Liebesbriefe gegen den Trennungsschmerz
31. März 2020"Ach Gott - so nah! so weit! Welche Sehnsucht mit Thränen nach dir" schrieb Beethoven 1812 an seine "unsterbliche Geliebte" - deren Identität bis heute nicht gelüftet ist. Und: "Welches Leben!!!! so!!!! ohne dich. Ich habe beschlossen in der Ferne so lange herum zu irren, bis ich in deine Arme fliegen kann."
Wenn man verliebt ist, möchten die meisten in der Regel vor allem eins: zusammen sein. Daran hat sich über die Jahrhunderte hinweg eigentlich nichts geändert. Doch während die Romantik heutzutage bisweilen etwas zu kurz kommt und der ein oder andere sich mit einer Whats-App Nachricht à la "ILG" (Ich liebe dich) und einem Emoji dazu begnügt, schrieb man sich früher leidenschaftliche Liebesbriefe.
Regelmäßige "Seelenbesuche"
Und so brachte auch Beethoven nicht nur unsterbliche Musik zu Papier, sondern ebenso Worte, die jedes Frauenherz höher schlagen ließen.
Anders als die Liebenden heute musste er dann allerdings ungeduldig warten, bis die Postkutsche seine Zeilen überbrachte. Es konnte mitunter Tage dauern, bis der Brief bei der Adressatin eintraf - und genauso lang, bis die Antwort kam. Bei der Vorstellung, dass die Angebetete seine Nachricht "erst wahrscheinlich Sonnabends" erhalten würde, müsse er weinen, schrieb der Komponist.
"Seelenbesuche" nannte man Liebesbriefe in ihrer Blütezeit im 18. und 19. Jahrhundert. Zugegeben, Beethoven hat nicht nur eine Dame mit seinen Seelenbesuchen beglückt; der Komponist war ein Frauenheld und nach Aussage seines Jugendfreunds Franz Gerhard Wegeler "immer in Liebesverhältnissen". Der Poesie seiner Briefe tat das keinen Abbruch.
Goethes Briefe an die Freifrau und den "Hausschatz"
Auch Johann Wolfgang von Goethe war in seinem Leben mehr als nur einmal verliebt. Allein an die sieben Jahre ältere Charlotte von Stein, Hofdame am sächsischen Hof, schrieb er rund 1700 Briefe und "Zettelgen". In einem heißt es: "Die süßen Worte, mit denen du mich verwöhnst – ach! Mehr wollt' ich nicht, sogar Dein Lispeln würde mitlesen, mit dem Du mir leise das Lieblichste in die Seele ergossen hast."
Sowohl Goethe als auch Charlotte von Stein lebten in Weimar, oft schrieben sie sich zwei oder drei Mal am Tag. Doch die Freifrau war verheiratet, und so war Goethes Schwärmerei über all die Jahre wohl eher platonischer Natur.
Die Beziehung kühlte ab, als Goethe nach Italien ging. Nach seiner Rückkehr 1788 begann er schon bald ein Verhältnis mit der aus einfachen Verhältnissen stammenden Christiane Vulpius. Von seinen Reisen schrieb er immer wieder an seinen "Hausschatz": "Mein einziger Wunsch ist nur, wenn Du nur hier wärst. Wir wollen uns nur recht lieb behalten, das ist noch das Beste auf der Welt, und wenn wir wieder zusammen sind, uns es einander recht oft sagen, wie hübsch es ist, einander treu zu sein."
Auch seine Eifersucht bekannte der Dichterfürst: "Behalte mich ja lieb! Denn ich bin manchmal in Gedanken eifersüchtig und stelle mir vor: daß dir ein andrer besser gefallen könnte, weil ich viele Männer hübscher und angenehmer finde als mich selbst. Das mußt du aber nicht sehen, sondern du mußt mich für den besten halten weil ich dich ganz entsetzlich lieb habe und mir ausser dir nichts gefällt. Ich träume oft von dir, allerley konfuses Zeug, doch immer daß wir uns lieb haben. Und dabey mag es bleiben."
Christiane Vulpius liebte ihren Goethe und schrieb ihm eifrig zurück: "Heute frühe war mein erster Gedanke, ich würde einen Brief von Dir bekommen, aber ich habe diesmal vergebens gehofft. Des Abends ist mein letzter Gedanke an Dich und des Morgens ist es wieder der erste. Es ist mir heute so zumute, als könnte ich es nicht länger ohne Dich aushalten."
Vom Schicksal getrennt
Überliefert sind auch Briefe des französischen Philosophen Voltaire, der sich in seine Nichte Marie-Louise Denis verliebt hatte. 1745 schrieb er ihr vom Königshof in Versailles: "Ich …bin sehr unglücklich, dass ich nicht zusammen mit Ihnen in Ruhe und Frieden leben kann, irgendwo weit weg von Königen, Höflingen und Armleuchtern…. Aber welch ein Schicksal ist dies, fortwährend voneinander getrennt zu sein! Sich nach einander zu sehnen, ohne sich sehen zu können!"
Besonders berührend ist der Brief, den der Skandalautor Oscar Wilde in England 1895 aus dem Zuchthaus an seinen Geliebten Lord Douglas, den er zärtlich "Bosie" nannte, schrieb. Wilde saß wegen seines Umgangs mit männlichen Prostituierten ein; Homosexualität galt im prüden viktorianischen Britannien als abscheuliches Verbrechen. "Sei nicht traurig darüber, sei lieber glücklich, die Seele eines Mannes, der jetzt in der Hölle weint und doch den Himmel in seinem Herzen trägt, mit unsterblicher Liebe gefüllt zu haben.""Wackerchen", "Karlchen" und die Liebe zum Proletariat
Nicht alle Liebesbriefe berühmter Paare klingen so pathetisch: Die patente preußische Ministertochter Jenny von Westfalen versicherte ihrem späteren Ehemann: "Lieb gut Herzenmännchen, wärst Du jetzt hier, mein lieb' Karlchen, wie viel Empfänglichkeit würdest Du in Deinem Wackerchen antreffen ..." Und das liebe Karlchen, kein geringer als Karl Marx, antwortete: "Ich küsse Dich von Kopf bis Fuß, nicht Liebe für das Proletariat, sondern die Liebe für Dich macht einen Mann wieder zum Mann."
"Kostbares Besitztum"
Ein berühmtes Liebespaar aus dem 20. Jahrhundert sind Winnie und Nelson Mandela, die gegen die Apartheid in ihrer Heimat Südafrika kämpften. Aus dem Gefängnis schrieb Nelson 1969 an seine Frau: "Mein Schatz, eins meiner kostbarsten Besitztümer, die ich hier bei mir habe, ist der erste Brief, den Du mir am 20. Dezember 1962 kurz nach meiner ersten Verurteilung geschrieben hast. In den vergangenen sechseinhalb Jahren habe ich ihn wieder und wieder gelesen, & die darin ausgedrückten Gefühle sind so wundervoll & frisch wie am Tag, als ich ihn erhielt."
Viele Jahre später war diese Liebe zum Scheitern verurteilt, doch in den erzwungenen Zeiten der Trennung schweißten die gegenseitigen Nachrichten das Paar sogar noch mehr zusammen. So mag es vielleicht auch den heutigen Liebenden in Zeiten der Corona-Krise gehen - bis sie sich wieder in die Arme schließen können. Oder, um es mit Beethovens Worten zu sagen: "Ewig dein ewig mein ewig uns".