Schildkröten-Wilderer werden zu Artenschützern
Eine philippinische Initiative zum Schutz von Meeresschildkröten nutzt die Erfahrung ehemaliger Eierdiebe. Von dem Programm profitieren nicht nur die Tiere.
Nächtliche Strandbesucherin
"Pawikan" nennen die Bewohner der philippinischen Provinz La Union die Meeresschildkröten, deren Muttertiere die Strände der Region als Nistplätze nutzen. Nach erfolgreicher nächtlicher Eiablage schleppt sich dieses Weibchen mühsam zurück in den Golf von Lingayen. Beobachtet wird sie dabei von Carlos Tamayo, dem Leiter der lokalen Schutzinitiative für Meeresschildkröten CURMA.
Auf der Suche
Ausgerüstet mit Holzstock, Eimer und einer Stirnlampe sucht Johnny Manlugay jede Nacht an den Stränden von La Union nach den Eiernestern der Meeresschildkröten. Das Aufspüren der versteckten Nistplätze hat er schon als Jugendlicher von seinem Großvater gelernt. Seit jeher handelte Familie Manlugay mit den begehrten Eiern - oder verspeiste sie.
Im Schutz der Dunkelheit
Doch die wegen ihrer Eier, ihres Fleisches und ihrer Panzer begehrten Tiere stehen unter Artenschutz: Aufgrund ihrer Bejagung, aber auch durch den Verlust ihrer natürlichen Lebensräume, gelten fast alle Meeresschildkrötenarten als gefährdet. Daher hat die 2009 auf den Philippinen ins Leben gerufene Schutzinitiative die ehemaligen Wilderer...
Eierdieb
...durch gezielte Schulungen zu Verbündeten im Kampf für den Arterhalt der Tiere gemacht. "Wir wussten nicht, dass Wilderei illegal ist und dass wir keine Schildkröteneier und kein Schildkrötenfleisch essen sollten", sagt Manlugay. Aus einem aufgespürten Nest entnimmt er vorsichtig die Eier, um sie anschließend nicht auf den Markt, sondern...
Schildkröten-Brutstation
...zu einer Brutstation des Schutzprogramms zu bringen, wo er das Vierfache der Marktpreise erhält. "Wir haben mit den Wilderern gesprochen, und es stellte sich heraus, dass die Wilderei für sie nur eine Möglichkeit war, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie hatten keine Wahl", erklärt der Leiter der Station.
Schlüpfen aus geschütztem Nest
Die Muttertiere der pazifische Bastardschildkröten legen im Durchschnitt 100 Eier in ein Nest, von denen sie zwischen 35 und 40 pro Saison anlegen. Das Umziehen von Nestern in die Brutstationen schützt diese nicht nur vor Wilderern, sondern auch vor Umweltgefahren und ermöglicht es so Schildkrötenbabys wie diesem, ungefährdet zu schlüpfen.
Aussetzung am Strand
Durch das Programm wurden laut Tamayo allein in der letzten Saison fast 9000 Schildkrötenbabys sicher ausgesetzt. Mit einer Wanne voller Jungtiere ist er auf dem Weg zum Strand, freudig begleitet von interessierten Zuschauern des anstehenden Spektakels.
Warten in der Wanne
In der Wanne warten die frischgeschlüpften Cheloniidae ungeduldig auf den ihnen instinktiv vorgegebenen Marsch in Richtung Meer. Die weiblichen Tiere werden eines Tages versuchen, zur Eiablage an genau diesen Strand zurückzukehren - männliche Tiere bleiben ihr Leben lang im Meer.
Weg in die Freiheit
Touristen strömen in Scharen zum Strand, wenn die blau-grauen Jungtiere ausgesetzt werden. Wie wild huschen die nur 20 Gramm leichten Tiere nach ihrer Freilassung den Strand hinunter, um das Wasser zu erreichen.
Einheimische profitieren vom Artenschutz
Der ehemalige Wilderer Jessie Cabagbag, der mit dem Verzehr von Schildkrötenfleisch und -eiern aufgewachsen ist, sagt, dass das zusätzliche Einkommen aus der Eiersammlung für seine Familie, die hauptsächlich vom Fischfang lebt, eine große Hilfe sei. Am Strand von La Union hilft er Carlos Tamayo, Muttertiere zu markieren, um die Bestände der Tiere zu überwachen.
Karawane ins Meer
Die erfolgreiche Aussetzung einer neuen Brut macht auch die ehemaligen Wilderer glücklich: "Ich bin wirklich stolz. Selbst unsere Nachbarn wissen zu schätzen, was ich tue, denn es ist nicht einfach. Ich bin glücklich, dass ich einen Beitrag zur Erhaltung der 'Pawikan' leisten kann" freut sich Cabagbag.
Chance auf Arterhalt
Das wachsende Bewusstsein der Eiersammler von La Union für die Gefährdung der "Pawikan" bietet eine Chance zur Erhaltung der uralten Reptilienart. Doch ob dieses Schildkrötenbaby zu seinem Geburtsstrand zurückkehren wird, bleibt ungewiss. Jahr für Jahr verenden hunderttausende Meeresschildkröten als Beifang der Langleinenfischerei.