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PolitikIsrael

Sanktionieren die USA erstmals eine Militäreinheit Israels?

23. April 2024

Das israelische Bataillon "Netzah Yehuda" soll unter anderem von US-Geldern ausgeschlossen werden. So etwas hat es bisher noch nie gegeben.

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Soldaten des Netzah-Yehuda-Bataillon stehen stramm vor Maschinenpistolen
Ultraorthodoxe Soldaten während ihrer Vereidigung für das Netzah-Yehuda-Bataillon (Archivbild) Bild: Jim Hollander/dpa/picture alliance

Laut Medienberichten will US-Außenminister Antony Blinken in den kommenden Tagen Sanktionen gegen ein Bataillon der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) ankündigen. Der Einheit "Netzah Yehuda" (Judäa für immer) werden Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit Palästinensern im von Israel besetzten Westjordanland vorgeworfen.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur AP wurde auf US-Seite gegen fünf Militäreinheiten wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen ermittelt. Die Sanktionen richten sich jedoch nur gegen diese eine. Die Beschränkungen sehen zwei Punkte vor: Zum einen darf keine US-Militärhilfe an "Netzah Yehuda" fließen. Zum anderen soll die Teilnahme an Ausbildungen, die von den USA finanziert werden, eingeschränkt werden. Die israelische Regierung hat bereits angekündigt, sich gegen die Sanktionen zu wehren.

Wer steckt hinter "Netzah Yehuda"?

Das Bataillon "Netzah Yehuda" wurde Ende der 1990er Jahre als religiöse Spezialeinheit gegründet, um auch ultraorthodoxen Juden (Haredim) den Militärdienst zu ermöglichen. Sie erhalten zum Beispiel Zeit für Gebete oder religiöse Studien, das Essen ist koscher und der Umgang mit Soldatinnen ist eingeschränkt. Das Bataillon ist Teil der Infanterie-Brigade Kfir. Ihm gehören nach eigenen Angaben etwa 1000 Soldaten an. Es ist innerhalb der ultraorthodoxen Gemeinschaft, die eine Pflicht zum Militärdienst weitgehend ablehnt, umstritten.

Viele der Soldaten sind freiwillig im Dienst, denn bislang sind Haredim vom Militärdienst befreit. Wer bis zu einem gewissen Alter eine Yeshiva besucht hat, also eine religiöse Schule, kann nicht eingezogen werden. Doch immer mehr Politiker fordern eine Änderung dieser Regel. Schon 1998 wurde diese Praxis von Israels Oberstem Gericht als diskriminierend bewertet. Seit dem Beginn des Kriegs gegen die von Israel, der EU, den USA und anderen Staaten als terroristisch eingestufte  Hamas im Gazastreifen im Herbst 2023 haben sich tausende Haredim freiwillig zum Dienst gemeldet.

Ultraorthodoxe Soldaten der Netza Yehuda bei einem Gebet
Das Bataillon hat sich auf Haredim eingestellt: Ultraorthodoxe Soldaten der Netzah Yehuda bei einem Gebet (Archivbild) Bild: Menahem Kanaha/AFP/Getty Images

Sammelbecken für radikale Siedler?

Sowohl ultraorthodoxe als auch national-religiöse Israelis sind Teil der Einheit. Unter ihnen sind auch radikale Siedler aus dem besetzten Westjordanland, die den Parteien der rechtsextremen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir nahe stehen. Im Laufe der Zeit haben sich laut der US-amerikanischen Nachrichtenwebseite Axios auch immer mehr Anhänger der "Hilltop Youth" dem Bataillon angeschlossen. Als "Hilltop Youth" werden junge radikale und teilweise gewalttätige Jugendliche der Siedlerbewegung bezeichnet. Die "Hilltop Youth" wurde wegen ihrer Angriffe auf Palästinenser erst vergangene Woche mit EU-Sanktionen belegt.

Das Bataillon war ursprünglich im besetzten Westjordanland stationiert. Ende 2022 wurde es nach Nordisrael verlegt. Mittlerweile ist "Netzah Yehuda" auch am Krieg im Gazastreifen beteiligt.

Was wird dem Bataillon konkret vorgeworfen?

Das Bataillon wird laut "Times of Israel" mit Rechtsextremismus und Gewalt gegen Palästinenser in Verbindung gebracht. Die US-Regierung ist laut der Nachrichtenwebseite Axios bereits 2022 auf das Bataillon aufmerksam geworden, nachdem es zu gewalttätigen Vorfällen gegen palästinensische Zivilisten gekommen sei.

Mitglieder des Bataillons sollen einen fast 80 Jahre alten Mann stundenlang geknebelt und gefesselt haben. Der palästinensische US-Bürger starb wenige Stunden später an einem stressbedingten Herzinfarkt, vermutlich ausgelöst durch diesen Vorfall, wie die "Washington Post" und weitere Medien berichteten. Die IDF verurteilte die Tat damals als "moralisches Versagen". Es sei eine schlechte Entscheidung der Verantwortlichen gewesen. Zwei Offiziere wurden ihres Postens enthoben, ein dritter gerügt. Eine strafrechtliche Verfolgung gab es jedoch nicht. 

Der Fall erregte besonders aufgrund der doppelten Staatsbürgerschaft und des hohen Alters des Mannes Aufmerksamkeit - und weil das US-Außenministerium eine Untersuchung anforderte. Menschenrechtsverteidiger nennen jedoch weitere Fälle von Misshandlung und Folter von Palästinensern.

Wie reagiert Israel?

Die israelische Regierung reagierte empört auf entsprechende Sanktions-Berichte. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu postete in der Nacht zum Sonntag auf der Plattform X, ehemals Twitter: "Gegen die israelische Armee dürfen keine Sanktionen verhängt werden!" Seine Regierung werde mit allen Mitteln gegen die Maßnahmen vorgehen. Er schrieb weiter: "In einer Zeit, in der unsere Soldaten die Monster des Terrors bekämpfen, ist die Absicht, eine Einheit der IDF (Israel Defense Forces) mit Sanktionen zu belegen, der Gipfel der Absurdität und ein moralischer Tiefpunkt."

US-Außenminister Blinken und der israelische Ministerpräsident Netanjahu geben sich die Hand
US-Außenminister Blinken und der israelische Ministerpräsident Netanjahu: "Moralischer Tiefpunkt"?Bild: GPO/Anadolu/picture alliance

Die IDF erklärten, dass ihnen keine Sanktionen gegen eine ihrer Einheiten bekannt seien und fügten hinzu: "Wenn eine Entscheidung in dieser Angelegenheit getroffen wird, wird sie überprüft werden."

Gibt es weitere Sanktionen der USA ?

Sanktionen gegen die israelische Armee sind neu. Dennoch haben die USA bereits Sanktionen gegen Israel ausgesprochen. Erst vor kurzem verhängten sie Strafmaßnahmen gegen extremistische Siedler sowie gegen Ben-Zion Gopstein. Er gilt als Vertrauter des rechtsextremen Ministers für Nationale Sicherheit, Ben-Gvir. Außerdem setzten die USA zwei Organisationen auf ihre Sanktionsliste, die bereits sanktionierte extremistische Siedler finanziell unterstützen. Vermögenswerte in den USA werden blockiert. Außerdem sind US-Bürgern oder Menschen, die sich in den Vereinigten Staaten aufhalten, Geschäfte mit sanktionierten Organisationen und Einzelpersonen untersagt.

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft