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Russland nach Beslan

9. September 2004

Nach dem blutigen Ende des Geiseldramas in Nord-Ossetien hat sich Russland vorbehalten, Präventivangriffe auf Terrorstützpunkte zu unternehmen. Weitere Konsequenzen sollen folgen.

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Im Visier des Kreml: der tschetschenische Präsident Aslan MaschadowBild: dpa


"Wir werden alles unternehmen, um Terrorstützpunkte in jeder Gegend auszulöschen", sagte Juri Balujewski, Generalstabschef der russischen Armee, laut Interfax. Anders als zunächst von der Agentur gemeldet, bezog sich Balujewski dabei nur auf die Regionen um Russland wie den Kaukasus und Mittelasien. Den Einsatz von Atomwaffen schloss er bei solchen Einsätzen aus.

Jack Straw äußert "Verständnis"

Die Europäische Union spielte Balujewskis Äußerungen herunter. Eine Sprecherin sagte in Brüssel, der Ankündigung wäre mehr Gewicht beizumessen, wenn Präsident Putin sie gemacht hätte. Ein russischer Verteidigungsexperte nannte die Drohung "Unsinn". "Wir müssen wissen, wo sich die Terroristen verstecken, bevor wir Angriffe planen können, und wir haben dies seit zehn Jahren nicht geschafft", sagte Leonid Iwaschow dem Radiosender Moskauer Echo. Unterdessen hat der britische Außenminister Jack Straw die Erwägungen Russlands zu Präventivangriffen im Ausland gegen mutmaßliche Terroristenstützpunkte als "verständlich" bezeichnet.

Sie verstießen nicht gegen internationales Recht, sagte Straw in London. Gemäß der UN-Bestimmungen hätten Staaten nicht nur das Recht auf Selbstverteidigung, sondern bei einer "unmittelbaren oder wahrscheinlichen Terrorgefahr" auch das Recht auf die "Ergreifung geeigneter Maßnahmen". Tschetschenische Rebellen fassten die Ankündigung als Drohung gegen in Europa lebende Exil-Tschetschenen auf. "Ich schließe nicht aus, dass sie das, was sie in Katar getan haben, auch in europäischen Ländern versuchen", sagte ein Sprecher Maschadows in London. Auch die USA hatten nach Anschlägen auf US-Einrichtungen Ziele im Ausland angegriffen. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 waren sie zudem zunächst in Afghanistan und später im Irak einmarschiert.

Kopfgeld auf die mutmaßlichen Drahtzieher

Auf der Suche nach den Hintermännern der Geiselnahme in Beslan haben die russischen Behörden auf die zwei wichtigsten tschetschenischen Rebellenführer Kopfgelder in Millionenhöhe ausgesetzt. Für Hinweise, die zur "Ausschaltung" von Aslan Maschadow und Schamil Bassajew führen, zahlt der russische Geheimdienst FSB 300 Millionen Rubel (rund 8,3 Millionen Euro), wie die Nachrichtenagentur Interfax am Mittwoch meldete. Die russischen Behörden betrachten Maschadow und Bassajew als Drahtzieher der Geiselnahme in Beslan. Telefonstellen in Moskau und Tschetschenien nähmen Hinweise zu dem Aufenthalt beider Männer rund um die Uhr entgegen, meldete Interfax. Etwaigen Informanten werde Anonymität und Schutz garantiert.

Anders als bei früheren Anschlägen hat sich Bassajew bislang nicht zu der Tat bekannt; auf seinen Kopf war bereits eine Belohnung von umgerechnet rund 828.000 Euro ausgesetzt. Der frühere tschetschenische Präsident Maschadow wies wie auch in der Vergangenheit jede Beteiligung an den jüngsten Terrorattacken in Russland von sich. Nordossetiens Präsident Alexander Dsasochow kündigte den Rücktritt seiner Regierung an. Ob er selbst auch sein Amt niederlegen wird, ließ er offen. Viele Landsleute werfen Dsasochow Versagen bei der Geiselnahme vor, bei der nach amtlichen Angaben mindestens 336 Geiseln starben.

Erste Konkreta

Die Ermittler hätten bislang zwölf der Geiselnehmer von Beslan identifiziert, sagte der stellvertretende russische Generalstaatsanwalt Sergej Fridinski laut Interfax. Einige der Täter waren demnach schon im Juni in die Angriffe in Inguschetien und Nordossetien verwickelt, bei denen Dutzende Menschen starben. Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow bestätigte in einem Bericht an Präsident Wladimir Putin, dass die Erstürmung der Schule durch Sicherheitskräfte nicht geplant war. Demnach bestand das Kommando aus "rund 30 Geiselnehmern, darunter zwei Frauen".

Einer von ihnen sei festgenommen, die übrigen getötet worden. Nach einem am Dienstagabend ausgestrahlten Video, das die Geiselnehmer offenbar kurz nach der Besetzung der Schule aufgenommen hatten, verurteilte Großbritanniens Premierminister Tony Blair deren "Barbarei". In dem vom russischen Nachrichtensender NTW ausgestrahlten Video waren hunderte Kinder und Erwachsene zusammengepfercht auf dem Boden der Schulturnhalle zu sehen, während die Geiselnehmer den Raum mit Sprengsätzen spickten. (arn)