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Ein hochriskantes Amt

Arne Lichtenberg26. Juni 2013

Der Untersuchungsausschuss soll Licht ins Dunkel rund um das Drohenprojekt Euro Hawk bringen. Verteidigungsminister de Maizière könnte erneut unter starken Druck geraten. Sein Amt birgt von Haus aus viele Risiken.

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Soldaten des Wachbataillons der Bundeswehr sind in Berlin im Bendlerblock angetreten. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Es sei eine "Schlangengrube", "ein Sack voller Minen" oder gar ein "Schleudersitz", so hatte Manfred Wörner (CDU) einmal seinen Arbeitsplatz beschrieben: einen Ministerposten, den Wörner von 1982 bis 1988 innehatte. Auch ihm selbst erging es nicht anders als vielen seiner Vorgänger und Nachfolger: Wörner trat 1988 als Verteidigungsminister zurück. Mit sechs Jahren blieb Wörner jedoch verhältnismäßig lange im Amt. Im Durchschnitt beträgt die Amtszeit des Bundesverteidigungsministers nur dreieinhalb Jahre, also keine volle Legislaturperiode. Die Spitze des Verteidigungsministeriums zählt zu den riskantesten Posten der Regierung.

Seit Gründung des Ministeriums 1955 gab es 16 Ressortchefs. Sieben von ihnen traten wegen Angelegenheiten zurück, die direkt mit ihrer Arbeit als Verteidigungsminister zu tun hatten. So musste Georg Leber nach Abhöraktionen des Militärischen Abschirmdienstes im Februar 1978 seinen Hut nehmen, und Gerhard Stoltenberg stürzte 1992 über umstrittene Waffenlieferungen an die Türkei, nachdem der Bundestag dies abgelehnt hatte. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum gaben nur drei Innenminister und zwei Bundesfinanzminister ihr Amt auf.

Ein komplizierter Job

Harald Kujat war von 2000 bis 2002 Generalinspekteur der Bundeswehr und damit der höchstrangige deutsche Soldat. Er diente unter dem damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD). Er kennt das Ministerium aus der Innenansicht, weiß, wo es hakt und wo Fallstricke auf den Verteidigungsminister warten.

Harald Kujat, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr (Foto: picture alliance/ZB)
Kujat: "Licht und Schatten sind hier ganz nah beieinander"Bild: picture alliance/ZB

"Es gibt im Grunde drei Möglichkeiten, die man in Erwägung ziehen muss", analysiert der General im Ruhestand die Rücktrittsgründe. "Die Minister scheitern am Apparat Ministerium, weil es Probleme in der Bundeswehr gibt, oder weil sie über eigene Schwierigkeiten stolpern."

Führung statt Verwaltung

Die Materie, die ein Verteidigungsminister zu bewältigen habe, sei in der Tat sehr komplex, gibt Kujat unumwunden zu. "Es ist ein Ministerium, das geführt und nicht verwaltet werden muss." Man müsse sich an diesem Punkte aber eher fragen, ob die Politiker, die man in den vergangenen Jahrzehnten zu Verfügung gehabt habe, auch Führungspersönlichkeiten gewesen seien, kritisiert Kujat.

Es sei aber nicht unbedingt notwendig, einen Fachmann mit militärischer Expertise auf dem Ministersessel im Verteidigungsministerium zu haben. "Volker Rühe hat auch nicht von Anfang an Verteidigungspolitik gemacht, dann aber die längste Amtszeit von allen gehabt", stellt Omid Nouripour, verteidigungspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, heraus.

In der Vergangenheit sorgten vor allem die Informationsflüsse im Ministerium immer wieder für Schwierigkeiten. So musste Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wegen der Folgen des Luftangriffs von Kundus zurücktreten, weil er kurz nach Beginn des Bombardements bestritten hatte, dass es zivile Opfer gegeben habe. Andere Quellen gingen sofort von zahlreichen Toten aus. Als deutlich wurde, dass Jung Parlament und die Öffentlichkeit verspätet über die Tötung von Zivilisten informiert hatte, trat er zurück. "Ich übernehme damit die politische Verantwortung für die interne Informationspolitik des Bundesverteidigungsministeriums gegenüber dem Minister bezüglich der Ereignisse vom 4. September in Kundus", sagte er damals in seiner Rücktrittsrede.

