Ägypten ist ein ähnlicher Fall: Nach einem Militärputsch im Jahr 2013 begannen die USA, die Militärhilfe und Waffenlieferungen an das Land zu kürzen. Damit bot sich Russland (neben Frankreich, als weiterem führenden Waffenexporteur) eine gute Gelegenheit: Moskau intensivierte rasch die Waffenlieferungen nach Ägypten. Von 2009 bis 2018 entfielen 31 Prozent der ägyptischen Importe von Großwaffen auf Russland.

Ägypten Kairo Putin und al-Sisi Gastgeschenk Kalaschnikow
Bei einem Staatsbesuch im Februar 2015 übergibt Russlands Präsident Vladimir Putin (2. von rechts) ein Kalaschnikow-Gewehr als Gastgeschenk an den ägyptischen Präsidentenal-Sisi (links).Bild: picture-alliance/Egyptian Presidency/Handout

Laut Kuimova verlaufen Waffengeschäfte mit Russland im Allgemeinen schnell. Wenn ein bestimmtes Land sofort Waffen braucht und Russland sie hat, kann Russland liefern. Was sich ebenfalls zu seinen Gunsten auswirkt, ist der fehlende Druck lokaler zivilgesellschaftlicher Gruppen, Waffenverkäufe nachzuverfolgen.

Russlands Verteidigungsindustrie ist sehr verschlossen; das Gesetz verpflichtet Unternehmen nicht dazu, über Waffenexporte als solche zu berichten, und normalerweise fallen diese Informationen unter die Geheimhaltungsgesetze des Staates. Ein allgemeiner Mangel an Daten und Transparenz hat zu einer Situation geführt, in der zivilgesellschaftliche Gruppen zur Überwachung des Waffenhandels einfach nicht existieren.

Konkurrenz für Russland? Wachsendes Potenzial chinesischer Waffen 

Vorerst scheint Russland seine Märkte für Waffen in Afrika gesichert zu haben. Experten sehen jedoch das Potenzial für China, ein größerer Akteur für Waffenlieferungen in Afrika zu werden. Derzeit entfallen auf China nur 13 Prozent der Waffenexporte auf den Kontinent. 

"China hat die Qualität und Quantität dessen, was es verkauft, verbessert. Sie stellen auch russische Waffen nach dem Reverse-Engineering-Prinzip her. Seit 2014 teilt Russland sensible Militärtechnologie mit China als Teil der sich vertiefenden Beziehungen mit dem Land", sagte Stronski. 

Kuimova fügt hinzu, dass China heute in der Lage sei, alle Arten von Waffen zu produzieren und anzubieten. "China wächst generell als Waffenexporteur und zeigt ähnliche Muster wie Russland, wenn es darum geht, Waffen mit weniger politischen Bedingungen zu liefern", erklärt sie. 

Die Forscherin Filatowa sieht China jedoch nicht als Bedrohung für Russland als Waffenlieferanten in Afrika - ihrer Meinung nach werden die Hauptkonkurrenten für russische Waffen die gleichen bleiben: die USA und Frankreich. Sie definiert Chinas Interesse an Afrika als überwiegend wirtschaftlich und sagt, dass "Russlands Konkurrenz in Afrika in dieser Hinsicht bereits verloren ist" - weil Russland wirtschaftlich nicht in der Lage sei, das anzubieten, was China anbieten könne. Moskau konzentriert sich stattdessen auf den Export von natürlichen Rohstoffen und den Abschluss von Waffengeschäften. Für Waffenimporteure ist der Wechsel zu anderen Lieferanten kostspielig, so dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass Russland neue Geschäfte mit seinen Waffenkäufern bis weit in die Zukunft hinein sichern kann.