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Saudi-Arabien sucht Annäherung an Palästinensergebiete

17. August 2023

Saudi-Arabien hat erstmals einen Botschafter für die Palästinensischen Autonomiebehörden ernannt. Der Golfstaat möchte damit die Beziehungen zu Palästina stärken.

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Blick auf Jerusalem. In der Mitte: der Felsendom
Saudi-Arabien hat erstmals einen Botschafter für die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah ernanntBild: Ronen Zvulun/REUTERS

Zum ersten Mal hat Saudi-Arabien einen Botschafter für die Palästinensergebiete ernannt. Am Samstag vergangener Woche überreichte Nayef al-Sudairi, Botschafter Saudi-Arabiens in Jordanien, einer Delegation aus den palästinensischen Autonomiegebieten sein Beglaubigungsschreiben. Dieses weist ihn als ersten saudischen Botschafter für die Palästinensergebiete und zugleich als saudischen Generalkonsul in Jerusalem aus. Sein Dienstsitz bleibt allerdings im jordanischen Amman.

Gelegentliche Reisen werden al-Sudairi im Rahmen seiner beiden neuen Funktionen zwar auch nach Jerusalem führen. Dass dort aber mit einer festen saudischen Residenz für diplomatische Kontakte zu Palästina nicht zu rechnen ist, stellte der israelische Außenminister Eli Cohen umgehend klar.

Al-Sudairi könne zwar mit Vertretern der Palästinensischen Autonomiebehörde zusammentreffen, sagte Cohen vor einigen Tagen dem in Tel Aviv ansässigen Radiosender 103 FM. Eine offizielle Präsenz werde er in Jerusalem jedoch nicht haben. "Das werden wir nicht zulassen", sagte Cohen.

Israelisch-saudische Annäherung

Die Ernennung al-Sudairis fällt in eine Zeit, in der sich Saudi-Arabien und Israel in diplomatischen Schritten aufeinander zubewegen. Zwar hat das saudische Königreich bislang keines der sogenannten Abraham-Abkommen unterzeichnet, die nach Jahrzehnten des angespannten zwischenstaatlichen Verhältnisses eine Normalisierung der Beziehungen Israels zu seinen Nachbarstaaten erlauben. Doch lässt Riad seit Längerem erkennen, dass es sich einem normalisierten Verhältnis zu Israel nicht verweigern würde. So hatte Saudi-Arabien im vergangenen Jahr erstmals Direktflüge aus Israel erlaubt.

Eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien ist zudem ein außenpolitisches Ziel der Regierung des US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden. Nachdem dessen Vorgänger Donald Trump die Abraham-Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain und in deren Folge auch mit dem Sudan und Marokko in die Wege geleitet hatte, will Biden nun offenbar eine ähnliche Vereinbarung zwischen Jerusalem und Riad angehen. Dieses hätte symbolisch eine noch größere Bedeutung als die mit den anderen Staaten geschlossenen Abkommen.

Israel, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate unterzeichnen die Abraha-Vereinbarungen, Weißes Haus, September 2020. Von links nach rechts: der bahrainische Außenminister Abdullatif al-Zayani, der israelische Premier Benjamin Netanjahu, der damalige US-Präsident Donald Trump, der Außenminister der VAE, Abdullah bin Zayed Al-Nahyan.
Historische Einigung: Israel, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate unterzeichnen 2020 die Abraham-Vereinbarungen Bild: SAUL LOEB/AFP

Saudi-Arabien und die Palästinenser: ein wechselvolles Verhältnis

"Saudi-Arabien tritt nicht bloß als ein weiterer arabischer Staat auf", sagt der Politologe Uzi Rabi, Direktor der israelischen Denkfabrik "Moshe Dayan Center for Middle Eastern and African Studies", die an die Universität Tel Aviv angeschlossen ist. "Saudi-Arabien ist ein führender Staat in der arabischen und islamischen Welt. Als solcher tritt er auch auf, wenn es um Israel und die Palästinenser geht", so Rabi im DW-Interview.