Omid Nouripour Abgeordneter Bündnis 90/Die Grünen (Foto: Omnid Nouripour)
Nouripour: "Der Minister muss keinen militärischen Hintergrund haben"Bild: Omid Nouripour MdB - Bündnis 90/Die Grünen

Unklarer Informationsfluss im Ministerium

Für Außenstehende ist es nur schwer nachzuvollziehen, wie der Informationsfluss im Verteidigungsministerium abläuft. Das Ministerium führe ein "Eigenleben", sagen die Kritiker, es sei "unregierbar"; die Minister würden bewusst im Unklaren gelassen. Dem widerspricht Kujat: Ihm sei kein Fall bekannt, an dem ein Minister am "unregierbaren Ministerium" gescheitert sei.

Neuen Nährboden erhalten kritische Vermutungen über das Ministerium aber gerade durch den aktuellen Verteidigungsminister. Thomas de Maizière ist durch das Debakel um das Drohnenprojekt "Euro Hawk" unter Beschuss. Seit Jahren plante das Verteidigungsministerium Aufklärungsdrohnen anzuschaffen, doch dem "Euro Hawk" blieb die Zulassung der Überflugrechte verwehrt. Über 500 Millionen Euro Steuergelder für die Entwicklung der Drohne wurden damit vernichtet.

Nach dem Aus für den "Euro Hawk" musste sich de Maizière vor dem Verteidigungsausschuss verantworten und seine Ausführungen bestätigten die Kritiker. Nach der Darstellung de Maizières wussten seine Staatssekretäre spätestens seit Februar 2012 von den Zulassungsproblemen beim Drohnen-Projekt. Die Reißleine beim "Euro Hawk" wurde aber erst über ein Jahr später im Mai 2013 gezogen.

Kein modernes Informationssystem

Im Ausschuss warf der Minister seinen Staatssekretären eine falsche Informationspolitik vor. Solche Fehler seien "typisch für das Verteidigungsministerium" - und die Entscheidungsfindung auf der Ebene der Staatssekretäre sei eben "gelebte Tradition im Verteidigungsministerium", so de Maizière.

"Da hat es in der Vergangenheit erhebliche technische Probleme gegeben", umschreibt Kujat das Problem freundlich. Man verfüge über kein modernes Informationssystem. Generell seien die Strukturfragen im Ministerium sicher nicht unwichtig, gibt auch Omid Nouripour zu Bedenken, aber "jeder Minister ist für seine Struktur selbst zuständig".

Verteidigungsminister Thomas de Maiziere im Verteidigungsausschuss des Bundestages (Foto: Reuters)
Euro Hawk Affäre: Anfang Juni wurde de Maizière im Verteidigungsausschuss befragt.Bild: Reuters

Zwischen den Mühlsteinen

Eine Herausforderung für die Verteidungsminister ist dabei der andauernde Reformprozess der Bundeswehr: Weg von der Freiwilligenarmee für die Landesverteidigung, hin zu einer Einsatzarmee mit Berufssoldaten. Teilweise wurden Veränderungen noch vom alten Ressortleiter angefangen und mussten vom nächsten weitergeführt werden. Rahmenbedingungen, die die Aufgaben des jeweiligen Ministers nicht einfacher machen.

Besonders schwierig sei es, wenn sich neben dem notwendigen Reformdruck in der Truppe auch noch die Sparvorgaben der Regierung hinzugesellen, erklärt Kujat. Dann bewege sich die Bundeswehr wie "zwischen zwei Mühlsteinen", dann werde sehr viel "überhastet" und ohne den nötigen "langen Atem" gemacht. Fehlentwicklungen und Probleme seien dann schnell absehbar.

Der Job des Verteidigungsministers sei aber dennoch kein undankbarer, erwidert Kujat. "Es ist ein unglaublich reizvoller Job, der aber auch viel Stress und Anspannung bedeutet." Zudem stehe man permanent im Blickpunkt der Öffentlichkeit, und das Amt stelle hohe Ansprüche an den Betroffenen. Es bleibt abzuwarten, ob Thomas de Maizière diesen hohen Ansprüchen gerecht wird. Der Untersuchungsausschuss, der ab dem 26. Juni tagt, wird es zeigen. Im Ausschuss könnte der Minister übrigens einigen seiner Vorgänger begegnen - gerne würde man auch die ehemaligen Verteidigungsminister Scharping, Jung und zu Guttenberg einladen, hieß es. Alle drei gaben ihr Amt übrigens vorzeitig auf.