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"Sonnenenergie hilft der Wirtschaft"

23. Juni 2017

Solarstrom ist oft die günstigste Energie. Die Wirtschaft wird deshalb gestärkt, wenn Solarkraft ausgebaut wird, sagt Kraftwerksbauer Bernhard Beck. Derzeit fehle aber das Wissen - so werde weltweit "fehlinvestiert".

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Bernhard Beck CEO von BELECTRIC
Bild: Belectric

Deutsche Welle: Herr Beck, BELECTRIC baut und betreibt große Solarkraftwerke und gehört diesbezüglich zu den weltweit führenden Unternehmen. Anfang des Jahres wurde BELECTRIC  von Innogy gekauft. Die Aktien von Innogy gehören vor allem RWE, dem großen Stromerzeuger mit Kohle-, Gas- und Atomkraft. Wie konkurrenzfähig sind heute große Solarkraftwerke im Vergleich zu Kohle-, Gas- und Atomkraft? 

Bernhard Beck: In fast allen Regionen dieser Welt ist heute ein neues Solarkraftwerk günstiger als jede andere Form der Stromerzeugung. Dies gilt schon für den ersten Investitionszyklus, also für die ersten 20 bis 25 Jahre. Vergleicht man Solarkraft noch genauer mit z.B. neuen Kohlekraftwerken, die 40 bis 50 Jahre in Betrieb sind, dann kommt noch ein zweiter Investitionszyklus hinzu, bei dem man Solarkraftwerke nur generalüberholt. Bei dieser längeren Betrachtung wird Solarkraft nochmal deutlich günstiger.

Was kostet heute Strom aus einem großen Solarkraftwerk?

In Mitteleuropa sind es etwa sechs Eurocent pro Kilowattstunde und in sonnenreichen Gebieten, liegen wir im Bereich von drei Cent. Strom aus neuen Kohle- oder Gaskraftwerken ist im Vergleich teurer. 

Infografik Kosten für Strom aus neuen Großkraftwerken in Deutschland 2017 DEU
Für Wind- und Solarkraft kommen noch Vorteile hinzu. Es gibt keine Klima-, Gesundheitsschäden und Atomunfälle.

Was bedeutet das für die Energiewirtschaft? 

Wer ein neues Kraftwerk bauen möchte, findet in den meisten Regionen dieser Welt keine kostengünstigere Lösung als ein großes Solarkraftwerk.

Auch sind abgeschriebene Kohle-, Gas- und Kernkraftwerke im Vergleich viel teurer als ein abgeschriebenes Solarkraftwerk, da es bei Solarstrom keine Bezugs- oder Entsorgungskosten für Brennstoffe gibt.

Bei dieser Betrachtung ist für Energieversorger klar, dass sie in dieses Geschäft einsteigen. Energieversorger, die in der Zukunft Kraftwerke unterhalten, die noch Brennstoffe brauchen, haben höhere Produktionskosten als Energieversorger ohne Brennstoffe. Und bei dieser Betrachtung ist die Entscheidung ganz klar. 

China und Indien haben bereits reagiert: Neue Kohlekraftwerke werden nicht mehr geplant und auch der Weiterbau von Kraftwerken wurde in China gestoppt. Stattdessen wird die Solarkraft massiv ausgebaut. In vielen anderen Ländern ist die Photovoltaik jedoch noch nicht etabliert und der Bau von Kohlekraftwerken ist noch geplant. Warum?

Ein Hinderungsgrund ist fehlendes Fachwissen. Es gibt weder ein technisches, noch ein kommerzielles Problem. Wenn Sie heute eine Umfrage starten würden, dann würden wahrscheinlich fast alle der Befragten weltweit antworten, dass Solarenergie teuer sei - obwohl das nicht mehr der Fall ist. Zudem setzt China verstärkt auf umweltverträgliche Technologien, um die Luftverschmutzung in den Griff zu bekommen und um langfristig die Wirtschaft mit günstigem Strom zu versorgen.

Fehlendes Wissen bei den Energieversorgern?

Ja. Es mangelt am Wissen der Entscheidungsträger. Sie kennen die realen Kosten für erneuerbare Energien nicht. Es gibt das Mantra, dass der Ausbau der Solarenergie zu teuer sei und dieses wurde auch von der Presse mit geprägt. Bei der überwiegenden Anzahl der konventionellen Neubauten wären Solarkraftwerke billiger. Es werden also mehrere hundert Milliarden Dollar derzeit weltweit fehlinvestiert. 

Infografik günstiger Solarstrom

Solarstrom gibt es aber nicht in der Nacht. Die Kosten der Speicher kommen noch hinzu…

Es gibt hier heute keine technischen Hürden. Stromversorgung aus einer Kombination von Solar- und Windstrom mit Lastmanagement, Batteriespeichern und smarter Technik ist möglich.  

