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PolitikSao Tome und Principe

Russland und lusophone Staaten Afrikas nähern sich an

Antonio Cascais
18. Mai 2024

Immer unverblümter versucht Russland neben frankophonen Ländern auch portugiesisch-sprachige Länder Afrikas an sich zu binden - vor allem militärisch. Zum Unbehagen Portugals und des Westens.

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Treffen wladimir Putin und Filipe Nyusi beim Russland-Afrika Gipfel
Immer wieder trifft sich Russlands Präsident Wladimir Putin mit afrikanischen Staats- und Regierungschefs, wie hier 2023 mit Mosambiks Präsidenten Filipe NyusiBild: Alexei Danichev/REUTERS

Eine Nachricht aus Russland löste zuletzt große Beunruhigung in Portugal aus: Russland und São Tomé und Príncipe haben in Sankt Petersburg ein unbefristetes Militärabkommen unterzeichnet, meldete die portugiesische Nachrichtenagentur Lusa mit Bezug auf die staatliche russische Nachrichtenagentur Sputnik. Wenige Tage später, seit dem 5. Mai, wird es demnach umgesetzt. Das Abkommen sehe militärische Ausbildung, die Lieferung von Waffen, gemeinsame Manöver sowie Besuche von russischen Flugzeugen, Kriegsschiffen und anderen Schiffen bei dem westafrikanischen Archipel vor. Auch der Austausch von geheimdienstlichen Informationen sei vorgesehen, hieß es.

Ein Fischerboot auf dem Wasser vor einer Insel
São Tomé und Príncipe ist, nach den Seychellen, das zweitkleinste Land AfrikasBild: Addventure Photo/Addictive Stock/IMAGO

Somit haben inzwischen alle sechs CPLP-Mitgliedsstaaten in Afrika Militärabkommen mit Russland unterzeichnet. Erste Kontakte entstanden noch zu Sowjetzeiten, als Befreiungsorganisationen in den lusophonen Ländern, die gegen das portugiesische Kolonialregime kämpften, politisch und militärisch von Moskau unterstützt wurden. Nach dem Ende der Sowjetunion wurden die Beziehungen mit Russland fortgesetzt. In den vergangenen Jahren versuchte Moskau diese Verbindungen zu intensivieren.

Streit innerhalb der Lusophonie

In der Gemeinschaft der portugiesisch-sprachigen Länder, CPLP, schwelt bereits seit Längerem ein diskreter, aber intensiver Streit um die Positionierung zu Russlands Krieg in der Ukraine. Sechs der neun Vollmitglieder kommen aus Afrika. Nur zwei von ihnen, Kap Verde und São Tomé und Príncipe, verurteilten Russlands Angriffskrieg in Resolutionen der UN-Vollversammlung. Angola und Guinea-Bissau verurteilten 2022 immerhin Russlands Referenden zur Annexion ostukrainischer Gebieten als illegal. Doch ansonsten ist das Bild in der CPLP sehr durchmischt: Portugal, Brasilien, Osttimor und Kap Verde schlossen sich fast jeder der sechs Resolutionen der UN-Dringlichkeitssitzung zu dem Konflikt an. Die anderen lusophonen Staaten in Afrika enthielten sich überwiegend oder nahmen gar nicht erst an den Abstimmungen teil.

"Die CPLP, immer auf Ausgleich bedacht, versuchte lange diesen Riss zu übertünchen, der durch die Organisation geht. Doch jetzt - mit diesem Abkommen - ist der Konflikt deutlich sichtbar geworden", sagt der portugiesisch-são-toméische Journalist João Carlos, der für die DW aus Lissabon berichtet. Für die CPLP sei das eine sehr sensible Frage. Es werde klar, dass es in der lusophonen Welt - jenseits von kulturellen und sprachlichen Gemeinsamkeiten - auch handfeste Konflikte gebe. Das zu akzeptieren, sei für die Organisation nicht so einfach, sagt João Carlos, da die Vertreter stets um Harmonie und Ausgleich bemüht seien.

Wie positioniert sich die CPLP zum Abkommen?

Der aktuelle Exekutivsekretär der CPLP erfuhr von dem Militärabkommen ausgerechnet während eines Besuchs in São Tomé. Auf Journalisten-Anfragen erklärte Zacarias da Costa, Diplomat aus Osttimor, dass man das russisch-são-toméische Militärabkommen nicht "dramatisieren" dürfe. "Die CPLP bin nicht ich, die CPLP sind alle neun Länder, die diese Gemeinschaft bilden. Wir müssen diese souveräne Entscheidung von São Tomé und Príncipe respektieren." 

Auch der Ministerpräsident von Kap Verde, Ulisses Correia e Silva, betonte die Unabhängigkeit der Mitgliedsländer. "Es wäre gut, wenn es in der CPLP eine gemeinsame Position, zum Beispiel in Bezug auf Russland, gäbe, aber das ist nicht das Hauptziel der CPLP."

