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Politik

Russland: Reformen im Eiltempo

Emily Sherwin mir
23. Januar 2020

Letzte Woche schlug Wladimir Putin umfassende Änderungen der russischen Verfassung vor. Nun hat die Duma in erster Lesung für die Reformen gestimmt. Experten bezeichnen das rasche Vorgehen als "Nacht-und-Nebel-Aktion".

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Russland Moskau | Wladimir Putin, Präsident | Rede zur Lage der Nation
Bild: picture-alliance/dpa/Tass/M. Metzel

Es ist erst eine Woche her, dass der russische Präsident mögliche Änderungen an der russischen Verfassung auf den Plan brachte. Diese könnten nach Ansicht von Experten Wladimir Putins eigene politische Zukunft sichern. Denn der Kremlchef kann nach den derzeitigen Regeln nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren.

Die vorgeschlagene Verfassungsreform räumt den beiden Kammern des Parlaments mehr Macht ein und schwächt damit das Amt des Präsidenten. Auch die Rolle des Staatsrats soll sich ändern. Bisher fungierte dieser als ein beratendes Gremium, das sich aus Gouverneuren und den Regierungen der Regionen zusammensetzt. Nun soll er als ein neues Organ in der Verfassung verankert werden. Dabei ist noch unklar, welche Funktion der Staatsrat haben wird.

Putin sagte in einer Rede, dass es "eine möglichst breite öffentliche Debatte" über die vorgeschlagenen Änderungen geben soll. Es ist auch eine Abstimmung geplant.

Moskau: Arbeitsgruppe zur Verfassungsänderung
Arbeitsgruppe zur Verfassungsänderung: "An Formulierungen gefeilt"Bild: DW/E. Barysheva

Kurz nach Putins Rede am 15. Januar traf sich eine Arbeitsgruppe, um über die Reformen zu beraten. Und schon am Montag legte Putin der Duma, Russlands Unterhaus, einen fertigen Gesetzentwurf vor. Die Duma stimmte am Donnerstag mit großer Mehrheit für den Entwurf und wird das Gesetz voraussichtlich im Februar in zweiter Lesung verabschieden. Bis jetzt haben sich drei der vier Fraktionschefs im Parlament für den Entwurf ausgesprochen.

Auf die Frage, warum Putin es so eilig habe mit der Verfassungsänderung, sagte sein Sprecher Dmitri Peskow, die Vorhaben des Präsidenten hätten immer Priorität. Obwohl Peskow nicht genau sagen konnte, wann alle Änderungen verabschiedet sein werden, sagte er, dass "wir sie natürlich nicht auf die lange Bank schieben."

Ist der Deal schon gelaufen?

Tatsächlich stellte sich heraus, dass viele der Reformen bereits von Putins Präsidialverwaltung fertiggestellt worden waren, bevor er sie selbst in seiner Rede ankündigte. Die Arbeitsgruppe gab in dieser Woche zu, dass sie lediglich "an den Formulierungen gefeilt" und "die vom Präsidenten dargelegten Hauptlinien weiterentwickelt" hätte.

Der unabhängige Politikwissenschaftler Abbas Gallyamow sagte der DW, dass der "Kreml die Vorschläge letztlich selbst vorbereitet hat und niemandem erlauben wird, sie zu ändern." Alexander Pozhalov, Direktor am russischen Institut für sozioökonomische und politische Forschung, teilt diese Einschätzung. Er glaubt, dass die Duma wahrscheinlich nur kleine "individuelle Änderungen innerhalb der angekündigten Reformen" durchsetzen wird.

Welche Macht hat das russische Volk?

Nach Medienberichten will der Kreml schon im April über die Verfassungsreformen öffentlich abstimmen lassen. Abbas Gallyamov hält die geplante Abstimmung für Augenwischerei. Sie soll der Öffentlichkeit ein Gefühl von politischer Teilhabe vermitteln, ohne den Wählern wirklich Macht einzuräumen. Die Menschen haben derzeit ein starkes Bedürfnis nach "Mitbestimmung an politischen Entscheidungsprozessen", so Gallyamov. "Und der Kreml versucht, [diese Forderung] zu erfüllen."

"Änderung der Verfassung" - Der russische Karikaturist Sergey Elkin nimmt die geplanten Reformen aufs Korn
"Änderung der Verfassung" - Der russische Karikaturist Sergey Elkin nimmt die geplanten Reformen aufs Korn

Laut einer Umfrage des staatlichen Meinungsforschungsinstituts FOM sprachen sich Ende letzten Jahres 68 Prozent der Russen für eine Änderung der Verfassung aus, die nach Ansicht vieler nicht mehr auf dem neusten Stand ist.

Wozu die Eile?

In den russischen Medien wurde Putins angestrebte Verfassungsreform wiederholt als "Nacht-und-Nebel-Aktion" bezeichnet. Analysten zufolge könnte das Drängen des Kremls ein Zeichen von Angst sein. Putin mag eine breite gesellschaftliche Debatte über die Verfassungsänderung fordern, aber seine Regierung will das "dringend" verhindern, erklärte Gallyamov. Denn die Vorschläge der Menschen könnten "das ganze System in Stücke sprengen".

Der Präsident erinnere sich gut an die "Fehler seiner Vorgänger", so Gallyamov. Ein Beispiel sei die Perestroika - ein breit angelegtes Programm politischer und wirtschaftlicher Reformen und Liberalisierungen. Das Programm wurde Ende der 1980er Jahre eingeführt und führte, wie manche behaupten, letztlich zum Zerfall der UdSSR.

Aber der Kreml könnte auch schnell handeln, um zu verhindern, dass die herrschenden Eliten Russlands auf komische Ideen kommen, so der Politologe Alexander Pozhalov. Putins Vorschläge führten unweigerlich zu Rissen im System, und verschiedene politische Gruppen könnten versuchen, auf mehr Macht zu drängen. "Je länger die Reformen zur Diskussion stehen, desto wahrscheinlicher ist es, dass es Druck auf den Präsidenten oder interne Konflikte geben wird, um [die Reformen] zu ändern oder zu blockieren", sagte er der DW.

Und was wird aus Putin?

Der Kreml drängt auf Veränderungen und will die Situation gleichzeitig fest im Griff haben. Laut Verfassung kann Putin 2024 nicht zum dritten Mal in Folge Präsident werden.

Wladimir Putins Rede zur Lage der Nation
Präsident Wladimir Putin kann nach der jetzigen Verfassung kein drittes Mal kandidierenBild: picture-alliance/Russian Look/Kremlin

Im Jahr 2008 umging er diese Regel, indem er für eine Amtszeit Premierminister wurde und 2012 in das Präsidentenamt zurückkehrte. Analysten sagen, dass er diesmal als Vorsitzender des Staatsrates an der Macht bleiben könnte. Das Gremium soll in die Verfassung aufgenommen werden und könnte an Einfluss gewinnen. Eine andere Möglichkeit ist, dass Putin eine Rolle in einem gestärkten Parlament oder im russischen Sicherheitsrat übernimmt. Er könnte auch wieder Premierminister werden.

Laut Pozhalov wird Putin definitiv bis 2024 im Amt bleiben. Das gibt ihm Zeit, um "selbst einzuschätzen", wie sich seine Verfassungsänderungen in der Praxis auswirken und sie gegebenenfalls "zu korrigieren". Was die Zukunft betrifft, so glaubt Pozhalov, dass Putin sich alle Optionen offen hält. "Eile ist gut, aber es hat keinen Sinn, die Bandbreite der Möglichkeiten zu früh einzuschränken."