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Politik

Verfassungsreform macht Putin den Weg frei

Mikhail Bushuev
11. März 2020

Zum Jahrestag der Krim-Annexion hat Russlands Präsident Putin eine weitreichende Verfassungsänderung angestoßen, die ihm ermöglichen soll, im Amt zu bleiben. Erstmals äußerte sich Putin in einer Rede zu der Reform.

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Russland Parlament in Moskau | Wladimir Putin, Präsident
Bild: Reuters/E. Novozhenina

Verfassungsänderung in Russland

Wladimir Putin erschien am Dienstag in der russischen Duma, als das Unterhaus des russischen Parlaments gerade über Änderungen in der Verfassung beriet. Mitte Januar hatte er mit der Initiative zu einer Verfassungsreform überrascht. Es sollen viele Neuerungen in der Verfassung verankert werden, zum Beispiel der Mindestlohn. Doch auf die wichtigste Frage der russischen Politik, wie Russland nach 2024 regiert werden soll, wenn Putins Amtszeit offiziell zu Ende ist, gab der Entwurf bislang keine Antwort.

Putin skizziert Szenarien für seinen Machterhalt

Für den russischen Staat sei eine starke präsidiale Macht "absolut unentbehrlich", sagte Putin in der Duma. Der amtierende Präsident skizzierte vor den Abgeordneten die Möglichkeiten, wie er weiterhin an der Macht bleiben könnte. Den Staatsrat oder den Sicherheitsrat dürfe man nicht mit starken Vollmachten ausstatten, zumal diese Organe nicht vom Volk gewählt würden, bemängelte der Kremlchef. Außerdem berge dieses Szenario das Risiko einer Doppelherrschaft, warnte Putin.

Seine Amtszeit könnte man mit der Verfassungsänderung einfach verlängern, doch dann bliebe dem Wähler keine Alternative zu ihm, so der russische Präsident. Man könnte die Einschränkung aufheben, dass eine Person das höchste Staatsamt nur für zwei Amtszeiten innehaben dürfe. Doch auch dieses Szenario schlug der russische Präsident aus.

Russisches Parlament billigt Verfassungsänderung
Das russische Parlament stimmte in zweiter Lesung für Putins VerfassungsreformBild: picture-alliance/AP Photo/A. Zemlianichenko

Putin zeichnete einen anderen Weg für sich vor. Ihm könnten die letzten zwei Amtszeiten von 2012 bis 2024 nicht angerechnet werden. Dafür müsste das Verfassungsgericht für ihn eine Ausnahme machen. Und so könnte er 2024 - oder gegebenenfalls früher - wieder zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt werden. Die Wähler würden auf jeden Fall alternative Kandidaten bekommen, sicherte Putin den Abgeordneten zu.

Verfassungsentwurf eilig nachgebessert

Obwohl die Duma Putin auffallend schwachen Applaus schenkte, wurden die von ihm vorgeschlagenen Änderungen eifrig und ohne große Diskussion in den Gesetzentwurf eingearbeitet. Noch am selben Tag verabschiedete das Unterhaus des Parlaments den Text in der zweiten, wichtigsten, Lesung.

Inzwischen stimmten die Abgeordneten auch in der dritten und finalen Lesung zu. Jetzt werden die Verfassungsänderungen dem Föderationsrat, dem Oberhaus des Parlaments, vorgelegt. Die Zustimmung gilt als Formsache. Für den 22. April, der zum arbeitsfreien Tag erklärt wurde, ist eine Volksabstimmung über das Gesetzespaket angesetzt.

Mehr Macht für den Präsidenten

Die Verfassungsreform hat eine machtpolitische Komponente und kann als Versicherung gegen mögliche Negativ-Szenarien für Putin verstanden werden. So kann der Kremlchef auf Wunsch einen lebenslangen Sitz im Föderationsrat bekommen und sich damit Immunität sichern. Der Präsident wird nicht mehr als zwei Amtszeiten ausüben dürfen. Doch für Putin (und womöglich auch für den Ex-Präsidenten Dmitri Medwedew) wird eine Ausnahme gemacht.

Zudem werden mit der Verfassungsreform die Zuständigkeiten zugunsten des Präsidenten verschoben. Der Präsident bekommt mehr Macht, der Premier und die Regierung weniger. Der Präsident darf zum Beispiel nach dem Inkrafttreten der Reform die "allgemeine Arbeit der Regierung leiten". Die Regierung wiederum darf nicht mehr allein darüber entscheiden, in welche Richtung sich das Land entwickeln soll. Sie "organisiert" nur noch die "Arbeit" gemäß den Initiativen des Präsidenten.

Russland Putin Machterhalt Kommentarbild
Nach der Verfassungsreform erhält Putin bisher nie gekannte Machtbefugnisse (Archivbild)Bild: Reuters/M. Shemetov

Zur Verschiebung der Zuständigkeiten gehört auch die Stärkung eines bisher kaum in Erscheinung getretenen Staatsorgans - des Staatrats. Lange wurde spekuliert, dass Putin nach 2024 diesen leiten und sich mit umfangreichen Kompetenzen aus dem operativen Betrieb zurückziehen könnte. Doch derzeit scheint der russische Präsident andere Optionen vorzuziehen.

Auch die Richter sollen künftig noch stärker vom Präsidenten abhängig sein als bisher. So soll der Staatschef die Entlassung von Richtern des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichts initiieren können.

Mit der Verfassungsreform will man auch Einfluss aus dem Ausland minimieren. So soll das internationale Recht in Russland keinen Vorrang haben und erst gar nicht angewendet werden, wenn das russische Verfassungsgericht es nicht im Einklang mit dem nationalen Recht sieht. Die Möglichkeit aber, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu klagen, bleibt den Russen zunächst erhalten.

Ferner darf laut Verfassungsentwurf kein russisches Territorium aufgegeben werden. Das soll Härte im Krim-Konflikt mit der Ukraine und im Streit mit Japan um die Kurilen-Inseln signalisieren.

Konservative und patriotische Passagen

Viele Änderungen entsprechen dem konservativen und patriotischen Gusto Putins, der seit 20 Jahren in Russland an der Macht ist. So wird Russland in der neuen Verfassung als "Rechtsnachfolger der Sowjetunion" und als Staat bezeichnet, der durch eine "tausendjährige Geschichte vereint" sei. Man wahre das "Andenken an die Vorfahren", die "Ideale" und den "Glauben an Gott" hinterlassen hätten. Doch welcher Gott gemeint ist, wird nicht erklärt. Zwar ist Russland hauptsächlich christlich orthodox, doch der Anteil der muslimischen Bevölkerung beträgt etwa zehn Prozent.

Außer Gott will man in der Verfassung weitere konservative Elemente festschreiben. Demnach darf die Ehe nur als Vereinigung zwischen Mann und Frau verstanden werden und der Staat soll "traditionelle Familienwerte" schützen. Kinder werden zur obersten Priorität der staatlichen Politik auserkoren und sollen im Sinne des "Patriotismus" erzogen werden.