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Scharfe Töne im US-Wahlkampf

22. August 2004

Ein Krieg, der mehr als 30 Jahre zurückliegt, sorgt für Wirbel im US-Wahlkampf: John Kerry wird von einer Gruppe Vietnamveteranen attackiert, die seine Kampfmoral als Kommandant eines Schnellbootes in Misskredit ziehen.

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John Kerry mit seiner Crew in Vietnam (Archivbild, 1969)Bild: AP


In der Debatte steht nichts weniger als Kerrys persönliche Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Denn schließlich hat der Senator seine Vorgeschichte als junger Mann, der freiwillig nach Vietnam ging, und als Kommandant eines Schnellboots, der mit Medaillen für eine Tapferkeit und seine Wunden ausgezeichnet wurde, in den Mittelpunkt seiner Kampagne gestellt, um sich als Oberbefehlshaber der Armee zu empfehlen.

Worum geht es?

In ihrem ersten einminütigen Fernsehspot behaupten die "Swift Boat Veterans for Truth" ('Schnellbootveteranen für die Wahrheit'), John Kerry habe gelogen, um zwei seiner Verdienst-Medaillen zu erhalten. Ein zweiter Spot der Gruppe, der in den nächsten Tagen ausgestrahlt werden soll, könnte vielleicht noch mehr Schaden für Kerry anrichten: Darin sollen Auszüge aus einer Rede vor dem Kongress von 1971 zu sehen sein, in dem der damals 27-jährige Vietnam-Rückkehrer die Kriegsverbrechen amerikanischer Soldaten anprangerte: Sie hätten "vergewaltigt, Ohren abgeschnitten, Köpfe abgeschnitten", wird Kerry zitiert. Der Veteran Ken Cordier kommentiert dies in dem Spot mit den Worten: "Er hat uns in der Vergangenheit verraten - wie können wir ihm gegenüber jetzt loyal sein?"

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Senator John Kerry in einem TV-Werbefilm der ihn in seiner Zeit in Vietnam zeigt
John Kerry in VietnamBild: AP

John Kerry hat inzwischen Schützenhilfe von einem ehemaligen Kameraden bekommen: In der Sonntagsausgabe der Zeitung "Chicago Tribune" (22.8.) äußert sich der Journalist und Vietnam-Veteran William Rood zum ersten Mal seit 35 Jahren über seine Kriegserfahrungen. "Für diejenigen, die damals dabei waren, wird es immer schwieriger, Berichten zuzuhören, von denen wir wissen, dass sie falsch sind, vor allem, wenn sie von Leuten kommen, die nicht dabei waren', schreibt Rood, der wie Kerry im Februar 1969 in Vietnam ein Schnellboot befehligt hatte. "An diesem Tag vor mehr als 35 Jahren waren drei Schnellboote auf dem Fluss in Vietnam, drei Offiziere und 15 Besatzungsmitglieder", so Rood. "Von diesen Offizieren können nur noch zwei berichten, was am 28. Februar 1969 geschehen ist. Einer von ihnen ist Kerry. Der andere bin ich."

Es geht um vieles

Auch wenn Kerry selbst gesagt hat, dass er seine damaligen Aussagen heute für "ein bisschen überzogen" halte, und auch wenn er sich im Wahlkampf mit Kriegskameraden umgibt, die seine Heldentaten bezeugen - die Angriffe der "Swift Boat Veterans" haben ihre Wirkung gezeigt. Eine Umfrage des Senders CBS ergab, dass Kerrys Zustimmungsrate unter den Veteranen 18 Prozentpunkte hinter die von Bush absackte. Die 27 Millionen Veteranen machen rund 20 Prozent der Wählerschaft aus. Und eine weitere Umfrage der University of Pennsylvania zeigte, dass 44 Prozent der parteiunabhängigen Wähler die Angriffe auf Kerry für glaubwürdig halten - die Stimmen der Unabhängigen werden bei der Wahl am 2. November nach Expertenmeinungen voraussichtlich den Ausschlag geben.

Folgenreiche Vorwürfe

Kerry wurde aus den eigenen Reihen kritisiert, dass er zu spät auf die Attacken reagiert habe. Nach tagelangem Schweigen hat er inzwischen Bush bezichtigt, er lasse die Veteranen-Gruppe "die schmutzige Arbeit" verrichten. Außerdem lancierte er eine Gegenanzeige, in dem ein pensionierter Luftwaffengeneral dem Demokraten die Befähigung zum Oberbefehlshaber attestiert, und reichte Beschwerde bei der Wahlkommission gegen die "Swift Boat Veterans for Truth" ein, da deren Spots mit dem Bush-Team "illegal koordiniert" seien. Der Ausgang dieser Debatte könnte deshalb für Kerrys "Hoffnungen auf den Sieg im Herbst entscheidend sein", urteilte die "New York Times".

Hat Bush seine Finger mit im Spiel?

Das Team des demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry reichte am Freitag (20.8.) eine Beschwerde bei der Bundeswahlkommission (FEC) ein und erhob in dem Zusammenhang auch Vorwürfe gegen Amtsinhaber George W. Bush. Doch der bestreitet, mit der Veteranengruppe irgendetwas zu tun zu haben. Allerdings kam die "New York Times" in aufwändiger Recherche zu dem Schluss, dass es ein "Netz der Verbindungen" zwischen den "Swift Boat Veterans for Truth" und der Bush-Familie, wichtigen politischen Figuren in Bushs Heimatstaat Texas und dem politischen Chefberater des Präsidenten, Karl Rove, gebe. Einer der Hauptsponsoren der TV-Spots, der texanische Geschäftsmann Bob Perry, ist der Zeitung zufolge ein langjähriger politischer Verbündeter von Rove. Obendrein war Kenneth Cordier, ein pensionierter Oberst, der im Wahlkampfteam von Bush für Veteranen-Fragen zuständig ist, in einem der Werbespots der "Swift Boat Veterans" aufgetreten. Er musste am Samstag (21.8.) das Team verlassen.

Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, beschuldigte hingegen Kerry, mit falschen und haltlosen Attacken gegen den Präsidenten vorzugehen. Der demokratische Herausforderer habe seine Gelassenheit verloren und sei damit kaum für das höchste Staatsamt geeignet, deutete McClellan an. Kerrys Sprecherin Stephanie Cutter konterte damit, dass man nun die militärische Vorgeschichte des Präsidenten erneut ins Visier nehmen wolle: Bush war durch einen eher laxen Dienst in der Nationalgarde dem Einzug nach ietnam entgangen. Die Auseinandersetzung zwischen Bush und Kerry dürfte damit noch persönlicher und giftiger werden. (arn)