Mit der Ernennung al-Sudairis nimmt Saudi-Arabien nun offenbar eine Art Kurskorrektur vor. Unter der Herrschaft des Kronprinzen Mohammed bin Salman (MBS) hatte sich das Königreich zuletzt von den Palästinensern entfremdet. Diese seien im Kalkül des Kronprinzen nur "ein lästiges Hindernis für sein Verhältnis zu Israel, das er so rasch wie möglich besei­tigen will", schrieb der Nahpostexperte Guido Steinberg von der "Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik" bereits vor einigen Jahren.

Die Haltung des Kronprinzen gegenüber den Palästinensern trifft in der arabischen Welt allerdings nicht nur auf Zustimmung. "Die saudische Führung ist sich der Haltung ihrer heimischen Bevölkerung und der anhaltenden Bedeutung der palästinensischen Frage in der saudischen Bevölkerung und in der gesamten arabischen Welt sehr bewusst", sagt Anna Jacobs, Expertin für die Arabische Golfhalbinsel bei der Denkfabrik "International Crisis Group", der DW.

Tatsächlich empfinden viele Araber weiterhin starke Solidarität mit den Palästinensern. So etwa sind laut dem vom "Arab Center Washington" erhobenen Arab Opinion Index 2022 rund 76 Prozent der Befragten aus 14 arabischen Ländern der Ansicht, die Anliegen der Palästinenser seien die aller Araber.

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman beim G20-Gipfel in Indonesien im April 2023
Saudi-Arabien: Zuletzt gab es Hinweise auf eine Normalisierung der Beziehungen zu IsraelBild: Leon Neal/Getty/AP/picture alliance

Auf dem Weg der Normalisierung

Dass Saudi-Arabien nun einen Botschafter für die Palästinensergebiete ernannt hat, ist offenbar ein Zugeständnis an die Solidarität vieler Araber mit den palästinensischen Anliegen. Zwar seien diese für Riad nicht der zentrale Aspekt in der Annäherung zu Israel, sagt Uzi Rabi. "Aber für Saudi-Arabien als führenden Staat der arabischen Welt geht es darum, den Normalisierungsprozess zu legitimieren, und zwar durch Gesten gegenüber den Palästinensern."

Das deutete auch al-Sudairi selbst an. Mit dem Schritt unterstreiche die saudische Staatsspitze ihren Wunsch, die Beziehungen zu den "Brüdern des Staates Palästina zu stärken und ihm in allen Bereichen einen formellen Schub zu geben", sagte der Diplomat in einem vom Fernsehsender al-Echbarija ausgestrahlten Video.

Der iranische Außenminister Hussein Amirabdollahian (l.), der damalige chinesische Chefdiplomat Qin Gang und der saudische Außenminister Faisal bin Farhan reichen sich in Peking die Hände, März 2023
Annäherung in Peking: der iranische Außenminister Hussein Amirabdollahian, der damalige chinesische Chefdiplomat Qin Gang und der saudische Außenminister Faisal bin Farhan Bild: Iranian Foreign Ministry/AFP

Interesse an einer Einigung

Dass Israel auf die Ernennung al-Sudairis zurückhaltend reagiert, dürfte auf die gemeinsamen Interessen zurückgehen, die Israel mit Saudi-Arabien verbindet. Dies gilt besonders mit Blick auf Iran. Zwar hatten Saudi-Arabien und Iran sich im März dieses Jahres unter chinesischer Vermittlung bereiterklärt, ihre jahrzehntelange Feindschaft beizulegen. Doch das Verhältnis der beiden Staaten sei immer noch angespannt, sagt Uzi Rabi. Deswegen hoffe man in Riad auf weitere militärische Unterstützung durch die USA.

Auch in Jerusalem wird Iran als existentielle Gefahr gesehen. Tatsächlich hat die Staatsführung in Teheran wiederholt von der Vernichtung Israels gesprochen. So sind Jerusalem und Riad durch die gemeinsame Gegnerschaft zu Teheran verbunden. Auch die USA haben ein angespanntes Verhältnis zu Teheran. "Insofern haben alle Seiten - (Israels Premier) Benjamin Netanjahu, Mohamed bin Salman und Joe Biden - Interesse an einer Einigung", sagt Uzi Rabi. "Darum sollte sich Israel eine Geste gegenüber den Palästinensern einfallen lassen, die auch die Regierung in Riad zufriedenstellt", so Uzi Rabi. "Dann könnte die Annäherung umgesetzt werden."

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DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika