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Sand und Kies bleiben gefragte Baustoffe

7. Februar 2023

Sand und Kies sind begehrt. Über 240 Millionen Tonnen werden pro Jahr in Deutschland gefördert. Gebaggert wird in 2600 Sand- und Kiesgruben. Wir haben ein Unternehmen in der Nähe von Bremen besucht.

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Sand- und Kiesabbau in einer Grube in Belgien
Sand- und Kiesabbau in einer Grube in BelgienBild: picture-alliance/blickwinkel/W. Pattyn

Auf dem Hof des Sandhandels Neuenkrug steht ein kantiges, geländegängiges Fahrzeug, 20 Jahre alt, spartanischer Innenraum, breite Reifen. Jan von Oesen nennt den Land-Rover sein Sandkuhlenauto. "Wir fahren jetzt zur Grube Hülseberg, von hier aus sind es zehn, 15 Minuten." Jan von Oesen leitet das Unternehmen in Hambergen in der Nähe von Bremen. 1992 ist er ins Geschäft eingestiegen. "Wir haben zehn Mitarbeiter und fünf bis sechs Aushilfskräfte." Acht Lkw bringen den Sand aus den drei firmeneigenen Sandkuhlen zu den Kunden.

Hoher Verbrauch an Sand und Kies

Sand und Kies werden immer gebraucht. Und das in großen Mengen. 200 Tonnen für ein Einfamilienhaus, 30.000 Tonnen für einen Kilometer Autobahn. Jährlich werden in Deutschland 270 Millionen Tonnen aus Kiesseen und Sandgruben geholt. Der Sandhandel Neuenkrug schafft es auf 150.000 Tonnen. Ein kleiner Betrieb. Die Probleme aber teilt Jan von Oesen mit den Größeren in der Branche.

Sandgrube in Hülseberg
Blick in die Sandgrube in Hülseberg Bild: Sandhandel Neuenkrug

"Es ist so, dass wir noch zehn Jahre voraus gucken; nichtsdestotrotz müssen wir dann in zwei, drei Jahren wieder anfangen, uns Gedanken zu machen, wie und wo geht es dann weiter." Von Kollegen hat er gehört, die teilweise zehn Jahre bis zur Abbaugenehmigung warten mussten. "Das macht den Rohstoff auch knapp." Dabei ist Deutschland reich gesegnet mit Sand und Kies, bekräftigt Harald Elsner. Der Geologe arbeitet in Hannover für die Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoff. "Die Vorräte reichen für mehrere zehntausend Jahre Produktion, wenn wir denn an alle Flächen rankommen würden und alles aussanden und auskiesen wollten."

Was sich ändern müsste

Deutschland ist ein dicht besiedeltes Land: Dörfer und Städte, Natur- und Landschaftsschutzgebiete, militärische Speerzonen, Flughäfen, Autobahnen, Eisenbahnlinien. Hinzu kommen Äcker und Weiden. An 50 bis 70 Prozent der Sand- und Kiesvorkommen ist nicht heranzukommen. Für die Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoffe hat Elsner kürzlich eine Studie herausgegeben. Er besuchte 270 Abbauunternehmen in ganz Deutschland. Wo neue Gruben erschlossen werden sollen, hat er sich vielerorts sagen lassen, regt sich meist der Unmut der Anwohner. Was ist zu tun? "Nur Träger öffentlicher Belange sollten klagen dürfen, nicht jeder Bürger." Auch müsste das Personal in den Genehmigungsbehörden kräftig aufgestockt werden. Harald Elser hat auf seiner Rundreise in Brandenburg Betriebe gesehen, die ohne gültige Genehmigung arbeiten. "Da ist für das ganze Bundesland nur ein Sacharbeiter zuständig."

Einer von acht Lkw, die den Sand aus der Grube Hülseberg transportieren
Einer von acht Lkw, die den Sand aus der Grube Hülseberg transportierenBild: Sandhandel Neuenkrug

Jan von Oesen hat mittlerweile die Sandgrube erreicht. 20 Hektar groß ist die Kuhle. Zehn Hektar werden bereits wieder verfüllt und rekultiviert. "An dieser Ecke, wo wir jetzt stehen, haben wir sauberen Sand, sogenannten Frostschutzsand, der wird vor allem im öffentlichen Straßenbau verwendet." Ein allradangetriebener Lkw steuert rückwärts auf die Grubenwand zu. 150.000 Euro kostet das Stück, maximal sieben Jahre halten die Fahrzeuge, dann muss ein neuer her. Vier Radlader besitzt die Firma - monströse Maschinen, doppelt so teuer wie ein Lkw, in eine Schaufel passen bis zu vier Kubikmeter. Neben dem Frostschutzsand, erklärt Jan von Oesen, gibt es in der Grube auch Füllsand mit einem höheren Lehmanteil. "Kies haben wir nicht, Kies finden sie hier in der norddeutschen Tiefebene nicht. Das geht erst südlich von Hannover los."

