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Sanfter Druck auf Jürgen Klopp

31. Mai 2019

Jürgen Klopp steht mit dem FC Liverpool zum zweiten Mal in Folge im Finale der Champions League. Ein wenig ist er dabei zum Siegen verdammt. Auch wegen einer Ankündigung, die er einst selbst gemacht hatte.

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Fussball Champions League Halbfinale l FC Liverpool vs FC Barcelona l Tor 1:0 Jubel - Klopp
Bild: Reuters/P. Noble

Am Tag vor dem ersten rein englischen Champions-League-Finale seit 2008 (Manchester United - Chelsea) gegen Tottenham (Samstag ab 20.45 Uhr im DW-Liveticker) ließ Jürgen Klopp sich nicht auf dem falschen Fuß erwischen. "Jedes bisherige Finale war anders. Andere Teams, andere Umstände. Ich weiß, worauf das hinauslaufen soll", so der Liverpool-Coach auf die Frage eines Journalisten, was er aus den vielen verlorenen Finals gelernt habe. Klopp agierte dabei nicht gereizt, sondern abgeklärt und souverän. Er war ganz offensichtlich auf diese Frage vorbereitet und ging mit ihr professionell um.

Abgeklärt, souverän und professionell soll an diesem Samstag auch sein Team, das gegen Ligakonkurrent Tottenham Favorit ist, agieren und so nach der letztjährigen Final-Niederlage gegen Real Madrid den ersehnten Champions-League-Titel in die englische Hafenstadt holen. Es scheint so, als sei alles für den großen Triumph von Klopp und seinem Team, das eine wahrhaftig überragende Saison spielt, bereitet. Und doch ist die Frage des Journalisten genauso berechtigt wie erwartbar. 

Fatale Finalbilanz

Denn Klopps Teams haben in Finals meist den kürzeren gezogen. Bei allen Erfolgen und begeisternden Fußballfesten, die der 51-Jährige mit Borussia Dortmund, dem FC Liverpool und seiner Philosophie des "Heavy Metal Fußballs" in den letzten Jahren gefeiert hat, ist die Bilanz in Endspielen ein deutlicher Makel in der kloppschen Vita, die ansonsten wie sein breites Lächeln strahlt. Denn Endspiele und Klopp, das passt bisher nicht zusammen.

DFB-Pokal Finale Borussia Dortmund gegen VFL Wolfsburg Juergen Klopp
Klopp nach dem verlorenen Pokalfinale 2015 gegen Wolfsburg, das sein letztes Spiel als BVB-Trainer war Bild: Reuters/Ina Fassbender

In der Champions League verlor der Deutsche beide seiner Finals, 2013 mit dem BVB gegen die Bayern, letztes Jahr wie erwähnt mit Liverpool gegen Real Madrid. Mit den Reds, für die er seit 2015 verantwortlich ist, verlor Klopp bisher in drei Endspielen dreimal (Champions League, Europa League, Liga-Pokal). Auch beim BVB verlor Klopp nach seinem bislang einzigen gewonnenen Endspiel, dem Pokal-Finale 2012, drei Finals in Folge. Nach der Niederlage im Champions-League-Finale 2013 gingen für Klopp und Dortmund zwei DFB-Pokalfinals in Folge verloren - 2014 gegen den FC Bayern, 2015 gegen den VfL Wolfsburg. 

Im Finale gegen Tottenham droht dem deutschen Erfolgstrainer also die siebte Final-Niederlage in Folge. Und trotz der sicher nicht nur vorgegaukelten Lässigkeit und Abgeklärtheit vor dem Finale ist ganz klar: Ein weiteres verlorenes Finale wäre ein schwerer Schlag für den Trainer, der laut eigener Aussage "eine unglaubliche Lust auf Erfolg" hat. Zwar ist die famose Saison des FC Liverpool schon jetzt ein Erfolg für den Trainer und seine Mannschaft, aber wie erwähnt ist eine solch starke Saison ohne Titel ganz sicher keine perfekte. Die letzte Titelchance gibt es also nun in der Champion League.

Nur gefühlt Meister

Denn in der Liga ging der Titel an den Konkurrenten Manchester City. Trotz schier unglaublicher 97 Punkte - nie holte der FC Liverpool in seiner langen Geschichte mehr Punkte in einer Saison - reichte es eben nicht zum Meistertitel. Die einzige Pleite der Saison, die Klopp und die Reds im Januar beim späteren Meister City kassiert hatten, reichte dem Titelverteidiger aus, um Liverpool, das sehnsüchtig auf den ersten Meistertitel seit 1990 wartet, hinter sich zu lassen. Eine überragende Saison gespielt, am Ende mit leeren Händen nach Hause gegangen. Ohne zu schmälern, was Klopp und sein Team Fantastisches gezeigt haben in dieser Premier League Saison, kann man trotzdem von einem Dilemma sprechen. Eines, das sich im Finale des wichtigsten internationalen Klubwettbewerbs der Welt bloß nicht wiederholen soll. Erst recht nicht nach dem als "Wunder von Liverpool" bezeichneten Halbfinal-Erfolg, bei dem Klopp und sein Team vor heimischer Kulisse ein 0:3 aus dem Hinspiel mit einem 4:0-Sieg drehten. 

