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"Wir sind es leid, auf Impfstoff zu warten"

Adrian Kriesch Pretoria
29. Mai 2021

Bundesgesundheitsminister Spahn und der französische Präsident Macron kündigen in Südafrika Hilfe für die lokale Impfstoffproduktion an. Doch der Mangel wird dadurch vorerst nicht behoben. Adrian Kriesch aus Pretoria.

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Vier Menschen mit SChutzmaske in einem Labor-ähnlichen Raum
Südafrikas Gesundheitsminister Zweli Mkhize (r.) und Gesundheitsminister Spahn (2.v.r.) bei der Übergabe eines PCR-Analysegerätes in Südafrikas "National Institute for Communicable Diseases"Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

"Future Africa" heißt der hochmoderne Campus der Universität Pretoria, Zukunft Afrika. Und genau darum soll es in einem hochkarätigen Dialog von Wissenschaftlern, dem deutschen Gesundheitsminister und den Präsidenten Südafrikas und Frankreichs gehen. Genauer gesagt, um die Zukunft der Impfstoffproduktion in Afrika.  

Doch zunächst sprechen einige Wissenschaftler über die bittere Realität im Land und auf dem gesamten Kontinent. 99 Prozent der Impfstoffe in Afrika werden importiert. Es gibt momentan genug Impfstoff für 20 Prozent der Weltbevölkerung, doch weniger als zwei Prozent der afrikanischen Bevölkerung wurden bisher geimpft. Acht afrikanische Länder haben noch gar keine Impfstoffe erhalten.  

"Wir sind es leid, ewig zu warten", sagt Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa. Das Land hat Impfstoff für 75 Prozent der Bevölkerung bestellt, doch nur ein Bruchteil davon ist bisher angekommen. Darum wirbt Ramaphosa seit Monaten für eine lokale Impfstoffproduktion, doch dafür brauche das Land Unterstützung.

Alles wird importiert

Bisher gibt es nur zwei große Firmen in Südafrika, die dafür die Produktionskapazitäten haben. Aspen, ein global agierender Pharmakonzern aus Südafrika. Und Biovac, eine Public-Private-Partnerschaft, mit dem Ziel, die lokale Impfstoffproduktion zu fördern.

Südafrika Cornavirus Ankunft Impfstoff
Die erste Lieferung von Corona-Impfstoffen kam am 1. Februar am Flughafen in Johannesburg anBild: via REUTERS

Doch bisher wird kein einziger Impfstoff komplett in Südafrika produziert. Die COVID-Impfstoff-Produktion von Aspen besteht nur aus dem sogenannten "fill and finish"-Prozess. Der Johnson&Johnson-Impfstoff wird nach Südafrika geliefert und hier abgefüllt. Das Unternehmen verhandelt mit weiteren Impfstoffproduzenten, so auch Biovac.

Streitfrage Patentschutz

Ramaphosa will den Prozess beschleunigen und wirbt deshalb für eine vorübergebende Aufhebung des Patentschutzes. Indien und Südafrika haben die Initiative bei der Welthandelsorganisation WTO angestoßen und vor wenigen Wochen prominente Unterstützung aus den USA bekommen.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sicherte bei seinem Besuch in Südafrika seine Unterstützung zu - wenn der Patentschutz den Technologietransfer tatsächlich verhindere. Deutschland hingegen ist weiterhin gegen eine Freigabe der Patente.

"Das Ziel ist, die Produktion hier in Afrika zu starten und zu beschleunigen", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn in einem Exklusiv-Interview mit der DW in Pretoria. Dies sei nur durch Kooperationen zu erreichen, so Spahn.

DW-Interview mit Jens Spahn in Südafrika (engl.)

"Die Produktion von Impfstoffen ist extrem komplex. Nur ein Patent macht noch keinen Impfstoff, das Know-how ist wichtig." Er sehe, dass die meisten Produzenten bereit seien, zu kooperieren. Und das wolle Deutschland unterstützen.

Bei seinem Besuch sagte Spahn 50 Millionen Euro zu, um mögliche Produzenten mit Finanzhilfen in die Startposition zu bringen und Impfstoffentwicklern den Weg für die Vergabe von Lizenzproduktionen zu bereiten. Weitere Projekte sind noch in der Verhandlungsphase.

"Zwangshochzeit funktioniert nicht"

Auch in Südafrika sehen viele den Patentschutz nicht als entscheidendes Problem - so auch der Chef der Pharmafirma Biovac, Morena Makhoana. "Meine Mutter macht den besten Schokoladenkuchen. Meine Schwester hat das Rezept, aber ihr Kuchen ist nicht so gut. Die Nuancen sind entscheidend", sagt er gegenüber der DW.

Das Unternehmen habe bei Partnerschaften mit Sanofi und Pfizer vor allem während der Arbeit gelernt - und nicht aus dem Handbuch. "Eine Zwangshochzeit funktioniert nicht." Der Staat müsse außerdem mehr Investitionsanreize schaffen - und auch Abnahmen garantieren. Es sei gerade am Anfang unwahrscheinlich, dass afrikanische Produkte mit Weltmarktpreisen konkurrieren könnten.

Südafrika Präsident Emmanuel Macron Besuch in Südafrika
Der französische Präsident Macron bei seinem Besuch in SüdafrikaBild: Siphiwe Sibeko/REUTERS

Kurzfristig muss Südafrika also vorerst weiter auf zügige Impfstofflieferungen hoffen. Die EU hat im Rahmen der COVAX-Initiative 100 Millionen zusätzliche Impfstoffdosen für den afrikanischen Kontinent bis zum Ende des Jahres zugesagt.

Auch der französische Präsident Macron kritisierte die Initiative. Er kündigte weitere 500 Millionen Euro Förderung an, forderte aber mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht.

Eskorte für Vakzine

"Niemand konnte mir bisher die genauen Kosten für die Impfdosen sagen, die wir damit kaufen", so Macron. Ärmere Länder zahlen wahrscheinlich viel mehr für Impfstoffe als reiche. "Wir haben Milliarden öffentliches Geld da reingesteckt. Wir brauchen einen klaren, regulierten Preis. Das geht bei uns ja auch." 

Südafrika Impfzentrum in der Stadt
Geduldsprobe: Vor dem Impfzentrum in Durban bilden sich lange Schlangen von ImpfwilligenBild: Adrian Kriesch/DW

Vor dem Impfzentrum am ehemaligen WM-Stadion in Durban ist jeden Morgen sichtbar, wie knapp die Impfstoffe bisher sind. Vier Polizeimotorräder und ein Streifenwagen eskortieren eine Lieferung von 300 Impfdosen, weit mehr über 60-Jährige warten bereits seit dem Morgen in der Schlange.

"Ich bin nicht mehr glücklich", sagt eine Frau in der Schlange, deren Geschäft wegen der Pandemie pleitegegangen ist. "So viele Menschen haben ihr Leben verloren - darum will ich endlich die Impfung."

Fast 60.000 Menschen starben bisher in Südafrika offiziell mit COVID-19. Die Übersterblichkeitszahlen sind fast drei Mal so hoch. Vier Monate waren die Neuinfektionszahlen zuletzt niedrig, in den letzten Tagen stiegen sie wieder an, es droht eine dritte Welle.