Radlader in der Sandgrube in Hülseberg
Radlader in der Sandgrube in Hülseberg Bild: Sandhandel Neuenkrug

Sand, Kies, Steine, Findlinge - die Unterschiede

Sand gibt es in der Korngröße von null bis zwei Millimetern, alles was bis 63 Millimeter grobkörniger ist, heißt Kies. Steine werden herausgesiebt, Findlinge zur Seite gelegt und im Garten- und Landschaftsbau verwendet. Sand kommt vor allem in der Norddeutschen Tiefebene vor, wo in den Eiszeiten die immer wieder vordringenden Gletscher Geröllmassen aus Skandinavien ablagerten und die Endmoränen den Boden zermalmten. Auf Kies stößt man eher in der Nähe von Bergen und Flüssen, etwa in der Münchner Schotterebene. Quarzsand, das die Glas- und Keramikindustrie nachfragt, ist erdgeschichtlich noch einmal deutlich älter. Quarzsand hat Jan von Oesen nicht im Angebot, dagegen einen speziellen Sand für Reitplätze. "Der Reitsand wird mehrmals gesiebt. Da dürfen keine Steine oder Lehmklumpen drin sein, das muss ein homogenes Material sein."

Eine schwimmende Anlage am Rhein für den Kiesabbau
Eine schwimmende Anlage am Rhein für den Kiesabbau Bild: picture-alliance/Weingartner

Sand wird hier im Trockenabbau gewonnen. Fördern Saugbagger den Sand unterhalb der Grundwasserlinie, spricht man vom Nassabbau. Bis zu 18 Meter tief buddeln sich die Radlader in der Sandgrube Hülseberg in den Untergrund. Ein Lkw fährt langsam in die Grube ein - ein firmenfremdes Fahrzeug, das sieht  Jan von Oesen sofort. Der Fahrer steuert den Bereich an, der bereits ausgesandet ist. "Hier wird Boden von Baustellen verfüllt, das Ganze wird streng geprüft vom Landkreis." Bevor der erste Laster in der Grube abladen darf, muss ein Bodengutachten beim Landkreis eingeschickt und geprüft werden. Strenge Auflagen gab es auch für den Zufahrtsweg zur Grube. "Wir mussten eine 200 Meter lange asphaltierte Strecke bauen, auf der sich die Reifen reinigen können, bevor die  Lkw die öffentliche Straße erreichen." Verschmutzte Fahrbahnen bergen ein hohes Unfallrisiko. Jan von Oesen würde hierfür haften. Für den Notfall steht eine Kehrmaschine auf dem Betriebshof.

Bauschutt lässt sich recyceln

Weil Sand und Kies zunehmend knapp werden, müssen Lösungen her. Harald Elsner aus der Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoff plädiert für Recycling. Bauschutt und Beton müssten gebrochen und als Ersatz für Kies verwendet werden. "Aber in Süddeutschland lohnt sich das Recyceln häufig nicht. Kies ist dort billig zu haben." Statt Betonbruch, Ziegel, Fliesen und Rotstein aufwendig zu brechen und zu Kiesersatz aufzuarbeiten, wird im Süden Deutschlands das Material häufig in aufgelassenen Gruben verfüllt. In Norddeutschland ist das anders.

Renaturierte Sand- und Kiesgrube im Berliner Ortsteil Kaulsdorf
Renaturierte Sand- und Kiesgrube im Berliner Ortsteil KaulsdorfBild: picture-alliance/dpa/P. Zimmermann

Bereits vor 25 Jahren ist Jan von Oesen in das Recycling-Geschäft eingestiegen und hat sich gemeinsam mit einem örtlichen Bauunternehmen eine Anlage zum Brechen des Materials angeschafft. Das A und O ist dabei die Vorsortierung. "Das Material muss möglichst sauber angeliefert werden. Sonst müssen wir es, bevor es durch den Brecher geht, noch mal manuell sortieren." Das gebrochene Material kann im Straßenbau als Tragschicht den Kies ersetzen. Kies ist in Norddeutschland teuer, viel teurer als im Süden Deutschlands, wo der Rohstoff reichlich vorkommt. Aber auch die Preise beim Sand ziehen an - nicht nur wegen Inflation und Energiekrise, auch weil das Angebot regional stark schwankt.

Nicht jedes Abbauunternehmen hat es da so gut getroffen wie Jan von Oesens Betrieb. Seinem Sandhandel hat die Gemeinde kürzlich grünes Licht gegeben, in der Nähe Sand abzubauen. Auch hier nicht ohne Auflagen. Den Zufahrtsweg von der Grube zur Bundesstraße muss er wieder aus eigener Tasche bezahlen. Jan von Oesen nimmt es in Kauf. Für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre ist sein Betrieb damit abgesichert. Das freut auch seinen Sohn. Denn bald übernimmt die nächste Generation das Kommando im Sandhandel Neuenkrug.