Carlos Vila Nova und Zacarias da Costa
Carlos Vila Nova, Präsident von São Tomé und Príncipe, und Zacarias da Costa, Exekutivsekretär der CPLP (rechts) trafen sich im Dezember 2023 in LissabonBild: João Carlos/DW

Portugal: Befremdung, Besorgnis, Ratlosigkeit

Ganz anders äußerte sich der portugiesische Außenminister Paulo Rangel, der die "Befremdung, Besorgnis und Ratlosigkeit über dieses Abkommen" seitens Portugals und "anderer europäischer Staaten" zum Ausdruck brachte. Am nächsten Tag ruderte er teils zurück: Die Beziehungen beider Länder würden "nicht beeinträchtigt", São Tomé sei "natürlich" ein souveräner Staat.

Auf diese Unabhängigkeit pocht der Regierungschef von São Tomé und Príncipe, Patrice Trovoada: Er lasse sich von niemandem vorschreiben, mit wem Freundschaftsabkommen geschlossen werden dürften.

Flaggen vor einem Gebäude
Der Hauptsitz der Gemeinschaft der portugiesischs-prachigen Länder (CPLP) ist in Portugals hauptstadt LissabonBild: João Carlos/DW

Doch auch im eigenen Land gibt es Kritik an dem augenscheinlichen Alleingang der Regierung. "Es stimmt: São Tomé und Príncipe ist ein souveränes Land, aber kein Staat der Welt sollte heutzutage ohne Absprache mit seinen Partnern solche weitreichenden Entscheidungen treffen", sagte Raul Cardoso, Sprecher der größten Oppositionspartei MLSTP/PSD. "Uns stört vor allem, dass das Abkommen offensichtlich auf unbestimmte Zeit gilt. Es stört uns auch, dass das Abkommen in Hinterzimmern, ohne jegliche Diskussion mit den Instanzen unseres Staates ausgehandelt und unterzeichnet wurde", so Cardoso im DW-Interview.

Kleines Land, große geostrategische Bedeutung

Zu klein, zu fern, zu unbedeutend - so wirkt der Inselstaat São Tomé und Príncipe in der internationalen Presse. Doch das am Äquator gelegene Land mit circa 220.000 Einwohnern ist geo-strategisch weit bedeutender als gemeinhin angenommen. Die Lage des Archipels im Golf von Guinea ist ideal: So betreibt der US-Sender "Voice of America" dort seit 1992 eine Relaisstation, um auf Kurz- und Mittelwelle Radio nach ganz Afrika zu senden. 

Aufgrund der Nähe zu den großen Erdölexportnationen Nigeria, Gabun, Äquatorialguinea und Angola gibt es seit Jahren Pläne, im Norden der Haupinsel São Tomé einen Tiefseehafen für große Tanker zu bauen, die Rohöl laden könnten. Das ist in den Gewässern der Region reichlich vorhanden. Entsprechende Vorvereinbarungen hat São Tomé bereits mit Nigeria und Angola abgeschlossen. Französische und chinesische Konzerne haben Interesse angedeutet, so ein Hafenprojekt zu realisieren.

Auf militärischer Ebene arbeitete São Tomé und Príncipe bislang mit Brasilien und vor allem mit Portugal zusammen, dessen Marine im Seegebiet des Archipels patrouilliert. Portugiesischen Streitkräfte führen bislang auch die Militärausbildung in dem seit 1975 unabhängigen Land durch. 

São Tomé und Príncipe rutschte in den vergangenen Jahren in eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise. Die Lebensmittelpreise und die Arbeitslosigkeit stiegen enorm an, viele junge Menschen flüchten ins Ausland, vor allem nach Portugal. Vor dem Hintergrund hat es Russland leicht, sich als neuer Player ins Spiel zu bringen. 

Guinea-Bissau: Das nächste Land auf Moskaus Liste

"Das nächste lusophone Land, das sein militärische Zusammenarbeit mit Russland ausbauen wird, ist wahrscheinlich Guinea-Bissau. Darüber ist man sich in Journalistenkreisen in Lissabon sicher", sagt Journalist João Carlos. Die wirtschaftliche und soziale Lage ist vergleichbar mit der Situation in São Tomé und Príncipe.

Guinea-Bissaus Präsident Umaro Sissoco geht eine Treppe hinauf am Roten Platz in Moskau
Ist ein Militärabkommen in Vorbereitung? - Guinea-Bissaus Präsident Umaro Sissoco Embaló bei der Militärparade zum "Tag des Sieges" in MoskauBild: Alexei Maishev/TASS/dpa/picture alliance

Jährlich am 9. Mai begeht Russland den "Tag des Sieges" der Sowjetunion über Nazi-Deutschland. In diesem Jahr nahm der guinea-bissauische Präsident Umaro Sissoco Embaló an den offiziellen Feierlichkeiten in Moskau teil. Anschließend erklärte er öffentlich, Russland könne sich auf Guinea-Bissau als "ständigen und treuen Alliierten" verlassen. Guinea-Bissau hat bereits im November 2018 ein Militärabkommen mit Russland unterschrieben.

Beobachter sind sich sicher: Ein neues, aktualisiertes Rahmenabkommen über eine verstärkte Militärkooperation zwischen Russland und Guinea-Bissau liegt bereits vor. Präsident Embaló hat dies aber noch nicht offiziell bestätigt. "Ich habe die Feierlichkeiten in Moskau genutzt, um über Möglichkeiten zu reden, wie unsere beiden Länder voneinander profitieren können", sagte der guinea-bissauische Präsident nach seiner Rückkehr aus Moskau. Guinea-Bissau übernimmt im Juni turnusmäßig die Präsidentschaft der CPLP.