Salzburger Magie
13. August 2012
Im August ist unter Musikliebhabern und kulturorientierten Urlaubern Salzburg angesagt. Es wimmelt von Trachten und Abendroben, man erkämpft sich eine Tischecke im "Triangel", dem Szenelokal gegenüber dem Festspielhaus, um ein "Netrebko-Steak" zu bestellen, es ist laut und vieles scheint oberflächlich. Und dennoch liegt eine unerklärbare Magie in der Luft.
Es war genau diese Atmosphäre, die den Theaterregisseur Max Reinhardt 1920 dazu verführte, Mozarts Geburtsstadt zur "Bühne der Welt" zu erklären und hier das Sommerfestival zu etablieren. Auch heute ist jeder Regisseur wie Intendant gut beraten, nie gegen das "genius loci", den Geist des Ortes, zu arbeiten, sonst wird er bestraft.
"Der Zauberföte zweyter Teil": leider kein Mozart
So erging es der jungen Regisseurin Alexandra Liedtke, die in Salzburg "Das Labyrinth. Der Zauberflöte zweyter Teil" im Residenzhof inszenierte. Kaum machten sich das Traumpaar Tamino und Pamina auf die Reise zur zweiten Staffel ihrer Abenteuer, läuteten die Glocken des benachbarten Doms. Die Sänger mussten gegen das Geläut um die Wette ansingen, was nicht einmal einem erfahrenen Salzburg-Veteranen wie dem gefeierten Mozart-Tenor Michael Schade leicht fiel.
Trotzdem sollte "Das Labyrinth" in Salzburg zur Entdeckung der Saison werden. Das Libretto wurde von Emanuel Schikaneder geschrieben, Mozart-Freund und Autor des Textes zur "Zauberflöte". Sieben Jahre nach dem Riesenerfolg dieser Oper hoffte Schikaneder, Direktor des "Theaters im Freihaus an der Wieden", den kommerziellen Erfolg noch einmal zu wiederholen.
Aber Mozart war seit sieben Jahren tot. So setzte Schikaneder stattdessen auf einen Mozart-Kenner. Der Komponist Peter von Winter, in jungen Jahren ein Musiker der Mannheimer Hofkapelle, kannte das Original gut. Vielleicht zu gut? Seine Musik ist leider nur eine blasse Nachahmung, eine Anhäufung leicht verfremdeter Versatzstücke, die den Märschen, Liebesduetten und Chören der "Zauberflöte" nachempfunden sind.
Nach der Feuer- und Wasserprobe des ersten Teils müssen Tamino und Pamina im zweiten Akt der Oper unter die Erde und in die Luft, um die Prüfungen zu bestehen, die ihre Liebe besiegeln sollen. Für Heiterkeit sorgte die Wiederentdeckung der Papageno-Familie; Papa und Mama Papageno samt 14 gefiederten Kindern lüften das Herkunftsgeheimnis des "Vogelmannes". Dem Intendanten der Salzburger Festspiele Alexander Pereira ist es zu verdanken, dass man endlich aufhören kann, in jedem Wort der Mozartschen "Zauberflöte" einen tieferen Sinn zu suchen. Der liegt einzig in der Musik.
"Die Zauberflöte": das stille Pendant
Zum großen Kontrast geriet die neue Deutung der "Zauberflöte" durch den Dirigenten Nikolaus Harnoncourt. Allerdings kam der Klang des Instrumentalensembles "Concentus Musicus Wien" in der Salzburger Felsenreitschule-Spielstätte etwas undifferenziert an.
Nur in den ersten Reihen konnte der Hörer das filigrane, strenge und subtile Musizieren des 82-jährigen Maestros richtig einschätzen. Historische Instrumente und ein großer Raum mit einer spezifischen Akustik passen nicht unbedingt zusammen.
Panne mit Happyend
Aber die seltsamste Panne des Festivals ereignete sich am 4. August, als der polnische Star-Tenor Piotr Beczala kurzfristig seine Stimme verlor und in "La Bohème" nicht mehr den Rodolfo an der Seite von Anna Netrebko geben konnte. Der würdige Ersatz übertraf jedoch alle Erwartungen: Jonas Kaufmann übernahm die Partie kurzfristig und sang verdeckt vom Bühnenrand aus, während Beczala vor dem Vorhang gleichzeitig pantomimisch den Rodolfo mimte. Der Pole dankte seinem Retter auf seiner Facebook-Seite später in blumigen Worten.
Die Salzburger Festspiele finden in diesem Jahr noch bis zum 2. September statt. Zu den Schauspiel-, Konzert- und Opernaufführungen gehört unter anderem die Neuinszenierung von Bernd Alois Zimmermanns Oper "Die Soldaten" am 20. August.