Fussball Champions League l FC Liverpool - FC Barcelona l Jubel bei Trainer Jürgen Klopp, Mohamed Salah und Virgil van Dijk
"Never give up" - Klopp feiert mit Mo Salah (l.) und Virgil van Dijk den Einzug ins Champions-League-FinaleBild: picture alliance/dpa/P. Byrne

Denn zwar will Klopp gerade auch nach solchen Jahrhundertspielen als Trainer berechtigterweise nicht nur an Titeln gemessen werden, doch im Fußball - besonders im europäischen Spitzenfußball - vollenden letztlich eben doch nur Titel die Arbeit aller Beteiligten vollständig - das gilt für die Saison des FC Liverpool und das gilt für seinen Trainer, Jürgen Klopp.

"Die Silbermedaille hat in meinem Trophäenschrank eine Relevanz. Dass das von außen nicht so betrachtet wird, könnte mir nicht egaler sein. Ich habe an mich selbst nur den Anspruch, alles zu geben. Das bedeutet aber nicht, dass man auch alles bekommt", sagte Klopp kürzlich in einer Dokumentation, für die das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) den Startrainer mehrfach zu Interview-Sessions in Liverpool getroffen hatte. Und man nimmt dem deutschen Erfolgstrainer das auch zu hundert Prozent ab - denn Klopp wirkt und ist ehrgeizig, jedoch nicht vom Ehrgeiz zerfressen. Klopp, der in Liverpool auch ohne Titel bereits jetzt Heldenstatus genießt und der wie kaum ein Zweiter im europäischen Spitzenfußball so sehr zu seinem Klub und zur Identität passt, ist aber ganz sicher ehrgeizig genug, um gegen Tottenham nur mit der "Goldmedaille" zufrieden zu sein. 

Klopp muss Ankündigungen wahr machen

Denn Klopp selber hatte bei seinem Amtsantritt in Liverpool im Oktober 2015 einen Titel "binnen vier Jahren" angekündigt. Diese vier Jahre sind im Oktober rum - auch das verstärkt den Eindruck, den zumindest in Deutschland fast jeder hat, dass Klopp und die Reds dieses Mal endlich dran sind mit dem ganz großen Wurf. Den wiederum hatte der Liverpool-Coach nach dem verlorenen Finale im vergangenen Jahr ebenfalls angekündigt, als er zu später Stunde dabei gefilmt wurde, wie er unter anderem mit Toten-Hose-Sänger und Liverpool-Fan Campino sang, dass man "den Titel eben im nächsten Jahr nach Liverpool holen" müsse.

UK Klopp und Pochettino
Jürgen Klopp und Maurico Pochettino, Trainer des Finalgegners TottenhamBild: picture-alliance/empics/A. Davy

Diese Chance haben Klopp und die Reds nun tatsächlich und natürlich wäre Jürgen Klopp nicht Jürgen Klopp, der Meister der Worte und der Motivation, wenn er nicht auch aus den Niederlagen der Vergangenheit mentale Kraft und positive Energie erzeugen würde. "Die Erfahrung, die ich gemacht habe, ist: Ein verlorenes Finale tut weh. Aber ein verlorenes Finale ist manchmal auch wie eine Medizin. Und ich habe in meiner Kindheit mal gelernt: Eine gute Medizin muss schlecht schmecken, aber sie hilft", sagte Klopp unter der Woche und zeigte damit mal wieder sein rhetorisches Geschick. Dieses ließ er auch am Tag vor dem Finale aufblitzen. "Seit 2012 war ich fast jedes Jahr mit meinen Teams in einem Finale. Vielleicht bin sogar ich Weltrekord-Halter im Gewinnen von Halbfinals. Letztes Jahr waren wir von uns selbst überrascht, dass wir auf einmal im Finale standen. Aber wir waren längst nicht so konstant wie in dieser Saison. Wir wollen den Pokal gewinnen, deshalb sind wir hier", so Klopp auf der Abschluss-PK.

Und da war sie dann doch, die Ankündigung, unbedingt den Titel holen zu wollen und vielleicht auch zu müssen. Das sieht sogar Mauricio Pochettino, Trainer des Final-Gegners Tottenham, ein wenig so: "Sie sind das beste Team in England. Fantastischer Trainer, fantastische Spieler. Sie verdienen den Titel. Für uns geht es darum, das Spiel zu genießen und zu versuchen, am Ende als Sieger vom Platz zu gehen", sagte der Argentinier, der nach seinem Kollegen vor die versammelte Presse im Final-Spielort Madrid trat. Jürgen Klopp und die Reds sind endgültig titelreif - das bestätigt sogar der gegnerische Trainer. Die Tür zum Thron Europas ist für Klopp und sein Team so weit auf wie nie zuvor. Jetzt müssen sie allerdings noch durchgehen. 

DW Kommentarbild David Vorholt
David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion