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Die Beatles und die DDR - Schluss mit dem Yeah Yeah Yeah

23. Oktober 2023

Beatmusik und DDR - zwei Begriffe, die zunächst mal nicht zusammen passen wollen. Dabei sind sie eng miteinander verknüpft, wie ein neues Buch jetzt beschreibt.

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Die Beatles auf einem Bandfoto von 1962
Die Beatmusik der Beatles war der DDR-Führung ein Dorn im AugeBild: UPI Photo/imago images

Als der Beat die DDR erreichte, war Wolfgang Martin, Jahrgang 1952, ein junger Teenie. Er war fasziniert von diesem neuen Sound, der vor allem von vier jungen Männern aus Liverpool in die Welt getragen wurde - nicht nur in die westliche.

Anfang der 1960er Jahre teilte der "Eiserne Vorhang" Europa in Ost und West. Es gab zwei deutsche Staaten - die freie Bundesrepublik Deutschland und die DDR, eine sozialistische Diktatur. 1961 wurde eine Mauer gebaut, die die beiden deutschen Staaten nicht nur politisch, sondern auch physisch voneinander trennte

Darüber hinaus gab es auch große kulturelle Unterschiede - vor allem in der Jugendkultur. Im Westen war längst durch Superstars wie Little Richard und Elvis Presley das Rock'n'Roll-Fieber ausgebrochen, was die ältere Generation zwar unheimlich und auch empörend fand, was aber nicht mehr aufzuhalten war. Und dann entwickelte sich eine noch "härtere" Musik - die Beatmusik. Und die machte auch vor dem Eisernen Vorhang nicht halt.

"Volkstümliche Sänger"

Die Beatles, die bereits den ganzen Westen infiziert hatten, elektrisierten nicht nur die Jugendlichen, sondern auch viele Musiker in der DDR, die versuchten, ihre Musik zu kopieren. Wolfgang Martin bekam alles von Anfang an mit - den Start der Karriere der Beatles sowie die vielen Beatbands, die alsbald auch in der DDR entstanden. Er war musikverrückt, hörte Westradio und sammelte Schallplatten - von Beat- und Gitarrenbands aus Ost und West.

Drei Singles, Hüllen und Vinyls, auf jedem Cover sind die Köpfe der Beatles in einen Kinderwagen gesteckt.
Das DDR-Label Amiga brachte drei Singles mit eigenwilligem Coverdesign herausBild: Hendrik Schmidt/dpa/picture alliance

Das DDR-Regime duldete diese Bands zunächst auch. Man wollte den gerade eingemauerten Jugendlichen ein wenig entgegenkommen und sorgte dafür, dass sie die Musik bekamen, die sie wollten.

So hieß es dann auch 1964 in einem wohlwollenden Artikel der DDR-Zeitschrift "Das Magazin": "Die Beatles sind eine Gruppe von volkstümlichen Sängern im Alter von zwanzig bis vierundzwanzig Jahren, die elektrische Gitarren und Trommeln spielen und ihre 'Beat'-Musik mit fröhlicher Ausdauer rhythmisch auf- und niedertwistend in einen mechanischen Verstärker schleudern", schrieb eine Londoner Korrespondentin in dem beliebten Kulturblatt. "Der überschäumende, ungebändigte, jugendliche Frohsinn bei ihrem Tun geht ins Publikum, fängt und steckt Jung und Alt an", heißt es weiter. Und so drehten sich Beatles-Platten auf den Tellern - die DDR-Plattenfirma Amiga hatte tatsächlich ein paar Schallplatten herausgebracht.

Beatmusik wird zum Klassenfeind

Das allerdings ging nicht lange gut - Musik, Bands, Fans und Frisuren gerieten außer Kontrolle. Die Tumulte bei einem Rolling Stones-Konzert in Berlin im September 1965 nahm die DDR-Führung zum Anlass, die Beatmusik zum Klassenfeind zu erklären. Behörden wurden angewiesen, "in aller Härte gegen solche Auswüchse während und nach Tanzveranstaltungen (...) sowie überhaupt gegen diese 'Hottentottenmusik' vorzugehen."

