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Rivalen am Golf

Chamselassil Ayari17. Mai 2013

Im Kampf um regionale Vorherrschaft ist Saudi-Arabien der schärfste Konkurrent des Iran. Das zeigt sich auch in Syrien. Ein Sturz des dortigen Regimes könnte die Machtverhältnisse zugunsten der Saudis verschieben.

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Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad und Saudi Arabiens König Abdullah (Foto: Reuters)
Abdullah und AhmadinejadBild: REUTERS

Der Konflikt zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran zeigt sich exemplarisch an den Beispielen Syrien und Bahrain: Während die Saudis den Rücktritt des syrischen Diktators Baschar Al-Assad fordern und mit Hilfe saudischer Gelder Waffen an die Opposition geliefert werden, rüstet Teheran umgekehrt das syrische Regime auf und schickt laut zahlreichen Berichten und Experteneinschätzungen sogar Spezialtruppen, um den Aufstand niederzuschlagen. Auch die weitgehend vom Iran finanzierte libanesische Schiiten-Miliz Hisbollah kämpft an Seiten des syrischen Regimes.

Dass Saudi-Arabien den Aufstand gegen Al-Assad jedoch nicht aus Gründen der regionalen Demokratieförderung unterstützt, zeigt sich im benachbarten Bahrain, dessen Bevölkerung mehrheitlich schiitisch ist: Saudi-Arabien schickte Anfang 2011 sogar eigene Truppen und Panzer dorthin, um einen überwiegend von Schiiten getragenen Volksaufstand gegen die autokratisch regierende sunnitische Herrscherfamilie niederzuschlagen. Teheran quittierte dies mit Protest - und forderte Bahrains Schiiten offen dazu auf, den Aufstand weiterzuführen.

Arabische Revolutionen haben Rivalität verstärkt

Die saudisch-iranische Rivalität um regionale Vorherrschaft ist nicht neu. Neu ist jedoch, dass die Rivalität zunehmend offen auf immer mehr regionalen Schauplätzen ausgetragen wird. "Der arabische Frühling hat nur eine Entwicklung beschleunigt, die wir schon seit etwa 2003 beobachten können", sagt Guido Steinberg, Nahost-Experte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Gründe für die Rivalität gibt es zahlreiche: Sowohl Saudi-Arabien als auch der Iran stellen geopolitische Schwergewichte in der Region dar. Saudi-Arabien ist mit dem Wahhabismus einer besonders konservativen Lesart des sunnitischen Islam verpflichtet; es versteht sich als sunnitisches Kernland und Hüter der wichtigsten heiligen Stätten des Islam. Der Iran wiederum ist ebenfalls streng islamisch verfasst, dabei aber der einzige von Schiiten getragene Staat dieser Art. Beide Länder sind auch flächenmäßig Schwergewichte, beide gehören zu den wichtigsten Erdölexporteuren der Welt. Und während Saudi-Arabien zusammen mit den übrigen Golfstaaten eine strategische Allianz mit den USA bildet, kooperiert der Iran mit Staaten wie Russland, Nordkorea oder Venezuela.

Saudi-Arabiens König Abdullah (Foto:AP/dapd)
Saudi-Arabiens König Abdullah unterhält gute Beziehungen zum WestenBild: AP

Argwohn über Irans gestiegenen Einfluss

Einer der wichtigsten Auslöser für die heutige saudisch-iranische Rivalität war laut Steinberg der US-Einmarsch im Irak und der daraus resultierende Sturz von Diktator Saddam Hussein, dem Erzfeind des Iran. "Die Saudis haben dies keineswegs als Befreiung des Landes gesehen - sondern als Übergabe des Irak an den Iran", so Steinberg im Gespräch mit der DW.

Nahost-Experte Guido Steinberg (Foto:DW/S. Amri)
Nahost-Experte Guido Steinberg warnt vor einem "kalten Krieg"Bild: DW/S. Amri

Tatsächlich ist der iranische Einfluss im Irak seit dem Sturz des Sunniten Saddam Hussein stark gestiegen - die schiitische Bevölkerungsmehrheit hat einen enormen Bedeutungszuwachs erfahren. Führende schiitische Politiker wie Ministerpräsident Nuri Al-Maliki pflegen enge Bindungen zu Teheran. Parteien werden mit iranischen Geldern unterstützt. Milizen und Kämpfer, die einen Teil der irakischen Sicherheitskräfte stellen, wurden teils im Iran ausgebildet.