Wenn Solar- und Windstrom 24 Stunden zur Verfügung stehen soll, dann ist das möglich. Wir wissen, dass das funktioniert und liefern Strom in vielen Ländern dieser Welt mit Hybridanlagen. Diese Form der Stromerzeugung ist viel billiger als mit Dieselaggregaten, die heute vielfach für dezentrale Lösungen genutzt werden.

Der Kunde freut sich und hat so günstigen Strom rund um die Uhr. Es ist keine technische Frage, sondern eine Frage des Wissens und des Wollens.

Angenommen diese Wissenslücke würde in drei Jahren geschlossen. Was wären die Folgen?

Wenn nur zehn Prozent der Entscheidungsträger das richtige Wissen um die realen Kosten haben, dann hätten wir einen vervielfältigten Markt, dann ginge das Wachstum erst richtig los. Bis jetzt haben wir ein bisschen ausprobiert, wissen wie es geht, wie man finanziert und Solarkraftwerke betreibt.

Bisher begann der Ausbau der Solarkraft aber noch nicht in einem sehr großen Maßstab. Jetzt sind wir am Anfang und die Energiewende wird auch global gedacht. Jetzt kommt es auf die Politik an und auf den Wissenstransfer. 

Infografik Globale Solarstromerzeugung
Derzeit treiben vor allem China und Asien den Ausbau massiv voran. Europa fiel in den letzen Jahren zurück.

BELECTRIC gehört zu RWE, dass sein Geld vor allem mit Kohlestrom erwirtschaftet. Sie sagen, dass die Stromerzeugung mit Solarkraft günstiger geht als mit Kohle. Ein Konflikt?

Zunächst: Innogy ist eine Finanzbeteiligung von RWE. Operativ agieren die beiden Unternehmen völlig unabhängig voneinander. Ich sehe keinen Konflikt sondern eine logische Weiterentwicklung des Geschäftes. 

Werden in naher Zukunft jetzt auch große Photovoltaik-Kraftwerke in Deutschland errichtet?

Deutschland kann sich einer ökonomischen Entwicklung nicht entziehen. Wenn sich Deutschland bei der Solarenergie nicht bewegt, dann wird der Wirtschaftsstandort und auch die Schwerindustrie zukünftig darunter leiden, weil Deutschland dann nicht die günstigsten Erzeugungskosten für Energien haben wird – diese werden durch Sonne und Wind geprägt.

Die Stärke des Wirtschaftsstandorts Deutschland in den kommenden Jahrzehnten ist direkt gekoppelt an der Geschwindigkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien und der erforderlichen Systemintegration bzw. des Systemumbaus. Dabei wird der Solarausbau eine entscheidende Rolle spielen und danach wird sich auch letztendlich die Politik in ihren Entscheidungen richten.

Also ein massiver Solarausbau zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes?

Ja! Die Politik wird nicht umherkommen, sehr massiv in den Markt einzugreifen und ihm eine positive Richtung zu geben. Getrieben wird das nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes und des Klimas, sondern um den Wirtschaftsstandort zu sichern. Dies gilt für Deutschland, Europa und weltweit. 

Also kommt auch deshalb der Kohleausstieg in Deutschland eventuell viel schneller als gedacht?

Ich sage Jein. Es hängt auch davon ab wie schnell man die Elektromobilität will, die Speicher und die Sektorenkopplung vorantreibt. Bei dieser wird Solar- und Windstrom auch für Wärmeerzeugung und Verkehr genutzt und Erdöl und Erdgas eingespart.

Ökonomisch würde ein deutlicher Zubau von Solarkraft Sinn machen. Und wenn wir die Entscheidungen nach ökonomischen Maßstäben treffen, dann werden wir in Deutschland in zehn Jahren über 100 Gigawatt Sonnenstrom installiert haben. 

Bernhard Beck ist Geschäftsführer und Unternehmensgründer von BELECTRIC. Die süddeutsche Firma wurde 2001 gegründet und gehört zu den weltweit führenden Unternehmen bei der Errichtung von großen Solarparks und dessen Betrieb. BELECTRIC wurde im Januar 2017 von Innogy gekauft. Der vereinbarte Kaufpreis lag nach eigenen Angaben im hohen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Innogy will mit der Übernahme in diesen neuen Markt  einsteigen. Das Aktienunternehmen Innogy hat einen Börsenwert von 20 Milliarden Euro und gehört zu 76,8 Prozent dem Energiekonzern RWE. 

Das Interview führte Gero Rueter

Rueter Gero Kommentarbild App
Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion