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PolitikNahost

Saudi-Arabien denkt über Atomwaffen nach

17. November 2020

Das internationale Atomabkommen mit dem Iran bisher auch andere Länder von atomaren Ambitionen abgehalten. Ein Statement aus Riad zeigt aber: Das kann sich ändern. Deutsche Politiker hoffen auf den neuen US-Präsidenten.

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Saudi-Arabien Adel al-Dschubair | Staatsminister für Auswärtiges
Der saudische Staatsminister für Auswärtiges Adel al-Dschubair im Interview mit der DPABild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Saudi-Arabien behält sich eine atomare Bewaffnung für den Fall vor, dass eine iranische Atombombe nicht verhindert werden kann. Der saudische Staatsminister für Auswärtiges, Adel al-Dschubair, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Das ist definitiv eine Option." Wenn der Iran zur Nuklearmacht werde, würden andere Länder folgen, so der Minister. Saudi-Arabien habe "sehr klar gemacht, dass es alles tun wird, was möglich ist, um seine Bevölkerung und sein Staatsgebiet zu schützen", sagt der Staatsminister des Landes, das am Wochenende auch Gastgeber des G-20 Gipfels ist.

Seit langem ringen Saudi-Arabien und der Iran um die Vorherrschaft im Nahen und Mittleren Osten, einer Region mit zahlreichen Konflikten wie den blutigen Kriegen in Syrien oder im Jemen. Der Iran arbeitet seit Jahrzehnten an der Nutzung der Atomkraft. 2015 schlossen die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland ein Abkommen mit der Regierung in Teheran. Während der Westen damit Teheran am Bau einer Atombombe hindern will, erhielt der Iran die Erlaubnis, in engen Grenzen Uran für medizinische und wissenschaftliche Zwecke herzustellen. Zudem wurden Wirtschaftssanktionen gegen Teheran aufgehoben.

Im Mai 2018 stiegen die USA unter Präsident Donald Trump allerdings aus dem Abkommen aus und brachten es an den Rand des Scheiterns. Die Trump-Regierung wollte immer ein weitreichenderes Abkommen, das auch das iranische Raketenprogramm umfasst und die Einmischung des Landes in regionale Konflikte unterbindet. Saudi-Arabien unterstützt dieses Anliegen.

Iran I Atomkraft I Atomanlage Natanz
Die iranische Atomanlage Natanz, in der Uran angereichert wirdBild: Imago Images/UPI

Gefragt, ob er unter Joe Biden als US-Präsident einen Kurswechsel befürchte, wich der saudische Staatsminister al-Dschubair aus: "Das werden wir sehen". Er bezeichnet das bisherige Abkommen als "schwach". Trump gilt als treuer Verbündeter Saudi-Arabiens. Biden hat einen Wiedereintritt zum Atomabkommen nicht ausgeschlossen, sollte sich der Iran wieder an die Vorgaben halten.

Droht eine Nuklearisierung des Nahen Ostens?

Die Aussicht, dass im Fall einer iranischen Atombombe in der Region ein Domino-Effekt eintreten könnte, beunruhigt auch außenpolitische Experten in der deutschen Politik. Das Atomabkommen mit dem Iran sei bislang "das zentrale Hindernis gegen die Nuklearisierung des Nahen Ostens", sagt Omid Nouripour, der außenpolitische Sprecher der Grünen der Deutschen Welle. Er betonte, das Atomabkommen helfe nicht nur, eine iranische Bombe zu verhindern, sondern unterdrücke auch die Ambitionen anderer Länder, eine Atombombe zu bauen. "Deshalb haben die Hardliner auf beiden Seiten des Golfs alles daran gesetzt, das Abkommen zu kippen."

Deutschland Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) im Bundestag
Deutliche Warnung von dem Grünen-Abgeordneten Omid NouripourBild: Imago Images/C. Spicker

Wenn das Atomabkommen mit dem Iran keine Wirkung mehr entfalten sollte, kann nach Ansicht des Grünen-Politikers das sensible Sicherheitskonstrukt in der Golfregion aus den Fugen geraten. Nouripour hofft, dass Deutschland das Thema gemeinsam mit der künftigen Regierung in Washington bald entschärfen kann. Europa müsse zusammen mit der neuen Administration von Joe Biden das Atomabkommen retten, sagt der Grünen-Politiker. Alles andere führe zu Atomwaffen in unmittelbarer europäischer Nachbarschaft. 

Ganz anders der außenpolitische Sprecher der FDP, Bijan Djir-Sarai: Er gibt dem Atomabkommen keine Zukunft mehr. Die Europäer brauchen dringend eine neue Iran-Strategie, so Djir-Sarai im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Niemand kann dem Abkommen beitreten, was wir in 2016 hatten. In der Zwischenzeit hat sich politisch einiges geändert, auch in der Region", sagt der liberale Politiker mit iranischen Wurzeln. Aus seiner Sicht "macht ein Atomabkommen mit dem Iran nur Sinn, wenn weitere Aspekte berücksichtigt werden, beispielsweise das iranische Raketenprogramm, und vor allem die Rolle des Irans in der gesamten Region".

Saudi-Arabien plant bereits Atomkraftwerke

Bisher ist von einem Atomprogramm des Königreichs nichts bekannt. Ebenso besitzt es keine Atomkraftwerke. Allerdings hat das autoritär geführte Land erklärt, im Lauf der nächsten drei Jahrzehnte 16 Kernreaktoren bauen zu wollen. Damit soll der wachsende Energiebedarf gedeckt und kleinere Reaktoren auch bei der Entsalzung von Meerwasser eingesetzt werden. Bei seinen Atomkraft-Projekten arbeitet Riad vor allem mit China zusammen.

Saudi Arabien Donald Trump 2017- Riad
US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen mit König Salman Bin Abdelaziz in Riad 2017 Bild: Balkis Press/ABACA/picture alliance

Saudi-Arabien hat wie der Iran den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, in dem sich die Staaten ohne Atomwaffen dazu verpflichten, auch künftig keine anzuschaffen. Allerdings gibt es schon länger Befürchtungen, dass sich der Golfstaat auch die Möglichkeit zum Bau von Atomwaffen offenhalten könnte. 

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hat im Januar im Streit um das Atomabkommen mit dem Ausstieg aus dem Atomwaffensperrvertrag gedroht. Seit 2015 hat der Iran mehrfach die Auflagen gebrochen. Kürzlich wurde ein vertraulicher Bericht der UN-Atomenergie-Behörde IAEO bekannt, wonach der Iran entgegen dem Regelwerk des internationalen Atomabkommens erste fortgeschrittene Uran-Zentrifugen unterirdisch installiert hatte.

rom/nob/kle (dpa, rtr, DW)