Nicht nur Saudi-Arabien, auch viele andere Nachbarstaaten beobachten den iranischen Machtzuwachs mit Argwohn. "Viele Sunniten und ihre Regierungen betrachten dies als Aufstieg einer gegnerischen Konfession", meint Steinberg. So warnte der jordanische König Abdullah II. bereits Ende 2004 vor der Gefahr eines heraufziehenden "schiitischen Halbmonds" in der Region - und meinte damit neben dem Irak auch Syrien und den Libanon. Dort bildet die iranisch unterstützte Hisbollah bereits seit Jahrzehnten eine Art Staat im Staate.

Die Sorgen der Saudis und anderer sind auch innenpolitisch motiviert: In vielen sunnitisch geprägten Staaten der Region leben schiitische Minderheiten – allein in Saudi-Arabien sind es laut Schätzungen zwischen fünf und zehn Prozent. Befürchtet wird, dass der Iran sie politisch instrumentalisieren könnte. Typisch für diese Sichtweise ist ein Kommentar, den die Online-Seite des in Katar beheimateten Senders Al-Jazeera veröffentlichte: Der Iran wolle "mit aller Kraft die schiitische Konfession verbreiten", lautet dort der Vorwurf. "Er verteidigt und unterstützt Schiiten in allen Ländern mit dem Ziel, aus dem Iran ein politisches Schwergewicht nicht nur in der Region, sondern auf internationaler Ebene zu machen."

"Kalter Krieg" in Nahost?

Verstärkt werden solche Befürchtungen durch Irans Atomprogramm. Saudi-Arabien reagiert darauf schon heute mit immer mehr Waffenkäufen. Laut Schätzungen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri verzeichneten Riads Militärausgaben alleine im vergangenen Jahr ein Plus von zwölf Prozent. Atomwaffen besitzt Saudi-Arabien nach allgemeinem Wissensstand bisher zwar nicht. "Aber sobald die Iraner die Fähigkeit hätten, eine Bombe zu bauen, würden die Saudis sofort dagegen halten", prophezeit Steinberg und spricht von einem "kalten Krieg" in der Region. Aus saudischer Sicht hat dieser längst begonnen. Man erlebe heute einen "kalten Krieg des Iran gegen die arabischen Länder", kommentierte kürzlich die mit saudischen Geldern finanzierte, einflussreiche Tageszeitung "Asharq Al-Awsat". Dies sei "ein fester strategischer Pfeiler der iranischen Außenpolitik".

Historische und konfessionelle Rivalitäten

Handfeste geostrategische Interessen vermischen sich im saudisch-iranischen Konflikt zusätzlich mit der historischen Rivalität zwischen Arabern und Persern sowie der teils feindseligen Konkurrenz zwischen den islamischen Konfessionen der Sunniten und Schiiten, die schon fast 1400 Jahre alt ist. "Der konfessionelle Konflikt braucht aber immer wieder einen politischen Zünder", sagt Nahost-Experte Steinberg. Wo der auf saudischer Seite gesehen wird, ist bei "Asharq Al-Awsat" nachzulesen: Schon Ayatollah Khomeini habe das schiitische Modell der islamischen Revolution mit Waffengewalt exportieren wollen, schreibt das Blatt, die heutige Machthaber im Iran verfolgten das gleiche Ziel "mit subtilen Mitteln".

Irans Ajatollah Ali Chamenei vor einem Porträt Khomeinis (Foto:SAJAD SAFARI/AFP/Getty Images)
Immer noch auf Export der islamischen Revolution aus? Irans Ajatollah Ali Chamenei vor einem Porträt KhomeinisBild: Sajad Safari/AFP/Getty Images

Doch auch Saudi-Arabien spielt offensiv die konfessionelle Karte: Das Land unterstützt im Libanon die sunnitische Minderheit und in Syrien die mehrheitlich sunnitische Opposition. Die Rechnung, die dahinter steckt, ist einfach: Je mehr der Iran geschwächt wird – etwa durch einen Sturz Al-Assads -, desto stärker wird Saudi-Arabien, auch wenn es innerhalb des sunnitischen Lagers zusätzlich mit Staaten wie Katar und der Türkei konkurrieren muss.

Konfliktverschärfend wirken laut Steinberg die religiös begründeten politischen Systeme Irans und Saudi-Arabiens – aus beiden lässt sich ein Anspruch auf eine Führungsrolle in der islamischen Welt begründen: "Wenn sich an diesen Systemen nichts grundsätzlich ändert, wird dieser Konflikt sicher noch länger andauern oder sogar auf weitere Staaten ausgreifen."