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Russland, Syrien und die arabischen Medien

Kersten Knipp7. Oktober 2015

Die russische Intervention in Syrien wird auch in den arabischen Medien intensiv diskutiert. Dort wird vor möglichen Folgen von Putins Plänen gewarnt. Sie könnten weit über die syrischen Grenzen hinausreichen.

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Ein russischer Kampfjet auf dem Flughafen von Heymim, 05.10.2015 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters//Ministry of Defence of the Russian Federation

Flugzeuge, mutmaßlich in Kürze kampfbereite Bodentruppen, Raketen aus dem Kaspischen Meer: Russland unterstützt das Assad-Regime nach allen Kräften. Ob das aber dazu beitragen wird, Syrien zu befrieden? Sicher sei das nicht, so der Fernsehsender "Al-Arabyia", im Gegenteil: Russland könnte sich an Syrien die Zähne ausbeißen. "Ganz unabhängig von allen Aufrufen zum Dschihad werden die Russen in Syrien verlieren - so wie dort bereits die Hisbollah und die Iraner gescheitert sind." Selbst der massivste Einsatz, so A"l-Arabiya" weiter, könne an einem Umstand nichts ändern: "Die Russen versuchen, ein Regime am Rande des Zusammenbruchs zu retten."

Selbst wenn Assad politisch überleben würde, sei ungewiss, wie es mit Russland weitergehe, schreibt die Zeitung "Al Hayat". Dass sich die Situation zum Besseren wenden könnte, bezweifelt sie. Darum schenkt sie auch den russischen Beteuerungen keinen Glauben. "Die Russen behaupten, sie wollten es nicht zulassen, dass Syrien ein zweites Libyen werde - als ob die Situation in Syrien nur einen Deut besser als in Libyen wäre."

Erinnerungen an den Tschetschenienkrieg

Besser wird die Lage absehbar auch nicht werden, erwartet die Website "Al Araby al-Jadeed". Sie erinnert an den zweiten Tschetschenienkrieg, in dem Putin die Bevölkerung der Stadt Grosny geradezu "dezimiert" habe. "Und heute lässt Putin dieselbe Mentalität in Syrien erkennen." Diese Mentalität zerstöre nicht nur Syrien, sondern habe viel weiter reichende Auswirkungen: "Durch die Intervention bringt Russland nicht nur die Syrer gegen sich auf. Sie werden Russland fortan als Feind betrachten. Auch die arabische und islamische Welt wird sich gegen Russland wenden - genauso, wie sie es schon während des Krieges in Afghanistan tat."

Kampfbereit: Ein russischer Flugzeug wird mit einer Rakete bestückt, 03.10.2015 (Foto: AP)
Einsatzbereit: Ein russischer Kampfjet in SyrienBild: picture-alliance/AP Photo/A. Kots

Mit der Intervention habe sich Russland auch um seine Vermittler-Rolle gebracht. "Doch es gibt auch keine Vermittlung mehr, denn durch seine Intervention hat Russland die Genfer Friedensverhandlungen unter die Erde gebracht."

Russland hat die Situation in Syrien noch komplizierter werden lassen als sie ohnehin schon ist, ist auch die Zeitung "Sharq al-Awsat" überzeugt. Die Intervention lasse "jegliche überzeugende Überlegung" vermissen. Hilflos sei die übrige Welt allerdings nicht, schreibt die Zeitung - und empfiehlt die Einrichtung von Flugverbotszonen. Dabei sieht sie vor allem die USA in der Pflicht: "Daran mitzuwirken, wäre das Mindeste, was die USA – bis vor kurzem die bedeutendste Supermacht der Welt – tun könnten. Das würde auch dazu beitragen, das zu retten, was von Amerikas internationalem Ansehen nach seiner furchtbaren Passivität in Syrien übrig geblieben ist."

Gefahr eines regionalen Stellvertreterkriegs

Das sollten die USA auch darum tun, weil der Irak zunehmend die Nähe zu Russland suche, schreibt die Zeitung "Al Quds al-Arabi". Sie warnt aber auch, dass der Prozess dadurch noch komplizierter werden könnte. Es bestehe nämlich die Gefahr, dass der Konflikt immer größere Dimensionen annehme. Denn nach Syrien könnten die USA und Russland auch in anderen Ländern, etwa dem Jemen, aneinander geraten. Das Engagement der beiden Großmächte sei darum alles andere als positiv: "Die amerikanische und die russische Präsenz werden der Region weiter Sorgen bereiten – auch wenn sie die Zukunft der Region nur bedingt beeinflussen wird. Wohl aber wird sie dazu beitragen, eine Lösung noch schwieriger zu machen."

Die wesentliche Gefahr gehe aber von Russland aus, schreibt "Al Hayat". Dies sei umso besorgniserregender, als Russland kaum mehr über politische Optionen verfüge: "Entweder wird sich Russland des Risikos bewusst, das mit der Strategie verbunden ist, sich an einen einzigen Mann zu ketten und ein ganzes Land zu opfern. Oder es wird eines Tages bemerken, dass es in einer Falle sitzt, die es sich selbst gestellt hat – nämlich inmitten eines Bürgerkrieges und in direktem Krieg mit Dschihadisten, wie es sie bereits aus Afghanistan kennt."

In diesem Krieg, ist die saudische Zeitung "Al Watan" überzeugt, gehe es vor allem um den konfessionellen Charakter Syriens. Denn das Land gerate nun mehr und mehr auch unter den Einfluss von Iran, Russlands wichtigstem Partner in der Region. Auf diese Weise, fürchtet "Al Watan", werde Iran auch das Schiitentum in dem mehrheitlich von Sunniten bewohnten Land verbreiten. "Darum sollte man nicht überrascht sein, wenn sich die demographische und konfessionelle Struktur des Landes nach den Vorstellung der neuen Kolonialmacht Iran richtet."

Baschar al-Assad bei einem Truppenbesuch, 31.12.2014 (Foto: SANA)
Herr über "Alawistan": Baschar al-Assad, hier bei einem TruppenbesuchBild: picture-alliance/AP Photo

Ein Rumpfstaat am Mittelmeer

Das es so kommen wird, bezweifelt das mit der politischen Entwicklung des Nahen Ostens befasste Internet-Magazin "Al Monitor". Syrien sei kein zusammenhängender Staat mehr, sondern längst zerfallen. "Putin versucht einen alawitischen Ministaat an der Mittelmeerküste zu retten, und kein ganzes Land. Das Alawistan, das ihm vor Augen schwebt, wird eine Enklave mit Verbindungen nach Damaskus und Aleppo, vom Rest des Land aber isoliert sein." Doch selbst um diesen kleinen Teil zu verteidigen, werde man um eine Bodenoffensive nicht herumkommen. Das aber werde Saudi-Arabien kaum zulassen. Die Gewalt in Syrien, warnt darum "Al Arabiya", könnte sich zu einem Flächenbrand entwickeln.