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Scharfe Kritik an Washington

2. September 2005

Fünf Tage nach dem Hurrikan wird die Lage immer schlimmer. Inzwischen wird scharfe Kritik an der Regierung geübt. "Die haben keinen blassen Schimmer, was da unten abgeht", sagte New Orleans Bürgermeister Ray Nagin.

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Alleine gelassen von der Regierung?Bild: AP


Er habe nach Militär, Hubschraubern und Bussen verlangt - "was ich bisher bekommen habe, sind vor allem leere Versprechungen", sagte Nagin am Donnerstagabend (Ortszeit) dem Rundfunksender WWL-AM. "Ich bin stocksauer."

"Nationale Katastrophe"

Dies sei eine nationale Katastrophe und es bleibe keine Zeit für "Kleindenkerei". Nagin verlangte, umgehend alle greifbaren Busse nach New Orleans umzulenken, um die Bevölkerung zu evakuieren. "Dies ist ein verzweifelter SOS-Ruf." In der Stadt waren am Freitag noch zehntausende Menschen, die händeringend auf Rettung warteten. Die Leute haben seit Tagen nichts mehr zu essen und zu trinken, in den Straßen stapelt sich Müll, Urin und Fäkalien fließen im Rinnstein. Für 15.000 bis 20.000 Menschen am Kongresszentrum gebe es keine Vorräte mehr, so Nagin.

"Das ist eine nationale Schande", schimpfte auch der Sicherheitschef der Südstaatenmetropole, Terry Ebbert. "Wir können den Tsunami-Opfern große Mengen von Hilfsgütern schicken, aber wir können New Orleans nicht aus der Klemme helfen", sagte er. Auch unter den Betroffenen macht sich mehr und mehr Wut über das offensichtlich wenig optimale Katastrophenmanagement breit.

Hurrikan Katrina Leute waten durch die überflutete Innestadt von New Orleans nahe dem Superdome
Bild: AP

Kritik an mangelndem Hochwasserschutz

Von Seiten der Demokraten wurde Kritik lauter, die Bush-Regierung habe zu wenig für den Hochwasserschutz getan. Dokumente aus der zuständigen Behörde zeigten, dass sie in den vergangenen Jahren nicht das Geld zur Verfügung hatte, das sie beantragt und gebraucht hätte, um Dämme, Deiche und Flutanlagen zu modernisieren. Bush habe in der Vergangenheit mehrfach beantragt, das Budget des Ingenieurkorps der US-Armee für Hochwasserschutzprojekte zu kürzen. Darunter seien auch Projekte gewesen, die die Folgen des Hurrikans "Katrina" in New Orleans hätten mildern können, so die Kritik.

Noch im Februar hatte Präsident George W. Bush den Antrag gestellt, das Budget des Korps um sieben Prozent zu kürzen, im Vorjahr sollten es 13 Prozent sein. Die beiden angekündigten Kürzungen waren Teil eines jährlich wiederkehrenden Rituals in Washington, bei dem der Präsident die Lieblingsprojekte der Abgeordneten zusammenstreicht - wohl wissend, dass der Kongress einen großen Teil der Gelder später wieder freigibt.

Land unter wegen Katrina
Bild: AP

US-Regierung wehrt sich

Vier Tage nach dem verheerenden Hurrikan präsentierte das Weiße Haus Führungskräfte des Korps, die vor Journalisten beteuerten, dass die Etat- Kürzungen nicht die Ursache für das Desaster gewesen seien. "Hochwasserschutz hat für diese Regierung Vorrang seit dem Amtsantritt", sagte Bushs Sprecher Scott McClellan. Der Kommandeur des Ingenieurkorps, Generalleutnant Carl Strock, sagte, eine vollständige Finanzierung neuer Projekte wie etwa die Verstärkung von Dämmen hätte die Katastrophe auch nicht verhindern können. Er räumte allerdings ein, dass mehr Mittel für den Hochwasserschutz ein schnelleres Abpumpen der Wassermassen in New Orleans möglich gemacht hätten.

Prioritäten anders gesetzt

Bush ist jedoch nicht der erste US-Präsident, der am Budget des Ingenieurskorps herumkürzte. Jimmy Carter legte seinerzeit Einspruch gegen einen Gesetzesentwurf für umfangreiche Wasserprojekte des damals von den Demokraten dominierten Kongresses ein. Und auch Bill Clinton strich das Budget zusammen. "Ich habe mit jeder Regierung gestritten, wenn sie versucht hat, das Ingenieurskorps als Sparschwein für die Finanzierung anderer Projekte zu benutzen", sagt der frühere Vorsitzende des zuständigen Kongressausschusses, Bob Livingstone aus New Orleans. "Diese Dämme sind in normalen Zeiten in Ordnung. Wir alle haben aber jahrelang darauf hingewiesen, dass es bei einem Hurrikan der Stärke 4 oder 5 nichts gäbe, was eine vollständige Überflutung von New Orleans verhindern würde", sagte der frühere demokratische Senator John Breaux. (sams / arn)