Saudisch-amerikanische Zweckgemeinschaft
4. September 2015Sein Land habe Verständnis für die Sorgen der Golfstaaten, ließ US-Präsident Obama seinen Gesprächspartner, den saudischen König Salman bei dessen Besuch in Washington wissen. Besonders verstehe man, dass das Königreich mit Sorge auf die Lage im Jemen blicke. Dort führt eine internationale, von Saudi-Arabien angeführte Koalition seit mehreren Monaten Krieg gegen die aufständischen Huthis. Indirekt gilt dieser auch dem Iran. Saudi-Arabien verdächtigt die Regierung in Teheran, ihren Einfluss in dem bitterarmen Land im Süden der arabischen Halbinsel mit unlauteren Mitteln wie etwa der Aufwiegelung der überwiegend schiitischen Huthis vergrößern zu wollen.
Die Sorge um den Jemen ist nicht die einzige, die die saudische Regierung treibt. Sie befürchtet, Iran könne sich durch die Einigung bei den Atomgesprächen ermutigt sehen, seinen Einfluss in der gesamten Region auszubauen. Den benachbarten Jemen sieht sie nur als ein Glied einer längeren Kette, die auch den Irak, Syrien und den Libanon umfasst. Tatsächlich hat der iranische Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten Mitte dieser Woche in einem Pressegespräch noch einmal die Entschlossenheit seines Landes betont. "Wir unterstützen unsere Freunde im Libanon", erklärte er. "Und wir unterstützen weiterhin unsere syrischen Brüder. Und ebenso unterstützen wir unsere Brüder im Irak. Wir haben sie nicht auf halber Strecke aufgegeben. Wenn wir etwas anfangen, führen wir es zu Ende."
Saudische Zweifel
Entsprechend groß sind die Sorgen in Saudi-Arabien. Der Krieg im Jemen hat gezeigt, dass das Land unter dem neuen König und dessen Sohn, dem gerade erst 35 Jahre alten Verteidigungsminister Mohammed bin Salman, entschlossen ist, seinen Anspruch als sunnitische Führungsmacht zu behaupten. Dies versucht das Königreich mit militärischen Mitteln. Es setze aber auch auf Diplomatie, schreibt das mit der Politik des Nahen Ostens befasste Online-Magazin "Al Monitor": "Die Saudis wollen, dass Iran weiterhin als internationaler Paria gilt, der durch die Aufhebung der Sanktionen nicht zurück in die globale Gemeinschaft kommen soll." Öffentlich, so "Al-Monitor", erklärten die Saudis, sie unterstützten die bei den Atomverhandlungen erzielte Vereinbarung. Insgeheim aber zweifelten sie daran, dass diese den Iran in die internationale Ordnung einbinde.
Dieser Zweifel habe in Riad und den anderen Hauptstädten der Arabischen Halbinsel zu erheblichem Misstrauen gegenüber den USA geführt, schreibt Anthony Cordesman, Nahost-Experte am Think Tank "Center for Strategic and International Studies" in Washington. "Es ist deutlich, dass die Golfstaaten der amerikanischen Zusage, man bleibe weiterhin am Golf präsent, nicht trauen. Sie sind verunsichert durch Verschwörungstheorien, die besagen, die USA würden sich auf die eine oder andere Weise Iran zuwenden." Zugleich frage man sich am Golf, ob die USA noch hinreichend mächtig wären, nennenswerten Einfluss auf die Region auszuüben.
Gespräche in Moskau
In dieser Lage orientiert sich Saudi-Arabien seit geraumer Zeit auch in andere Richtung. Mitte Juni war Verteidigungsminister Mohammed bin Salman zu Besuch in Moskau, wo er auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin traf. Zwar sprach man auch über wirtschaftliche Zusammenarbeit. Aber wichtiger war Putin ein anderes Thema: der Kampf gegen den sunnitischen Terrorismus, wie ihn der "Islamische Staat" (IS), Al Kaida und die Nusra-Front verkörpern. Der Kampf gegen diese habe oberste Priorität, ließ Putin seinen saudischen Gesprächspartner wissen. Und auch, dass man zu diesem Zweck weiterhin mit dem Iran und der syrischen Regierung zusammenarbeiten werde.
Die russische Position stärkt diejenige Saudi-Arabiens nicht. Dies auch darum, weil Russland und die USA bei aller Zerstrittenheit hinsichtlich der Ukraine die Entwicklung in Nahost doch sehr ähnlich beurteilen. Beide haben den Kampf gegen den Dschihadismus ganz oben auf die politische Agenda gesetzt. "Hinsichtlich dieser Krisen gibt es keine russisch-amerikanische Rivalität", schreibt die Zeitung "Al Hayat". "Washington hat nichts dagegen, wenn sich Moskau in Syrien engagiert oder sich mit dem Iran über dessen Rolle im Irak und dem Libanon verständigt. … Das Interesse, den IS zu besiegen, eint die USA und Russland." Dieses Interesse kommt vor allem einem zugute: dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Er muss sich wegen der amerikanischen Haltung immer weniger Sorgen machen. Dafür allerdings sieht er sich der wachsenden Kraft der Dschihadisten gegenüber.
Saudi-Arabien hingegen sieht einen Rücktritt oder Sturz Baschar al-Assads weiterhin als notwendige Bedingung für ein Ende des syrischen Bürgerkriegs an. Wenig spricht dafür, dass das Königreich die USA von seiner Haltung überzeugen kann. Es scheint darum, als liefen seine Versuche, Iran diplomatisch auszubooten, ins Leere. Daran wird auch seine Jahrzehnte alten engen Beziehungen zu den USA wohl kaum etwas ändern. Die beiden Länder seien zwar strategische Partner, schreibt "Al Monitor". Aber darin erschöpfe sich die Beziehung auch: "Die beiden Staaten teilen Interessen, keine Werte".