Weibliche Teenies sitzen in Washington in einer Reihe, applaudieren, schreien und weinen bei einem Beatles-Konzert.
Hysterische Mädchen, zerborstene Stühle - Tumulte waren bei Beatles-Konzerten an der TagesordnungBild: Glasshouse Images/picture alliance

DDR-Staatschef Walter Ulbricht formulierte seine Abneigung so: "Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? Mit der Monotonie des Je-Je-Je und wie das alles heißt, sollte man doch Schluss machen."

Dieses zum Klassiker gewordene Zitat hat Wolfgang Martin zum Titel seines Buches "Schluss mit Yeah Yeah Yeah?" gemacht. In diesem beschreibt er nicht nur seinen eigenen Weg zur Musik, sondern auch, wie die Beatlemania die DDR erfasste und wie stark der Einfluss der Beatles auf DDR-Musiker war. Wie hart es Bands und Fans getroffen hat, als die DDR-Führung im Herbst 1965 beschloss, die Beatmusik zu verbieten.

DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht spricht in einem Konferenzraum zu seinen Zuhörern, die am Tisch sitzen.
Walter Ulbricht, DDR-Staats- und Parteichef 1950 - 1971 konnte mit den Beatles und deren Musik nichts anfangenBild: Leon Schmidtke/ddrbildarchiv.de

Allein in Leipzig traf es 44 Beat- und Gitarrenbands, die mit dem Verbot nahezu kriminalisiert worden sind und dennoch ihr inneres "Yeah Yeah Yeah" nie verloren haben. Wolfgang Martin erzählt in seinem Buch auch die Geschichten dieser Musikerinnen und Musiker. Zu Wort kommen zahlreiche DDR-Stars, darunter Veronika Fischer, Frank Schöbel oder Dieter Birr von den Puhdys.

Leidenschaft für die Musik

Sie erzählen von ihrer Leidenschaft für die Musik und auch von ihrem Durchhaltevermögen in den Jahren, als ihre geliebte Musik nicht gespielt werden durfte - bis die DDR-Führung Anfang der 1970er, inzwischen unter Erich Honecker, das Verbot wieder aufweichte und Jahre später sogar Westkünstler wie Bruce Springsteen oder Udo Lindenberg auftreten ließ. Auch die Bands, die in den 70ern und 80ern entstanden, darunter die auch im Westen bekannten Silly, Karat, City oder die Puhdys sehen ihre Wurzeln bei den Beatles - obwohl sie erst dann entstanden waren, als die Beatles längst getrennt waren.

DDR-Band "Puhdys" steht mit ihren Instrumenten auf der Bühne, schwarz weiß-Foto von 1976
Die Puhdys waren die erste DDR-Rockband, die im Westen auftreten durfteBild: Heidtmann/dpa/picture-alliance

Wolfgang Martin taucht tief ein in die Musikszene sowie den Alltag in der DDR und versieht das Ganze mit wunderbaren Bildern von Plattencovern, Bandfotos und Zeitungsausschnitten jener Jahre, die für uns heute fast ein wenig lustig erscheinen, aber für die Menschen damals bitterer Ernst waren.

"Schluss mit all dem Yeah Yeah Yeah?" ist ein Stück Zeitgeschichte, deutsche Geschichte und natürlich Popmusikgeschichte - geschrieben von einem Musiknerd, der mit viel Liebe zum Detail all die Fotos und Interviews zusammengetragen hat. Wolfgang Martin hatte seine Leidenschaft zum Beruf gemacht  - er moderierte Musiksendungen im Radio (darunter auch beim Kult-Jugendradio DT 64) und war Musikchef bei verschiedenen Radiosendern. And the beat goes on.

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online