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Russland vor dem Staatsbankrott

Mischa Ehrhardt
9. März 2022

Ratingagenturen wie Wirtschaftsforscher sehen Russland unmittelbar vor dem Zahlungsausfall. Grund sind die scharfen Wirtschaftssanktionen gegen Moskau. Was bedeutet das für das internationale Finanzsystem?

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Russland Geldautomat Währung
Bild: Vladimir Smirnov/TASS/dpa/picture alliance

An den Anleihemärkten geht es in Bezug auf Russland in diesen Tagen drunter und drüber. "So etwas habe ich noch nicht erlebt", sagt der Anleihehändler Arthur Brunner. Er sitzt für die ICF Kursmakler in einer der runden Schranken auf dem Frankfurter Börsenparkett, und das seit etlichen Jahren. "In den 90er Jahren war Russland auch massiv unter Druck. Da hat Russland selbst die Anleihen am Markt aufgekauft zu Ramschpreisen. Heute ist allein schon die Abwicklung ein Problem."

Denn durch die Sanktionen der westlichen Staaten gegen Russland ist Moskau weitgehend von den internationalen Finanzmärkten abgeklemmt. Deswegen hat die Ratingagentur Fitch in der Nacht auf Mittwoch die Kreditwürdigkeit Russlands von 'B' auf 'C' abgestuft. Damit sind russische Staatsanleihen noch tiefer in den "Ramschbereich" abgetaucht. Fitch spricht nun davon, dass ein Zahlungsausfall Russlands "unmittelbar" bevorstehe.

Russland Zentralbank in Moskau
Russische Zentralbank in MoskauBild: picture-alliance/dpa/Tass/A. Novoderezhkin

Gut gefüllte Staatskasse

Zuvor hatten in den vergangenen Tagen und Wochen auch andere Ratingagenturen ihren Daumen gesenkt und russische Anleihen abgestuft. Fitch begründet seinen jetzigen Schritt mit "Entwicklungen, die Russlands Bereitschaft zur Rückzahlung der Staatsschulden weiter untergraben haben". Damit meint die Agentur einen vor wenigen Tagen in Kraft getretenen Präsidialerlass, der es dem Land erlauben könnte, seine Verbindlichkeiten in Rubel statt in Fremdwährung zu begleichen.

Im Grunde könnte Russland alle Fälligkeiten bedienen. Die Staatskassen sind gut gefüllt - nicht zuletzt auf Grund der in den vergangenen Monaten bereits gestiegen Energiepreise auf den Weltmärkten. Die Finanznachrichtenagentur Bloomberg schätzt die russischen Verbindlichkeiten bei ausländischen Gläubigern auf nur knapp 50 Milliarden Dollar. "Der russische Staat hat recht geringe Auslandsschulden", sagt Marcel Fratzscher gegenüber der DW, er ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Durch den Export von Öl und Gas habe Russland hohe Handelsüberschüsse erzielt und auf diese Weise seine Schulden in den vergangenen Jahren bewusst abbauen können. So liegen die russischen Zentralbankreserven bei 640 Milliarden Dollar. Doch ein Großteil dieser Devisenreserven im Ausland ist im Zuge der Sanktionen eingefroren. Daher glaubt auch Marcel Fratzscher an einen Zahlungsausfall Russlands in den kommenden Monaten.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher
DIW-Präsident Marcel FratzscherBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Hackerangriffe auf das globale Finanzsystem?

Zwar habe eine solche Zahlungsunfähigkeit Russlands auf Grund der vergleichsweise geringen Auslandsverschuldung wahrscheinlich wenig Auswirkungen auf das internationale Finanzsystem. Russland könnte allerdings versuchen, etwa durch Hackerangriffe oder Transaktionen an den Devisenmärkten punktuell für Unsicherheit zu sorgen. "Ich befürchte eine Ausweitung des Konflikts auf das globale Finanzsystem, bei dem Russland und seine Partner versuchen werden, Verwerfungen zu verursachen, um der Wirtschaft des Westens zu schaden", so Fratzscher.

Bereits in der kommenden Woche könnte es zum Schwur kommen. Denn dann stehen Zinszahlungen in Höhe von 100 Millionen Dollar an. Anfang April steht dann eine Anleihe mit einem Volumen von rund zwei Milliarden Dollar aus. "Wir sehen einen Zahlungsausfall als wahrscheinlichstes Szenario", schrieb auch die US-Investmentbank Morgan Stanley zu Wochenbeginn an ihre Klienten.

Wenn Russland seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen kann, wären auch Investoren hierzulande betroffen. So halten hiesige Banken auch russische Staatsanleihen. Allerdings seien die Beträge überschaubar, sagt Marcel Fratzscher, ein Problem für das Bankensystem sieht er im Fall einer Pleite Russlands daher nicht kommen.

Die Währungshüter in Moskau jedenfalls versuchen gegenzusteuern, wo es geht. Ebenfalls in der Nacht zum Mittwoch hat die russische Notenbank drastische Einschränkungen des Devisenhandels verhängt. So dürfen Russinnen und Russen etwa bis September nicht mehr als 10.000 Dollar von Fremdwährungskonten abheben. Russischen Banken ist es zudem verboten, Fremdwährungen zu verkaufen, teilte die Notenbank mit.

Sollte es in der kommenden Woche bereits zu ersten Zahlungsausfällen Russlands kommen, würde das aber noch nicht die Staatspleite bedeuten. Nach einem ersten Ausfall gibt es eine Frist von 30 Tagen, sodass ein tatsächlicher Ausfall erst Mitte April feststehen würde. Da andererseits Russland im Grunde über genügend Devisenreserven verfügt, wegen der Sanktionen aber nicht darauf zurückgreifen kann, würde es sich um einen formalen oder technischen Zahlungsausfall handeln.